Streit um Herzklappen-Reinigungsverfahren

Ein Patentstreit hat dazu geführt, dass Forscher der Medizinischen Hochschule Hannover von der Kandidatenliste für den Zukunftspreis gestrichen wurden. Für die Beteiligten geht es auch ums Geschäft.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Professor Axel Haverich (links) muss sich mit Patentfragen beschäftigten. Zu seinem Team gehört unter anderem Dr. Serghei Cebotari.

Professor Axel Haverich (links) muss sich mit Patentfragen beschäftigten. Zu seinem Team gehört unter anderem Dr. Serghei Cebotari.

© Foto: Cebotari

Für den Herzchirurgen Axel Haverich war es ein herber Schlag. Mit seinem Team an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) war er im Oktober für die "mitwachsenden Herzklappen zur Implantation im Kindesalter" zum deutschen Zukunftspreis 2008 nominiert worden. Nach zwei Wochen zog die Jury die Nominierung zurück (wir berichteten).

Begründet wurde dies damit, dass der Berliner Arzt Wolfgang Konertz von der Charité schon im Jahr 2000 ein ähnliches Verfahren zur Reinigung von Herzklappen zum Patent angemeldet hatte. Jury-Präsident Günter Stock: "Für den Zukunftspreis ist die geklärte Patentsituation ein zentrales Kriterium. Denn es geht um Produktion und Arbeitsplätze. Wir mussten also zurückziehen."

Mit den beiden Spezialisten Haverich und Konertz liegen auch zwei Firmen im Wettstreit um Marktanteile. Auf der einen Seite: die Corlife GbR in Hannover mit Haverich als einem der Gesellschafter. Sie will Haverichs Verfahren auf den Markt bringen, menschliche Herzklappen mit einer Gallsäurelösung bis auf die Kollagen-Matrix zu säubern (Dezellularisation). Die Klappen selber dürfen sie nicht verkaufen, weil es verboten ist, mit menschlichem Gewebe zu handeln.

Auf der anderen Seite: die Autotissue GmbH in Berlin mit Konertz als Partner und seiner Ehefrau Marita Stein-Konertz als Geschäftsführerin. Die Firma verkauft bereits seit mehreren Jahren auch mit einer Gallsäurelösung dezellularisierte und mit einem anderen Verfahren desinfizierte Schweineherzklappen. Für beide Verfahren liegen Patente vor, so Marita Stein-Konertz.

Kern des Streites ist das Reinigungsverfahren: Die Hannoveraner haben ihres 2005 zum Patent angemeldet und warten seither auf die Erteilung. "Von einem Patentstreit ist uns nichts bekannt", sagt Michael Harder, Geschäftsführer von Corlife. Anders Stein-Konertz: "Wir haben das Patent für unser Verfahren seit dem Jahr 2000 und arbeiten damit." Das Berliner Team hat außerdem ein Verfahren patentieren lassen, das die Matrix der Schweineherzklappen auch von dem womöglich gefährlichen PERV-Retrovirus reinigt, erklärt Stein-Konertz, "Haverich ist offensichtlich auf menschliches Gewebe ausgewichen, weil ihm genau diese Reinigung nicht gelungen ist."

Ob Haverichs Herzklappen bei Kindern mitwüchsen, sei überdies noch gar nicht feststellbar, so Stein-Konertz. Haverichs Team dagegen bezweifelt, dass man bei den Herzklappen die Artenschranke gefahrlos überschreiten könne und verweist auf Explantationen, nachdem die Berliner Herzklappen eingesetzt worden waren; Operationen, die auch Stein-Konertz nicht bestreitet.

Bisher hat nur die Firma Autotissue mit dem Verkauf von dezellularisierten Schweineherzklappen schon erreicht, was Corlife mit der Dezellularisation menschlicher Herzklappen noch anstrebt: nennenswerten Umsatz. "Wir haben europaweit 1000 Klappen verkauft und zahlen unsere Kredite ab", sagt Stein-Konertz. Der Preis pro Klappe beträgt 5000 Euro.

Verständlich, dass Corlife sich von dem Zukunftspreis einen Geschäftsschub versprochen hatte. Allerdings nicht nur durch die Herzklappen allein - Harder taxiert den Bedarf auf "jährlich mehreren tausend" -, sondern auch durch dezellulariserte Venen-Matrix. Bei der MHH hieß es: "Mit dem Venenmarkt stünde uns etwas Großes offen."

Tests in Moldawien

Nach der Denominierung des MHH-Forscherteams war Kritik daran laut geworden, dass Professor Axel Haverich die Herzklappen zuerst an 18 Kindern in Moldawien erprobt hat. Zuletzt äußerte sich am vergangenen Wochenende die Medizinrechtlerin Brigitte Tag in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" kritisch. Die MHH weist jedoch in einer Mitteilung, die anlässlich der Nominierung Haverichs verfasst worden war, darauf hin, dass eine Ethikkommission in Moldawien, ein Ethik-Komitee der MHH und auch deutsche Behörden "grünes Licht für die Behandlungsreihe" gegeben hätten. Die Jury des Zukunftspreises betont, dass nur patentrechtliche Gründe für die Denominierung eine Rolle gespielt hätten. (eb)

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