Compliance

Forscher loten Grenzen der Kooperation mit Firmen aus

Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften verordnet den Fachgesellschaften Regeln zum Umgang mit Pharmaunternehmen.

Von Jonas Tauber Veröffentlicht:

BERLIN. Um das Vertrauen in die wissenschaftliche Medizin zu stärken, hat die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) neue Empfehlungen für den Umgang mit Interessenkonflikten erarbeitet. Dabei geht es vor allem um die Zusammenarbeit der Fachgesellschaften mit Pharmaunternehmen. "Wir wollen Interessenkonflikte nicht nur transparent machen, sondern Strategien entwickeln, wie wir mit ihnen umgehen", sagte Professor Wilfried Wagner, stellvertretender Direktor der AWMF, am Freitag bei der Vorstellung des Konsultationspapiers in Berlin. Es macht Vorgaben zu den Bereichen Studien, Kongresse und Fortbildung sowie Erstellung von Leitlinien.

Mit ihren Empfehlungen will die AWMF einen Prozess anstoßen. "Es ist eine Version, mit der man jetzt Erfahrung sammelt, und die man bei Bedarf konkretisiert und ergänzt", erläuterte Wagner.

Objektivierbarkeit angestrebt

Bei der Entwicklung von Leitlinien sahen die bisher geltenden AWMF-Empfehlungen von 2010 bereits vor, dass Beteiligte ihre Interessen offengelegen müssen, berichtete Professor Claudia Spies, Präsidiumsmitglied und Vorsitzende der Kommission Leitlinien der AWMF. Das reiche aber nicht aus. "Deshalb sehen wir die Bewertung der Interessen durch Dritte vor", sagte sie. Im Moment müssten sich die Mitglieder einer Leitlinien-Arbeitsgruppe selbst bewerten. Das belaste sie, so Spies. "Dadurch, dass andere die Interessen bewerten, erreicht man eine Objektivierbarkeit, die Vertrauen schafft", warb sie.

Bestehen Interessenkonflikte, empfiehlt die AWMF je nach Schwere unterschiedliche Maßnahmen. Das könne damit beginnen, dass Mitglieder, die Geld von einer relevanten Firma genommen haben, keine Leitungsfunktion übernehmen, und reiche bis zum Ausschluss von der Teilnahme an der Leitlinienentwicklung, sagte Spies. "Das hat also verschiedene Stufen, die von einem Dritten bewertet werden."

Interdisziplinarität tariert Interessen

Nach Wagners Angaben ist außerdem eine interdisziplinäre Zusammensetzung der Leitliniengruppe vorgesehen, damit etwaige Sonderinteressen einzelner Fachrichtungen ausgeglichen werden.

Auch bei Studien ist Transparenz der erste Schritt, um Interessenkonflikten zu begegnen, betonte Professor Christoph Herrmann-Lingen, AWMF-Präsidiumsmitglied und Vorsitzender der Kommission Leistungsevaluation in Forschung und Lehre. "Der erste Schritt ist klarzumachen, dass es eine Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft gibt." Die AWF empfiehlt den Mitgliedern der Fachgesellschaften, ihre direkten und indirekten Interessen der vergangenen drei Jahre in einer Publikation zu veröffentlichen.

Herrmann-Lingen erklärte, der richtige Umgang mit Interessenkonflikten beginne bereits, wenn die Arbeit an einer Studie aufgenommen wird. Jede Studie sollte vor Beginn in ein öffentliches Register eingetragen und die Ergebnisse auch dann veröffentlicht werden, wenn sie nicht im Sinne eines Sponsors sind, forderte er. Auch müsse ein Studienvorhaben bestimmte Voraussetzungen erfüllen. "Unsere Überzeugung ist, dass eine Studie nur gemacht werden sollte, wenn ein entsprechender Bedarf auf Patientenseite besteht". Nach diesem Kriterium könne verhindert werden, dass Studien allein zur Vermarktung bestimmter Medikamente aufgelegt werden.

Unabhängiges Gremium für Kongresse

Bei der Ausrichtung von Kongressen empfiehlt die AWMF den Fachgesellschaften die Berufung eines unabhängigen Gremiums, das etwaige Interessenkonflikte und den Umgang der Fachgesellschaft mit ihnen beobachtet und bewertet.

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