Gastbeitrag

Anstellung ist keine Einbahnstraße mehr

Erleichterung für Ärzte in Gemeinschaftspraxen: Seit Anfang des Jahres können sie ihre Nachfolge flexibler gestalten. Jetzt haben sie nicht nur die Wahl zwischen angestelltem Arzt oder Mitgesellschafter.

Von Dr. Ingo Pflugmacher Veröffentlicht:
Junge Ärzte sind nicht mehr gezwungen, sich in einer Gemeinschaftspraxis gleich als voll haftender Mitgesellschafter zu bewerben.

Junge Ärzte sind nicht mehr gezwungen, sich in einer Gemeinschaftspraxis gleich als voll haftender Mitgesellschafter zu bewerben.

© S. Neumann/fotolia.com

BONN. Mit dem Versorgungsstrukturgesetz (VStG) können Ärzte seit Anfang des Jahres die vertragsärztliche Tätigkeit flexibler gestalten. Das eröffnet auch neue Wege, die Praxisnachfolge zu regeln - vor allem für Gemeinschaftspraxen.

Bisher standen Gemeinschaftspraxen nämlich häufig vor folgendem Problem: Ein Partner scheidet aus und will den Vertragsarztsitz zur Nachbesetzung ausschreiben.

Es finden sich aber nur Ärzte, die angestellt, nicht aber Mitgesellschafter werden wollen.

Oder: Die Mitgesellschafter wollen den Nachfolger zunächst anstellen, um ihn kennenzulernen und später zu entscheiden, ob er als Mitgesellschafter infrage kommt. Hier schafft das VStG optimale Gestaltungsmöglichkeiten für alle Beteiligten.

Denn seit Jahresbeginn kann ein anderer Vertragsarzt den Vertragsarztsitz übernehmen und ein von ihm angestellter Arzt die Tätigkeit ausüben. Das heißt: Jeder Vertragsarzt kann sich auf einen ausgeschriebenen Sitz bewerben.

Dabei kann er erklären, dass nicht er selbst, sondern ein angestellter Arzt die Tätigkeit fortführt, den er bereits mit der Bewerbung zu benennen hat.

Hilfe kommt von den Zulassungsausschüssen

In der Regel wird hierbei ein Kaufvertrag zwischen bewerbendem und abgebendem Arzt geschlossen. Mit der Genehmigung durch den Zulassungsausschuss erhält der Bewerber dann das Recht, einen angestellten Arzt mit eigenem Budget auf dieser Stelle zu beschäftigen.

Die Neuregelung setzt aber eine "Praxisfortführung" voraus. Die abzugebende Praxis darf also nicht so weit von der Praxis des übernehmenden Arztes entfernt sein, dass eine Fortführung faktisch ausscheidet.

Dies haben verschiedene Zulassungsauschüsse bereits für die vergleichbare Regelung, die schon seit 2004 für MVZ gilt, entschieden.

Gerade deshalb ist die neue Gestaltung für Gemeinschaftspraxen so interessant. Beim Ausscheiden eines Partners wollen immer häufiger neue Ärzte zwar in der Praxis tätig werden, aber nicht die Risiken der Freiberuflichkeit tragen, oder verbleibende Partner wollen den Neuankömmling zunächst nicht als Mitgesellschafter aufnehmen.

Dies beruht auch auf der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach jeder Gesellschafter variabel an Gewinn und Verlust der Gesellschaft beteiligt sein muss.

Vertragsärzte dürfen ihren Kassensitz auch teilen

In diesen Fällen kann die Zulassung des ausscheidenden Partners ausgeschrieben werden. Ein Partner bewirbt sich und erklärt mit der Bewerbung, dass er künftig den Nachfolger als angestellten Arzt, nicht als Mitgesellschafter, beschäftigen möchte.

Dabei verbleibt nun zwar das Restrisiko, dass sich neben dem Mitgesellschafter weitere Ärzte auf die Ausschreibung bewerben. Hier kommt Gemeinschaftspraxen aber nun die Regelung zur Praxisfortführung zugute.

Da Mitbewerber meist keine Räumlichkeiten am bisherigen Praxisstandort haben, ist die Chance sehr hoch, dass der Mitgesellschafter den Vertragsarztsitz erhält. Notfalls könnte der Zulassungsausschuss das Verfahren beenden.

Nach ersten Erfahrungen, insbesondere aufgrund des Arztmangels, wird dies aber kaum jemals erforderlich sein.

Das schleswig-holsteinische Landessozialgericht hat mit seiner Entscheidung vom 21. Februar 2012 (Az.: L 4 KA 13/10) diese Gestaltung bereits ausdrücklich als zulässig anerkannt.

Mehrere Kassenärztliche Vereinigungen und Zulassungsausschüsse haben im ersten Halbjahr 2012 die neue Vorgehensweise mitgetragen und umgesetzt.

Dies gilt sogar für den Fall, dass ein Vertragsarzt seinen halben Versorgungsauftrag ausschreibt, sich selbst darauf bewirbt und einen Arzt dafür anstellt.

Zudem besteht seit Jahresanfang die Option, dass ein angestellter Arzt auf Antrag des arbeitgebenden Arztes oder der ihn beschäftigenden Gemeinschaftspraxis die Angestelltenstelle in eine freiberufliche Zulassung umwandeln kann.

Stellen können umgewandelt werden

Stellt sich etwa nach zwei Jahren heraus, dass der angestellte Arzt als Partner der Gemeinschaftspraxis geeignet ist und er eine solche Partnerschaft wünscht, kann seine Stelle in eine Zulassung umgewandelt und er in den Gesellschafterkreis aufgenommen werden.

Seit Januar 2012 bestehen alle gesetzlichen Möglichkeiten, die Tätigkeit eines Arztes als Angestellter oder freiberuflicher Mitgesellschafter flexibel zu regeln.

Wer die Optionen kennt, kann insbesondere die Nachfolge innerhalb einer Gemeinschaftspraxis optimiert regeln.

Die Risiken, einen neuen, unbekannten Arzt als Mitgesellschafter aufzunehmen, bestehen nicht mehr. Ebenso ist nicht jeder junge Arzt gezwungen, sofort Mitgesellschafter zu werden und Haftungsrisiken zu tragen.

Die Anstellung ist auch endlich keine "Einbahnstraße" mehr, da sie in eine freiberufliche Zulassung umgewandelt werden kann.

Man mag in der Gesundheitspolitik vieles kritisieren, die gesetzliche Flexibilisierung der ärztlichen Tätigkeit ist gut gelungen.

Zur Person: Dr. Ingo Pflugmacher ist Fachanwalt für Medizin- und Verwaltungsrecht in Bonn.

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