DüsseldorfDie Entwicklung des Ölpreises wirkt sich bis in die entferntesten Winkel der Weltwirtschaft aus. Dass dieser Einfluss selbst noch einen Hersteller pflanzlicher Arzneimittel empfindlich treffen kann, zeigt das Beispiel des Phytotherapie-Unternehmens Bionorica SE.

Der Grund für diese eigentümliche Verbindung: Bionorica, ein im bayerischen Neumarkt beheimateter Mittelständler, ist mit seinen wissenschaftlich erforschten Naturarzneien längst über Deutschland hinausgewachsen und hat vor allem in Osteuropa und in Russland eine starke Marktstellung erreicht. Die Erlöse, die das Unternehmen in Russland erzielt, werden in Rubel erzielt - und der Rubel ist in den vergangenen zwei Jahren stark gefallen. Die russische Währung hängt in ihrem Wert ab von der Entwicklung des Ölpreises, weil die Einnahmen Russlands vor allem aus Öl- und Gasverkäufen erzielt werden.

Starke Marktstellung

Und so hat der Verfall des Ölpreises mittelbar auch zu starken Rückgängen bei den Bionorica-Erlösen in Russland geführt - umgerechnet in Euro: "Ohne die negativen Wechselkurseffekte beim Rubel hätte der Umsatz 2015 um gut 26 Millionen Euro höher gelegen", berichtete Professor Michael Popp, Inhaber und Vorstandsvorsitzender des Unternehmens bei der Bilanzpressekonferenz am Freitag in Düsseldorf.

Der Marktanteil in Russland habe in diesem Jahr weiter gesteigert werden können, betonte Popp. "Wir haben nur moderate Preiserhöhungen vorgenommen, trotz Verfall des Rubels. Wir setzen weiter darauf, dass die Patienten auch in Russland unsere Produkte bezahlen können."

Dass Bionorica das abgelaufene Geschäftsjahr dennoch mit einem Plus bei den Netto-Umsätzen von 5,1 Prozent auf 244,3 Millionen Euro abschließen konnte, lag laut Popp unter anderem an der starken Entwicklung in Deutschland, wo erstmals die 100-Millionen-Euro-Marke geknackt worden sei. Mit einem Absatzplus in Deutschland von 12,8 Prozent (in Packungen) im vergangenen Geschäftsjahr habe die Bionorica SE ihre Marktführerschaft mit wissenschaftlich erforschten Naturarzneien kräftig ausgebaut.

Der Marktanteil in Deutschland liegt jetzt nach Popps Angaben bei 13,8 Prozent.Gewinne weist das im Familienbesitz befindliche Unternehmen traditionell nicht aus. Im Vergleich zum - schwach ausgefallenen - Jahr 2014 seien die Gewinne aber um 50 Prozent gestiegen, berichtete Popp, sie lägen aber noch unterhalb des starken Jahres 2013, als der Rubel gegenüber dem Euro noch stabil notierte.

Treiber des Wachstums in Deutschland waren vor allem die Präparate Sinupret®, Bronchipret® und Imupret® N, deren Absatz von der Grippe- und Erkältungswelle im vergangenen Jahr profitierte, sowie das pflanzliche Präparat gegen Harnwegsinfekte Canephron® N.

Weiterer Ausbau der Kapazität

Die Nachfrage nach den Atemwegspräparaten sei im vergangenen Winter zeitweise so hoch gewesen, dass Bionorica Lieferschwierigkeiten gehabt habe, berichtete Popp. So sei Bronchipret® aufgrund doppelt so hoher Nachfrage wie im Jahr zuvor in Apotheken teilweise "stockout" gewesen, der Absatz des Phytotherapeutikums übers ganze Jahr habe um 22,2 Prozent auf 4,2 Millionen Packungen zugenommen.

Der Absatz von Sinupret® sei um 10,1 Prozent auf 10,2 Millionen Packungen gestiegen und sei damit im Apothekenverkauf die stärkste Marke am Phytomarkt.

Um Lieferschwierigkeiten in Zukunft zu vermeiden und um die Produktionskapazitäten vor allem in Neumarkt auf den mittelfristig geplanten Jahresumsatz von 500 Millionen Euro vorzubereiten, hat Bionorica die Investitionen in Sachanlagen um 17,4 Prozent auf 23 Millionen Euro hochgefahren.

Vor zwei Jahren war dieses Ziel noch für 2018 im Plan, doch die Entwicklung des Rubelkurses hat das rasante Wachstum vorläufig gebremst. Der Anteil des Umsatzes, den Bionorica im Inland erzielt, ist wieder auf 45 Prozent gewachsen, weil die Erlöse im Inland aufgrund der Entwicklung in Osteuropa stärker gewachsen sind als die im Ausland.

Dennoch will sich Bionorica weitere internationale Märkte erschließen. Die Entwicklung in China mit einem Umsatzplus von 30 Prozent sowie in Polen (plus 13 Prozent) bestärkten das Unternehmen auf diesem Weg. Als nächstes will Bionorica in Indien in die Offensive gehen, außerdem steht der Markteintritt in Brasilien und in Mexiko unmittelbar bevor.

Hoffnungen auf Umsatzsteigerungen macht sich Popp auch bei den Cannabinoiden Dronabinol und bei Cannabidiol, auch wenn es mit der Zulassung eines Fertigarzneimittels für Dronabinol in Deutschland im vergangenen Jahr, anders als erhofft, nicht geklappt hat. Auch Zulassungen mit pflanzlichen Wirkstoffen aus der eigenen Forschung oder neuen Indikationen, etwa bei Magen-/Darmerkrankungen strebt das Unternehmen an.

Beim Marketing setzt der Spezialist für wissenschaftlich erforschte Phytotherapeutika weiter auf die Information von Ärzten und Apothekern, weniger auf Publikumswerbung. "Wir konzentrieren uns auf die Healthcare-Professionals", sagte Dr. Uwe Baumann, Vorstand Marketing & Vertrieb des Unternehmens.

Um das eigene Marktsegment zu stärken, tut Bionorica auch weiterhin viel für die Weiterbildung von Apothekern und PTA in der Naturheilkunde. Das Konzept der Phytothek wird mittlerweile in über 900 Apotheken umgesetzt.Dabei richten Apotheken eine eigene Ecke für in ihrer Wirkung wissenschaftlich belegte pflanzliche Arzneimittel ein - ohne exklusive Bindung an Bionorica, wie Baumann betonte.

Apotheker und Team bilden sich zu dem Thema fort und treten dann am Markt als Spezialisten für das Thema auf. Das Konzept wird jetzt auch international in Pilotprojekten ausgerollt. (ger)

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