Abbvie und Shire: Im fünften Anlauf ist die Hochzeit perfekt

Umgerechnet 40 Milliarden Euro lässt Abbvie sich die Übernahme des irischen Pharmaherstellers Shire kosten. 46 Prozent der Transaktion gehen in bar über die Bühne, der Rest in eigenen Aktien. Abbvie macht sich mit dem Deal unabhängiger von seinem Hauptprodukt.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Abbvie-Standort in Ludwigshafen: Das einstige Werksgelände der Knoll AG ist heute der größte Forschungsstandort von Abbvie außerhalb der USA.

Abbvie-Standort in Ludwigshafen: Das einstige Werksgelände der Knoll AG ist heute der größte Forschungsstandort von Abbvie außerhalb der USA.

© Abbvie

CHICAGO/DUBLIN/JERSEY. Fünf Mal musste Abbvie bei Shire anklopfen. Dann endlich erhörte das Management des irischen Orphan-Drug-Spezialisten das Übernahmeansinnen des US-Konzerns. In der Zwischenzeit stockte Abbvie sein Angebot um 36 Prozent auf.

Jetzt sollen die Shire-Aktionäre für jeden ihrer Anteile 24,44 britische Pfund in bar erhalten und 0,8960 Abbvie-Aktien. Damit erreicht die Übernahme einen Gesamtwert von rund 32 Miliarden Pfund (umgerechnet 54,7 Milliarden Dollar oder 40,4 Milliarden Euro).

Auf die Shire-Aktionäre entfallen demnach 25 Prozent des neuen Gemeinschaftsunternehmens, das aus steuerlichen Gründen wie bereits Shire ins Handelsregister der Kanalinsel Jersey eingetragen werden wird.

Die, wie es in einer Konzernmitteilung heißt, "neue Abbvie" erreiche eine Marktkapitalisierung von derzeit rund 137 Milliarden Dollar und werde rund 30.000 Mitarbeiter beschäftigen. Abbvie setzte 2013 rund 19 Milliarden Dollar um, Shire erwirtschaftete in der gleichen Zeit rund fünf Milliarden Dollar.

Abhängigkeit von Humira®

Durch die Shire-Akquisition hat Abbvie einen wichtigen Schritt gemacht, um sich aus der Abhängigkeit von seinem Hauptprodukt Humira® (Adalimumab) zu lösen. Der monoklonale Antikörper aus der Entwicklungspipeline der einstigen BASF-Tochter Knoll war 2013 das meistverkaufte Medikament der Welt und steuerte mit fast elf Milliarden Dollar deutlich mehr als die Hälfte zu den Abbvie-Einnahmen bei.

Im Dezember 2016 endet laut Abbvie-Geschäftsbericht das Patent für das gentechnisch hergestellte Antirheumatikum in den USA. In Europa soll die Marktexklusivität den Angaben zufolge noch bis April 2018 Bestand haben.

Shire vermarktet Innovationen gegen seltene Krankheiten - unter anderem Morbus Gaucher und Morbus Fabry -, entzündliche Darmerkrankungen und Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS).

Hauptprodukt ist mit zuletzt (2013) 1,2 Milliarden Dollar Jahresumsatz das ADHS-Mittel Vyvanse® (Lisdexamfetamin). Mit 35 Prozent Gewinnmarge vor Zinsen und Steuern gilt Shire als hoch profitabel.

44 Projekte in klinischen Tests

Der Zusammenschluss von Abbvie und Shire soll sich auch auf die Produktivität der Forschungspipelines auswirken. Derzeit bearbeiten beide Unternehmen zusammengenommen 44 Projekte in den klinischen Entwicklungsphasen I bis III, darunter auch etliche Indikationserweiterungen für bereits etablierte Substanzen.

Im Zulassungsverfahren sind aktuell vier Produkte: Für seinen Blockbuster Humira® hat Abbvie in den USA die Indikationserweiterung M. Crohn für die Pädiatrie beantragt. Außerdem soll hier demnächst eine Fix-Kombination der beiden Parkinson-Wirkstoffe Levodopa und Carbidopa (Duopa?) den Markt erreichen.

Die wichtigste aktuelle Innovation von Abbvie dürfte aber ein Präparatecocktail zur interferonfreien oralen Hepatitis-C-Therapie sein. Erst kürzlich wurde bei der US-Zulassungsbehörde FDA sowie dem europäischen Pendant EMA der Antrag für ein Behandlungsschema mit den antiviralen Wirkstoffen Veruprevir, Ritonavir, Ombitasvir und Dasabuvir, optional mit Ribavirin, eingereicht.

Shire hat derzeit lediglich einen Produktkandidaten im US-Zulassungsverfahren: Eine neue Langzeitformulierung des ADHS-Klassikers Adderall? (Amphetamin-Mischung), die 16 Stunden wirksam sein soll.

Shire rechnet damit, das Produkt im ersten Halbjahr 2015 in den US-Markt bringen zu können. Voraussichtlich im 3. Quartal dieses Jahres will Shire die Zulassungserweiterung für Lisdexamfetamin zur Behandlung von Patienten mit Binge-Eating-Störung beantragen.

Mehr zum Thema

Unlauterer Wettbewerb

Demenz-Vorsorge mit Hörgerät? Wettbewerbszentrale mahnt ab

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Ambulantisierung

90 zusätzliche OPS-Codes für Hybrid-DRG vereinbart

Lesetipps
Der Patient wird auf eine C287Y-Mutation im HFE-Gen untersucht. Das Ergebnis, eine homozygote Mutation, bestätigt die Verdachtsdiagnose: Der Patient leidet an einer Hämochromatose.

© hh5800 / Getty Images / iStock

Häufige Erbkrankheit übersehen

Bei dieser „rheumatoiden Arthritis“ mussten DMARD versagen