Medizintechnik und Biomedizin - in vielen Bereichen verschmelzen die Disziplinen

Medizintechnik ist in der postindustriellen Gesellschaft so etwas wie ein Synonym für Innovation. Deutschland hat im Wettlauf um die besten Innovationen dabei gar keine schlechten Karten - glaubt der Verband VDE.

Von Jürgen Stoschek Veröffentlicht:
Labore rücken näher an die Technik heran.

Labore rücken näher an die Technik heran.

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Noch wird der Weltmarkt für Medizintechnik weitgehend von den USA bestimmt. Das könnte sich schon in wenigen Jahren ändern. Experten rechnen mit einer dramatischen Aufholjagd der asiatischen Länder. "Die Medizintechnik-Branche steht weltweit vor gewaltigen Veränderungen", meint Professor Olaf Dössel, Leiter des Instituts für Biomedizinische Technik an der Universität Karlsruhe.

Medizintechnik aus Deutschland habe im Wettlauf um alte und neue Märkte allerdings durchaus Chancen, ihre derzeitige Position zumindest zu halten, meinte Dössel beim Weltkongress 2009 für Medizinphysik und Medizintechnik in München. Knapp 18 Milliarden Euro hat die deutsche Medizintechnik-Industrie im vergangenen Jahr umgesetzt, zwei Drittel kommen aus dem Export.

Zukunftsstudie zeigt Innovationstreiber

Um die Technologie- und Forschungstrends der kommenden Jahre in der Medizintechnik weltweit besser einschätzen zu können, hat der Verband der Elektrotechnik (VDE) eine Zukunftsstudie "MedTech 2020" gestartet, deren Ergebnisse jetzt zum Weltkongress in München vorgestellt wurden. 631 Experten aus Wissenschaft, Kliniken und Industrie aus aller Welt hatten dazu ihr Urteil über Innovationstreiber und Technologiepositionen im internationalen Wettbewerb abgegeben. In der Befragung hatten sie außerdem Erfolgsfaktoren, Chancen und Perspektiven sowie Innovationshemmnisse im eigenen Land benannt.

Nach den Ergebnissen der VDE-Studie sehen die internationalen Experten in den kommenden Jahren vor allem bei der Innovationskraft deutliche Zugewinne für Asien. Im derzeit umsatzstärksten Bereich, der bildgebenden Diagnostik, werden demnach die USA bis 2020 ihre Vorreiterrolle an Asien, vor allem an China und Indien, abgeben. Auch Europa werde nach der Expertenprognose zurückfallen, berichtete VDE-Präsidiumsmitglied Dössel, der auch Präsident des Weltkongresses ist.

Zu den wichtigsten neuen Innovationsfeldern gehören bis 2020 nach Ansicht der befragten Experten die Telemedizin und die Digitalisierung des Gesundheitswesens (E-Health), die regenerative Medizin sowie Prothetik und Implantate. Im Bereich Telemedizin und E-Health könnten europäische Unternehmen aufsteigen und die USA als Technologieführer ablösen, ergab die Studie. Zur Telemedizin zählen als wichtige Anwendungsgebiete telemedizinische Dienste und Netzwerke, Telemonitoring für die Prävention und die Anwendung im Krankenhaus.

Auch in anderen Bereichen, etwa der regenerativen Medizin, der In-vitro-Diagnostik oder bei chirurgischen Instrumenten für minimal-invase Chirurgie und Endoskopie werden deutsche und europäische Unternehmen künftig die Nase vorne haben, erwarten die Experten. In einigen Bereichen könnte die regenerative Medizin Medizintechnik sogar ersetzen. Deshalb sei die wachsende Bedeutung der regenerativen Medizin für die Branche wichtig, auch wenn die Umsätze heute noch gering sind, teilte der VDE mit. Im Mittelpunkt innovativer Entwicklungen werden darüber hinaus die Vernetzung von Geräten und Systemen, Robotik und Navigation sowie minimalinvasive Techniken stehen, so die Einschätzung der Experten.

Forschung und Anwendung sollten mehr kooperieren

Zu den wichtigsten Schlüsseltechniken für die Medizintechnik gehören Computerwissenschaften, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Zell- und Biotechnologien. Fortschritte bei den Schlüsseltechnologien werden als Haupttreiber für Innovationen in der Medizintechnik angesehen. Zweitwichtigster Innovationstreiber ist laut aller befragten Gruppen, also Forscher, Ärzte und Industrievertreter die Zusammenarbeit zwischen institutioneller Forschung und klinischer Anwendung.

Mangelnde staatliche Förderung wird von knapp einem Drittel der Befragten als Innovationshürde Nummer eins genannt. In Deutschland ist diese Ansicht etwas weniger ausgeprägt als in Westeuropa insgesamt. Zu viel Bürokratie und mangelnde Kooperation zwischen Industrie und Wissenschaft gelten als weitere Innovationshemmnisse. Interessant sei auch, dass in Deutschland die Zulassungsverfahren für innovative Medizintechnologien als größeres Hemmnis wahrgenommen werden als bei den Nachbarn, berichtete Dössel. Tatsächlich seien jedoch die Prozeduren in Deutschland und weiten Teilen Europas über die "Medical Device Directive" der Europäischen Union einheitlich geregelt.

Weltkongress für Medizintechnik in München

Seit Montag treffen sich Medizintechniker aus allen Fachrichtungen beim Weltkongress für Medizintechnik und Medizinphysik in München. Rund 3000 Kongressteilnehmer aus Physik, Medizin, Ingenieurwissenschaften und Industrie befassen sich auf dem Messegelände in München noch bis Samstag mit den Innovationen auf allen Gebieten der Medizintechnik, von mittlerweile konventioneller Technik wie der Endoskopie und Prothetik über Telemedizin und Telemonitoring bis hin zu nachgezüchteten Körperteilen wie Knorpel und Herzklappen.

www.wc2009.org

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