Stada

Luxemburger Fonds treibt Management vor sich her

Seit Wochen gärt es schon beim M-DAX-Unternehmen Stada. Ein Investor drängt auf eine neue Führungskultur. Bei der Hauptversammlung konnte er dafür die Mehrheit der Aktionäre auf seine Seite bringen.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:

FRANKFURT/MAIN. Nach der Hauptversammlung der Stada AG vergangenen Freitag war vielfach von "Palastrevolution" die Rede.

Die Luxemburger Beteiligungsgesellschaft Activ Ownership Capital (AOC), die in den Wochen zuvor bei Stada kräftig Staub aufgewirbelt hatte, konnte ihre Ziele zwar nur teilweise erreichen: Sie brachte lediglich einen von vier eigenen Kandidaten in den Aufsichtsrat, den Schweizer Eric Cornut, der bis vor kurzem als Compliance-Manager für Novartis tätig war.

Doch auf die Fahne schreiben kann sich AOC auch die Abwahl des langjährigen Aufsichtsratsvorsitzenden Martin Abend, den Wechsel des Wirtschaftsprüfers, die Beendigung der Vinkulierung der Stada-Aktie sowie die Ablehnung einer neuen Vorstandsvergütung. AOC hält etwas mehr als fünf Prozent der Stada-Anteile.

Luxemburger treiben Führung vor sich her

Ein weiterer Erfolg der Luxemburger, der den Abstimmungsergebnissen freilich nicht unmittelbar abzulesen ist: Sie haben die Stada-Führung ein Stück weit vor sich hergetrieben. In einer ersten Bekanntmachung Anfang Mai wollte AOC mit Klaus Röhrig noch einen Mann aus den eigenen Reihen - Röhrig ist AOC-Gründungsmitglied - in den Aufsichtsrat hieven.

Die Stoßrichtung des Fonds lautete zunächst nur, Kompetenzen müssten entsprechend der veränderten globalen Marktbedeutung Stadas angepasst werden. Die damals noch amtierenden drei Apotheker sowie ein Arzt hätten im Aufsichtsrat nichts mehr zu suchen.

Stattdessen müssten dort "Experten der Pharma- und Healthcare-Branche sowie Experten für Management, Corporate Governance, Finanzen und Recht" Einzug halten.

Schwere Geschütze gegen das Management

In den Folgewochen revidierte AOC seine Personalvorschläge und fuhr zusätzlich schwere Geschütze gegen das Stada-Management, insbesondere gegen Vorstandschef Hartmut Retzlaff auf.

Von "Vetternwirtschaft" war die Rede, von "einem der schlechtesten Corporate-Governance-Regime, dass wir je in Deutschland gesehen haben", von "wertzerstörenden Akquisitionen" wie der Übernahme eines Grünenthal-Produktportfolios in Osteuropa (2011) und von undurchsichtigen Bonus- und Gehaltszahlungen, unter anderem zugunsten Retzlaffs Sohn, der gleich mehrere Posten im mittleren Stada-Management bekleidet.

Die mit 35 Millionen Euro außergewöhnlich hohen Pensionsrückstellungen für Retzlaff erregten allerdings schon früher Aufsehen. Unterdessen hatte das Unternehmen längst reagiert.

Stada-Chef gab sich kämpferisch

Erst wurde die Hauptversammlung um drei Monate verschoben, Anfang Juli dann eine eigene Kandidatenliste für die "Neuaufstellung des Stada-Aufsichtsrats" mit nurmehr ausgewiesenen Unternehmenslenkern vorgelegt. Eines seiner erklärten Ziele hatte AOC damit bereits vor der Hauptversammlung erreicht.

Schließlich übergab Anfang Juni Hartmut Retzlaff den Vorstandsvorsitz krankheitsbedingt an Entwicklungsvorstand Dr. Mathias Wiedenfels. Mitte August verkündete Stada Retzlaffs endgültige Demission.

Ungewöhnlich dabei der ausdrückliche Hinweis, seine Abfindung stehe im Einklang mit Vorgaben des Deutschen Corporate Governance Kodex. Das sah einmal mehr wie eine Konformitätsadresse an die aktiven Investoren aus. Bei der Hauptversammlung gab sich Stada-Chef Wiedenfels gegenüber den Luxemburgern zwar kämpferisch.

Der Fonds habe ihm gegenüber schon Entlassungen in großem Stil gefordert, öffentlich davon jedoch nichts verlauten lassen. Doch zugleich übte Wiedenfels Selbstkritik. Und die entsprach durchaus dem AOC-Tenor: "Wir haben noch längst nicht unser gesamtes Potenzial ausgeschöpft. Wir waren manchmal zu unbeweglich, so dass wir Geschäftschancen noch konsequenter hätten nutzen oder unrentable Geschäftsvorfälle früher erkennen und abstellen können".

"Sonnenkönig"

Über die Gründe des plötzlichen Aufruhrs bei Stada lässt sich nur spekulieren. Nach Dekaden unangefochtener Zustimmung unter den Vorzeichen stabilen Wachstums - 23 Jahre residierte Retzlaff an der Konzernspitze, der scheidende Aufsichtsratschef Martin Abend nannte ihn den "Stada-Sonnenkönig" - schien das Unternehmen seit geraumer Zeit vom Pech verfolgt.

Erst sorgten Zahlungsausfälle serbischer Großhändler für einen Gewinneinbruch, dann Krim-Krise und Russland-Boykott für eine Rubel-Abwertung, die sich gleichfalls in den Büchern niederschlug.

Russland und Osteuropa sind zweitgrößtes Absatzgebiet des OTC- und Generikaherstellers. Und jetzt wirft auch noch die Pfund-Schwäche nach dem Brexit-Votum einen Schatten auf die jüngste Großinvestition, den vielversprechenden britischen OTC-Hersteller Thornton & Ross.

Gute Aussichten für Aktionäre?

Prinzipiell treten Finanzinvestoren aber auch mit einer anderen Exit-Perspektive an, als Kleinanleger. Nach dem Börsengang 1997 befand sich Stada zu 80 Prozent in Händen von Apothekern und Ärzten, heute nur noch zu zehn Prozent. Immer wieder hatte Retzlaff betont, zur Finanzierung weiteren Wachstums vor allem auf institutionelle Investoren zu setzen.

Dabei achtete das Unternehmen beharrlich auf Eigenständigkeit, während große inländische Wettbewerber wie Hexal und Ratiopharm zu stattlichen Milliardenbeträgen 2005 und 2010 die Eigentümer wechselten. Bei der Hauptversammlung wurde denn auch der Verdacht laut, AOC beabsichtige, das Unternehmen zu zerschlagen oder bereite einen Komplettverkauf vor.

Was Fondsgründer Florian Schuhbauer dementiert. Man wolle Stada "als Ankerinvestor" in die Zukunft führen. Den Aktionären stellte er mittelfristig starke Wertsteigerung in Aussicht.

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