Gesundheits-Apps

Gütesiegel soll Orientierung bieten

Der Markt der Gesundheits-Apps wächst rasant: Doch wie fundiert sind die Informationen, die die Apps vermitteln? Und wie sieht es mit dem Datenschutz aus? Ein Bewertungsportal, das europaweit agiert, will Transparenz schaffen.

Kerstin MitternachtVon Kerstin Mitternacht Veröffentlicht:
Viele Gesundheits-Apps sammeln Daten ihrer Nutzer. Vor allem bei kostenlosen App-Angeboten sollte man genau schauen, wo diese landen.

Viele Gesundheits-Apps sammeln Daten ihrer Nutzer. Vor allem bei kostenlosen App-Angeboten sollte man genau schauen, wo diese landen.

© C. Georghiou / fotolia.com

FRANKFURT/MAIN. Über 430 Gesundheits-Apps befinden sich in der Datenbank von HealthOn, nach eigenen Angaben, die größte unabhängige Plattform für Gesundheits-Apps in Europa.

Die Plattform funktioniert ähnlich wie ein Arztbewertungsportal: Die Nutzer können nach festgelegten Qualitätskriterien Gesundheits-Apps bewerten und sich natürlich bereits bewertete Apps anschauen.

Erfüllt eine App alle Kriterien, kann sie das HealthOn-Siegel führen. So möchte die Plattform eine Orientierung für Verbraucher im unübersichtlichen Gesundheits-App-Markt geben.

Den Markt hatte Dr. Ursula Kramer, Gründerin der Plattform, schon früh im Blick. Gestartet ist HealthOn im Jahr 2011. Vor allem die Präventionsaspekte der Apps, das eigene Verhalten aufzuzeichnen und zu steuern, habe ihrer Meinung nach Potenzial für unser Gesundheitssystem.

Apps als Präventionsmotor

In der Arztpraxis stehe erst einmal die Krankheit im Fokus, das Thema Prävention werde oft nur angesprochen, wenn Zeit ist. Die Prävention, die auf Veränderung des Lebensstils abzielt, komme daher im ärztlichen Alltag häufig zu kurz, so Kramer.

Hier können Apps ansetzen: "Früher hat man die Patienten nur schwer erreicht, das ist heute mit einer gutgemachten App einfacher." Jedoch bleibt die Qualität vieler Apps noch weit unter den Möglichkeiten: Datenschutzkriterien fehlen oder es gebe keine Hinweise auf die Quelle.

"Weil diese Basisangaben der Hersteller fehlen, können Verbraucher meist schlecht einschätzen, wie fundiert und vertrauenswürdig eine Gesundheits-App ist. Wir haben daher unsere Plattform gestartet und Kriterien entwickelt, um die Qualität von Apps für Nutzer einschätzbar und vergleichbar zu machen."

Im Blick habe die Plattform vor allem Apps im Bereich Vorsorge, etwa zum Thema Impfen, aber auch Apps mit denen sich Blutdruckwerte aufzeichnen und kontrollieren lassen oder zum Thema Diabetes.

"In der Plattform steckt viel Erfahrung und Arbeit. Sie ist jedoch zu 100 Prozent unabhängig und steht allen Seiten offen. Geld verdienen wir damit nicht", betont Kramer.

Es gibt auf healthon.de einen Test für Hersteller und einen Test für Verbraucher, so könne jeder Apps bewerten oder schauen, ob eine App den Qualitätskriterien von healthon.de entspricht. Dabei wird unter anderem gefragt: Wer ist der Absender der App? Wohin gehen die Daten?

Marktregulierung bringt nichts

"Wir haben festgestellt, dass sich nicht pauschal nach einem Hersteller urteilen lässt, ob eine App qualitativ gut und vertrauenswürdig ist", sagt Kramer. Es sei erst einmal egal, ob eine Krankenkasse die App entwickelt hat oder ein Pharmaunternehmen.

Die Apps haben sich mit der Zeit verändert: Wurden früher über die kleinen Programme lediglich ein paar PDF-Dateien mit Informationen angeboten, erhalten die Menschen heute zum Teil schon individuelle Unterstützungsbotschaften, die sie in ihren Lebenswelten abholen.

Da gebe es eine rasante Entwicklung am Markt, so Kramer. Zu regulieren sei der Markt nach Kramers Ansicht nicht, da er zu global aufgestellt ist. Deshalb sei die Stärkung der Nutzer wichtig.

Die Apps dringen, etwa beim Thema Prävention, in die Lebenswelt der Nutzer ein und holen sie dort ab. "So wird mit Hochdruck an Apps gearbeitet, die das persönliche Stresslevel sichtbar machen können. Man könnte so früh Zusammenhänge erkennen und somit schneller eingreifen und gegensteuern, wenn das eigene Verhalten in eine extreme Richtung läuft. Solche Apps helfen dem Nutzer, sein Verhalten zu reflektieren. Dies gilt natürlich auch für Apps zu Bewegung oder Ernährung", erklärt Kramer.

Mangelware Datenschutzerklärung

Greifen Apps in persönliche Bereiche ein, ist es natürlich wichtig, den Datenschutz genau im Blick zu haben. Aber selbst unter den Diabetes-Apps, die als digitale Tagebücher täglich eine Vielzahl von Gesundheitsdaten erfassen, bietet nur etwas jede siebte App überhaupt eine Datenschutzerklärung, weiß Kramer aus Erfahrung.

Und bei kostenlosen Apps sollten sich Nutzer immer Fragen, wie sie bezahlen. Unter Umständen mit den eigenen Daten, die weiterverkauft werden. "Kostenlos heißt aber nicht immer gefährlich, nur sollten Nutzer genauer hinschauen."

Bei der Einschätzung der Risiken einer App kommt es natürlich darauf an, was der Nutzer mit der App macht: Bei einem BMI-Rechner sind Fehler weniger gravierend, als etwa bei einer App, die Insulindosen berechnet.

Wie sieht die Zukunft aus? Kramer geht davon aus, dass vermehrt Sensoren in Kleidung und am Handgelenk - sogenannte Wearables - zum Einsatz kommen werden, die im Alltag Vitaldaten erfassen. Aber auch Messgeräten (Waagen oder Blutdruckmessgeräten), die Werte zur Analyse berührungslos an Apps übertragen, schreibt sie Zukunftspotenzial zu.

"Auch wird die Auflösung der Smartphone-Kameras immer besser. In Zukunft eröffnet dies die Möglichkeit, Essen einfach abzufotografieren und Daten über die Portionsgrößen oder Nährwerte könnten analysiert und so gleich sichtbar gemacht werden, etwa für Diabetiker", sagt Kramer.

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