Keine rosige Ertragslage

Hennig setzt auf neue Wege

Das hessische Familienunternehmen Hennig, spezialisiert auf Präparate gegen Schwindel, sucht nach Wegen aus der Abhängigkeit von der GKV-Erstattung. Priorität hat neben dem Export der Aufbau eines OTC-Portfolios.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Die Firmenzentrale von Hennig in Flörsheim.

Die Firmenzentrale von Hennig in Flörsheim.

© Hennig

FLÖRSHEIM. 46 Millionen Euro hat der Mittelständler Hennig vergangenes Jahr umgesetzt. Zum Gewinn werden keine Angaben gemacht.

Allerdings dazu, dass die Ertragslage alles andere als rosig ist: Wichtigstes Einzelprodukt des Pharmaunternehmens Hennig ist das Originalpräparat Arlevert® (Dimenhydrinat+Cinnarizin) gegen Schwindel, das noch Unterlagenschutz hat.

Damit aber bildet es gewissermaßen auch die Achillesverse des Unternehmens.

Denn auf seinen größten Umsatzbringer, der mit einem Apothekenverkaufspreis von nicht ganz 50 Euro für die N3 alles andere als ein hochpreisiges Produkt ist, muss Hennig gleichwohl den vollen gesetzlichen Herstellerrabatt von 16 Prozent abführen.

Das habe den Gewinn in den vergangenen Jahren ganz erheblich gedrückt, erläuterten die beiden Geschäftsführer Holger Schleenhain und Dr. Kai Schleenhain anlässlich einer Firmenpräsentation in Flörsheim.

OTC-Portfolio soll ausgebaut werden

Seit Inkrafttreten des Preismoratoriums im Herbst 2010 habe Hennig vier Millionen Euro Rabatt gezahlt - 2,6 Millionen Euro mehr als vor der Anhebung von sechs auf 16 Prozent. Und dass sich die Lage mit dem vorgesehenen Auslaufen dieser Rabatthöhe zu Ende 2013 entspannt, damit rechnet man nicht.

Es werde sicher irgendeine Nachfolgeregelung geben, befürchtet der studierte Mediziner. Und sein Bruder Holger ergänzt, es gebe "keine sinnvolle Härtefallregelung für den Mittelstand".

Zusätzliche Belastungen resultierten aus der neuen Kennzeichnungspflicht für Arzneimittelpackungen, wie sie durch die europäische Fälschungsrichtlinie gefordert werde. Die dazu nötigen Maschinen-Investitionen beliefen sich auf eine Million Euro.

Um sich unabhängiger vom Kassenmarkt zu machen, wolle Hennig jetzt den Export forcieren sowie das OTC-Portfolio ausbauen. Beider Anteil am Gesamtumsatz ist derzeit noch verschwindend gering.

Wie mit der Hauptindikation Schwindel im Rx-Portfolio, setze Hennig auch mit seiner OTC-Strategie auf Nischenthemen, sagt Marketingleiter Dr. Tom Waldmüller.

So etwa wurde ein eigenes Komplex-Homöopathikum gegen Schwindel entwickelt (Vertigo Hennig®), nachdem man festgestellt hatte, dass der Mengenabsatz eines vergleichbaren Konkurrenzproduktes genauso hoch ist wie derjenige des verschreibungspflichtigen Hennig-Originals Arlevert®.

"Hier liegt offensichtlich noch viel Potenzial brach", schätzt Waldmüller. Weitere OTC-Themen seien Reisemedizin und Kinderheilkunde. Massenindikationen wie Schmerz oder Erkältung wolle man dagegen nicht bedienen.

Flörsheim einziger Standort

Hennig wurde 1898 in Berlin gegründet. Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Unternehmen - in der sowjetischen Zone gelegen - enteignet. 1951 erfolgte die Neugründung in Flörsheim bei Frankfurt, wo die Firma bis heute ansässig ist.

Flörsheim ist einziger Standort des Unternehmens. Rund 40 Prozent der Erlöse werden mit verschreibungspflichtigen Präparaten gegen Schwindel erwirtschaftet. Zu dieser Indikation führt Hennig eigener Aussage zufolge sämtliche relevanten Wirkstoffe im Portfolio.

Weitere 34 Prozent steuern Generika zum Umsatz bei, darunter Sartane, Antidepressiva, Statine und ein Fentanyl-Pflaster. 23 Prozent setzt Hennig mit pharmazeutischer Lohnherstellung sowie galenischer Entwicklung im Auftrag Dritter um.

Bis 2017 soll die Diversifizierung so weit gediehen sein, dass alle fünf Sparten - Originale, Generika, OTC, Export und Lohnfertigung - jeweils ein Fünftel des Gesamtumsatzes tragen.

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Kosten und Nutzen

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