Praxis-EDV

Die komplette Software in der Cloud - geht das?

Mit der Idee, die Praxissoftware in die Cloud auszulagern, gehört der Hausarzt Ralph Jäger zu den Gewinnern des Innovationspreises 2012. Ein Jahr später zeigt sich allerdings: Viele Wege führen nach Rom.

Von Marco Hübner Veröffentlicht:
Die Praxis-EDV fest im Griff: Hausarzt Dr. Ralph Jäger sorgt dafür, dass sich die Arbeitszeit an den Computern der Praxis auf das Nötigste beschränkt, und sich die Ärzte dafür länger den Patienten widmen können.

Die Praxis-EDV fest im Griff: Hausarzt Dr. Ralph Jäger sorgt dafür, dass sich die Arbeitszeit an den Computern der Praxis auf das Nötigste beschränkt, und sich die Ärzte dafür länger den Patienten widmen können.

© Marco Hübner

AICHHALDEN. Der Schwarzwald: Traditionsbewusstsein und Altbewährtes sind hier zu Hause, wie beispielsweise Kuckucksuhren oder gut abgehangener Schinken.

Auch beim Betreten der hausärztlichen Gemeinschaftspraxis in Aichhalden fällt der Blick zunächst auf klassisch dunkle Holztöne und ein betagtes Klavier im Eingangsbereich.

Die ersten Eindrücke täuschen allerdings: Die Allgemeinmediziner Dr. Günter Argast, Dr. Susanne Andreae und Dr. Ralph Jäger betreiben eine moderne überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft (ÜBAG).

Und im Gespräch mit Ralph Jäger, dem jüngsten Arzt im Team, wird klar - hier beschäftigt sich jemand aufgeschlossen mit der Praxis-EDV der Zukunft.

"In unserer Praxis nutzen wir heute kein Papier mehr", erklärt Jäger stolz. Entsprechend hoch sind in der Gemeinschaftspraxis die Anforderungen an die EDV.

Nicht nur von der Hauptstelle der Berufsgemeinschaft in Aichhalden wird auf das System zugegriffen, auch die Zweigpraxis, im elf Kilometer entfernten Ort Hardt ist angeschlossen.

Insgesamt greifen 14 Mitarbeiter über 26 PC-Arbeitsstationen auf die Verwaltungssoftware zu. Alles muss also reibungslos funktionieren, damit die Ärzte standortübergreifend Patienten koordinieren und versorgen können.

EDV bremmste Praxisbetrieb aus

Die Arbeitsprozesse im Praxisalltag waren bereits optimiert, so Jäger, aber die EDV habe die Ärzte und Praxismitarbeiter ausgebremst. "Je größer die Praxis, desto schwieriger die Vernetzung untereinander", erklärt Jäger.

Zu Stoßzeiten mussten Ärzte und Patienten immer länger warten, bis die Computer zum Beispiel ein Rezept ausspuckten. Insbesondere die Updates der Praxissoftware, die zweimal im Quartal anstanden sowie die Datensicherungen kosteten viel Zeit und Nerven.

Bis ein großes Update eingepflegt war, konnten schon einmal mehrere Stunden verstreichen. Für Arbeiten an der EDV nahm sich Jäger extra den ganzen Sonntag Zeit.

Dieses Problem brachte den Hausarzt auf die Idee, die Praxisverwaltung in einer Cloud - also in ein externes Rechenzentrum - auszulagern.

Mehr Zeit für das Wesentliche

IT-Profis könnten sich so um die Hardware kümmern und Dienstleistungen rund um die Arzt-Software erbringen. In der Praxis bliebe die vorhandene EDV bestehen, da die Praxis nur die Verbindung zur IT-Wolke via DSL aufrecht erhalten müsste.

Kostenmäßig hatte der Arzt ermittelt, dass für die Auslagerung in die Cloud rund 400 Euro pro Monat anfallen plus einer Pauschale für Wartungsdienstleistungen und der Miete einer sicheren Standleitung.

Die Alternative: Eine neue leistungsfähigere Hardware anzuschaffen und weiter selbst zu pflegen. Dafür kalkulierten die Ärzte, allerdings Kosten in Höhe von 12.000 Euro - allein für die Technik.

Mit der Cloud-Lösung bliebe der Praxis außerdem die laufende Diagnose und Therapie von Gebrechen an Server, Software und Arbeitsstationen erspart.

Es gäbe mehr Zeit für das Wesentliche im Arztberuf und Geld ließe sich außerdem sparen. Diese innovative Strategie des IT-Outsourcings brachte Jäger einen Gewinn beim Innovationspreis 2012 von UCB und Springer Medizin ein.

