Wirkstoffforschung

Neues Forschungsprojekt forciert Kampf gegen Malaria & Co

Helmholtz-Forscher wollen umfangreiche Kapazitäten für die nachhaltige biotechnologische Produktion präklinischer Entwicklungskandidaten aus mikrobiellen Naturstoffen schaffen.

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BRAUNSCHWEIG. Am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig sollen neue natürliche Wirkstoffe gegen Malaria, Tuberkulose, HIV und andere Infektionskrankheiten gefunden werden, die besonders in ärmeren Ländern dringend benötigt werden – aber nicht im Fokus der forschenden Pharmaindustrie stehen. Im Rahmen des neuen Forschungsprojekts "AntiMalariaDrug: Biotechnologische Produktion neuer natürlicher Wirkstoffe zum Einsatz gegen Malaria und andere armutsbedingte Krankheiten" sollen HZI-Forscher mögliche Wirkstoffkandidaten finden und weiterentwickeln.

Laut HZI fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Projekt mit 780.000 Euro im Rahmen seines Förderkonzepts "Globale Gesundheit im Mittelpunkt der Forschung" zu vernachlässigten und armutsassoziierten Krankheiten. Zudem seien über das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) mehrere Bioreaktoren am HZI in Braunschweig für das Projekt mit einer Fördersumme von 325.000 Euro finanziert worden. Ziel der Förderung sei es, umfangreiche Kapazitäten für die nachhaltige biotechnologische Produktion präklinischer Entwicklungskandidaten aus mikrobiellen Naturstoffen zu schaffen.

"Es besteht weltweit ein immenser Nachholbedarf bei der Entwicklung von neuen Antibiotika für die Therapie bakterieller Infektionen, vor allem bei gramnegativen Erregern. Der Suche nach neuen antibiotischen Medikamenten wird in der Industrie nicht mehr der gleiche hohe Stellenwert beigemessen wie noch vor 20 Jahren", erläutert Professor Marc Stadler, Leiter der Abteilung Mikrobielle Wirkstoffe am HZI. "Die Entwicklung von Wirkstoffen gegen Tuberkulose und andere bakterielle Krankheiten, die vor allem in den Tropen eine Rolle spielen, wurde sogar noch weniger vorangetrieben als die Entwicklung der Breitspektrum-Antibiotika oder von Wirkstoffen gegen multiresistente Krankenhauskeime. Sehr viele Stämme von Mycobacterium tuberculosis sind daher gegen den Standard-Wirkstoff Rifampicin resistent oder tragen sogar multiple Resistenzgene", ergänzt Stadler.

Für die Behandlung von parasitären Erkrankungen wie Malaria stehen heute laut HZI schon sehr gute Wirkstoffe zur Verfügung, wie beispielsweise Derivate des pflanzlichen Naturstoffs Artemisinin. Allerdings seien die Entwicklung solcher Stoffe und die Versorgung der betroffenen Bevölkerungsgruppen ein zeitraubender und nicht einfach zu bewerkstelligender Prozess. Bei Artemisinin dauerte es allein mehrere Jahrzehnte, den Wirkstoff zu optimieren und ihn in größeren Mengen produzieren zu können. "Heute sind sehr große Anstrengungen nötig, damit Mittel gegen die in zehn bis 20 Jahren auftretenden Malaria-Erreger zur Verfügung stehen", sagt Stadler.

Mit der Förderung von BMBF und DZIF erweitern Stadler und sein Team eine hochmoderne Produktionsplattform am HZI für mikrobielle Wirkstoffkandidaten. "Durch internationale Kooperationsprojekte haben wir Zugang zu vielen mikrobiellen und pilzlichen Naturstoffen. Dabei reicht es jedoch nicht aus, potenzielle Wirkstoffkandidaten zu identifizieren", erläutert Stadler. Man brauche die Wirkstoffe auch in ausreichender Menge und Qualität. "Dazu müssen wir sie biotechnologisch oder chemisch aufarbeiten und in Multi-Gramm-Mengen bereitstellen – für die präklinische Entwicklung ist fast ein Pfund erforderlich", verdeutlicht der HZI-Fachmann. Nur dann ließen sich auch die nachfolgenden Schritte auf dem Weg zur Medikamentenentwicklung durchführen. Damit das zukünftig gelinge, würden die Fördergelder überwiegend in neue Bioreaktoren – Geräte, mit denen potenzielle Wirkstoffe isoliert werden können – investiert.

Die neuen Bioreaktoren erlaubten es den Wissenschaftlern, neben neuen Wirkstoffkandidaten auch bereits bekannte in größeren Mengen zu isolieren und weiterzuentwickeln. "Der Wirkstoff Chlorotonil beispielsweise hat in einem vorherigen Projekt im Tierversuch bei oraler Gabe eine Wirkung gegen Malaria gezeigt. Dank der neuen Fermenter können wir an diese Ergebnisse nun gezielt anknüpfen und die Menge des Wirkstoffes erhöhen", sagt Stadler. "Wir haben bereits ein Verfahren entwickelt, um die Stoffe im Multi-Gramm-Maßstab zu produzieren, welches nur noch auf einen größeren Produktionsprozess übertragen werden muss. Das Projekt läuft schon seit Januar 2016 sehr erfolgreich in Kooperation mit der Universität Tübingen im Rahmen des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung", ergänzt er. (maw)

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