Kognitive Assistenten

Mit KI seltenen Krankheiten auf der Spur

Bis zur richtigen Diagnose vergeht für Patienten mit seltenen Erkrankungen oft viel Zeit. Künstliche Intelligenz kann helfen, Muster zu erkennen und damit schneller zu einer zielgerichteten Therapie zu kommen.

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MARBURG/HANNOVER. Die Rhön-Klinikum AG setzt für ihr Zentrum für unerkannte und seltene Erkrankungen (ZusE) in Marburg auf die IBM-Watson-Technologie als Basis für ein kognitives Assistenzsystem. Das System soll die Ärzte und Spezialisten bei der Diagnosefindung unterstützen (wir berichteten kurz).

Kognitive Computersysteme verstehen natürliche Sprache, können logische Schlüsse ziehen und lernen aus der Interaktion mit Daten und Benutzern. Dadurch können sie Anwender darin unterstützten, die digitale Datenflut effizient zu nutzen und neue Erkenntnisse aus großen, komplex strukturierten Informationsmengen zu gewinnen.

Fünf Kilogramm Krankenakte

"Patienten, deren Krankenakten mehr als fünf Kilogramm wiegen, sind bei uns keine Seltenheit", so Professor Jürgen Schäfer, Leiter des ZusE, laut Rhön-Mitteilung. Diese Datenflut sei nur schwer zu bewältigen, da "unsere Arbeit oft der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen gleicht. Wir dürfen keine einzige Information übersehen, denn gerade sie könnte am Ende für die Diagnosestellung entscheidend sein", so Schäfer weiter.

Das IBM Watson-System soll den Experten am ZusE bei der umfassenden Anamnese helfen, die Krankenakte mit auswerten helfen und Informationen aus Fachartikeln und Expertensystemen mit in die Diagnosefindung einfließen lassen. "Wir entwickeln ein Assistenzsystem, das die Bereitstellung und Evaluierung der bestehenden Krankenakte vor und auch während der Konsultation erleichert", sagt Professor Bernd Griewing, Medizinvorstand bei Rhön. Dabei füllen die Patienten zunächst einen digitalen Fragebogen aus, das Watson-System erstellt dann eine Liste von Hypothesen, die den Ärzten vorgelegt wird – inklusive der genutzten Quellen.

Ebenfalls mit einem Computerprogramm, das mit Hilfe eines Fragenkatalogs zur Diagnose einer seltenen Erkrankung kommt, arbeitet ein Team um Dr. Lorenz Grigull von der Pädiatrischen Hämatologie und Onkologie der Medizinischen Hochschule Hannover. Stand des Projekts, das von der Robert-Bosch-Stiftung gefördert wird, ist ein Katalog mit jeweils 53 Fragen für Kinder beziehungsweise Erwachsene.

Bei der Auswertung von mehr als 1700 Fragebögen habe man eine Sensitivität von 90 Prozent erreicht. Das heißt, man könne optimistisch sein, in 90 von 100 Fällen bei einem Menschen mit einer seltenen Erkrankung mittels des Antwortmusters diese Erkrankung auch zu erkennen, so Grigull in einer Information der MHH. Das Team hat jetzt ein Start-up gegründet, um die Idee auch an anderen Orten nutzbar zu machen. (ger)

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Kosten und Nutzen

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