Umsetzung scheitert an Sicherheit

Eine gute Idee kann allerdings auch an der Grenze zur Realität in der Praxis scheitern. Als das Pilotprojekt kurz vor der Umsetzung im Rechenzentrum stand, gab es eine entscheidende Hürde: Für die Fernwartung konnte, laut Vertrag mit der Herstellerfirma des Praxisverwaltungssystems, nur ein spezielles Programm eingesetzt werden.

Dieses setzte aus Sicherheitsgründen voraus, das ein Mitarbeiter der Praxis jedes Mal physisch vor Ort im Rechenzentrum sein müsste, um eine Freigabe für Wartungsarbeiten am System zu erteilen.

"Das verstieß gegen unsere Grundidee, dass die EDV im Alltag in den Hintergrund verschwindet. Daher haben wir uns entschieden, das Projekt abzubrechen", sagt Jäger mit Bedauern in der Stimme.

Vernetzung doch noch ohne Cloud

Damit die ÜBAG trotzdem reibungslos funktioniert, musste zeitnah eine Lösung her, die der Grundidee und den Bedingungen in der Praxis gerecht wurde.

"Wir wollten kein eigenes Rechnenzentrum betreiben mit Server in der Hauptstelle, in den sich alle einwählen müssen", so Jäger. Die Zweigstelle wäre dann nämlich arbeitsunfähig, wenn es in Aichhalden einmal zu Serverproblemen kommt.

Eine Lösung fand der Arzt dann doch abseits der IT-Wolke. Seine Recherche führte ihn zu der Software MedicusPlus von Mednet. Diese hält aktuell die Verwaltung zwischen den Standorten synchron, spielt Updates im Hintergrund automatisch ein und läuft auf der in der Praxis vorhandenen Hardware.

Die Ärzte sind über eine Grundstruktur in ihrer Arbeit verbunden. Das bedeutet sie Teilen Dokumente sowie Vorlagen und können Ärzte und medizinisches Personal standortunabhängig einsetzen, da niemand erst in neue Software eingearbeitet werden muss.

Die Patienten können im Falle eines Falles auch auf den anderen Standort ausweichen, da ihre Behandlungsinformationen - durch Sicherheitsmechanismen geschützt - im Verbund verfügbar sind.

Direkter Kontakt mit den Programmierern

Die Umlernphase sei dennoch für alle fordernd gewesen. Brieftexte und Patientenlisten mussten neu erstellt werden. Daten aus der Vorgängersoftware mussten konvertiert werden. Zudem offenbarten sich hier und da kleine Fehler.

Die konnten jedoch, so Jäger, immer abgeklärt werden, da der Kontakt direkt mit den Programmierern des neuen Programms bestand.

Auch die Wirtschaftlichkeit blieb bei dieser Lösung für die Ärzte gewahrt: Die Software kostete 4500 Euro; zu den Lizenzkosten für die Datenkonvertierung fielen zusätzlich 1250 Euro an.

"IT ist also doch etwas für den Arzt und nicht nur zwangsläufig für Profis, solange sie schmal ist und im Hintergrund leise das tut, was sie soll - funktionieren", so Jäger.

Dr. Ralph Jäger schreibt über seine Erfahrungen im Internet unter: www.update-arztpraxis.de

Innovationspreis 2013

Haben Sie eine innovative Idee, die Sie in Ihrer Praxis umsetzen wollen oder umgesetzt haben? Dann bewerben Sie sich bis zum 30. November im Wettbewerb "Die innovative Arztpraxis", den das Biopharmaunternehmen UCB und die Verlagsgruppe Springer Medizin in diesem Jahr zum dritten Mal ausschreiben. Sie können mit Ihrer Idee einen von mehreren wertvollen Preisen gewinnen - als Hauptpreis winkt ein eintägiges Praxiscoaching durch die Unternehmensberatung HCC Better Care, Köln.

In unserem Online-Formular beschreiben Sie Ihre Idee und die Umsetzung. Dabei geht es auch darum, dass Sie zeigen, was Ihre Idee innovativ macht – zum Beispiel für die Versorgung von Patienten oder auch für die Wirtschaftlichkeit Ihrer Praxis. Sie können im Internet auch Dokumente hochladen, zum Beispiel Bilder oder Word-Dateien.

Ihre Daten werden nur zur Ermittlung der Gewinner verwendet und nicht an Dritte weitergeleitet.

Bewerbung bis 30. November 2013 online unter www.aerztezeitung.de/extras/innovationspreis

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