Wann ein Wechsel des PKV-Tarifs teuer wird

Unisex-Tarife in der privaten Krankenversicherung betreffen nicht nur Neukunden. Auch Bestandsversicherte müssen aufpassen - Änderungen könnten sie teuer zu stehen kommen.

Von Anja Krüger Veröffentlicht:
Bei Tarifwechsel droht die Umgruppierung. Das kann teuer werden.

Bei Tarifwechsel droht die Umgruppierung. Das kann teuer werden.

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KÖLN. Ärzte, die an ihrem privaten Krankenversicherungsvertrag etwas Gravierendes ändern, den Tarif oder gar den Anbieter wechseln wollen, sollten das in den kommenden Monaten in Angriff nehmen.

Ab dem 21. Dezember müssen die privaten Krankenversicherer bei neuen Policen und nach starken Eingriffen bei bestehenden die sogenannten Unisex-Tarife anwenden.

Das sind Policen, bei denen sämtliche Bedingungen für Männer und Frauen gleich sind.

Ärzte bis zum Alter von Anfang 60 werden bei Neuabschlüssen und zentralen Vertragsänderungen höhere Beiträge zahlen müssen. Ob es für jüngere Ärztinnen und Ärzte später im Seniorenalter günstiger wird, ist noch unklar.

Statistisch sind Frauen und Männer eben nicht gleich

Bislang bieten die Kranken- wie die Lebensversicherer verschiedene Verträge für Männer und Frauen an. Sie begründen das vor allem mit der unterschiedlichen statistischen Lebenserwartung der Geschlechter.

Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs dürfen die Gesellschaften bei neuen Verträgen diese Unterschiede nicht mehr machen. Für bestehende Policen gilt das nicht - auf den ersten Blick.

Denn nehmen Versicherte bestimmte Änderungen vor, gilt die bestehende Police als neu abgeschlossen und wandert aus der alten geschlechtsspezifischen in die neue Unisex-Welt.

Ob das gut ist oder nicht, hängt vom Alter und Geschlecht der Versicherten ab. In der PKV werden durch die Einführung der Unisex-Tarife bei neuen Verträgen die Prämien für jüngere Männer und ältere Frauen steigen, für jüngere Frauen und ältere Männer sinken sie - theoretisch.

Denn die Versicherer werden die neuen Tarife sehr vorsichtig kalkulieren. Sie fürchten, dass viele aus einem alten, teuren in einen günstigeren neuen Unisex-Tarif gehen.

Das dürfen die Versicherten, das garantiert ihnen das gesetzlich festgeschriebene Tarifwechselrecht.

Versicherer kalkulieren mit Unsicherheit

Weil die Unternehmen nicht wissen, wie viele von den vor allem profitierenden jüngeren Frauen davon Gebrauch machen, kämpfen sie bei der Kalkulation mit Unsicherheiten. Denn für die Festlegung der Preise ist der Geschlechtermix eine der entscheidenden Variablen.

"Wir gehen davon aus, dass die heutige Geschlechterverteilung unzureichend ist für die Berechnung der künftigen", sagte Roland Weber, Vorstand der Debeka, dem, gemessen an der Zahl der Versicherten, Marktführer in der PKV.

Die Branche erwartet, dass bei einem Beitragsvorteil von mehr als 30 Prozent immerhin 40 Prozent der infrage kommenden Kundinnen den Vorteil nutzen werden, bei einem Beitragsvorteil von 20 Prozent 30 Prozent.

"Die Älteren wechseln nicht so leicht wie die Jungen", sagte Weber bei einer Veranstaltung der Deutschen Aktuarvereinigung, dem Berufsverband der Versicherungsmathematiker. Auch Gesunde suchen eher einen neuen Tarif als Kranke.

Um bei der Kalkulation auf der sicheren Seite zu sein, gewichten die Aktuare bei der Berechnung der Unisex-Tarife den Frauenanteil sehr hoch.

Das bedeutet, dass die Prämien für die künftigen Verträge sich nicht einfach in der Mitte der heutigen Beiträge für Männer und Frauen treffen. Sie werden nah an den Preisen der heutigen Frauentarife liegen.

Änderungen an der Police sind wie ein neuer Vertrag

Wechseln männliche Versicherte in Zukunft ihren Tarif oder nehmen Änderungen an ihrer Police vor, die formal wie ein neuer Vertrag gewertet werden, wird es für sie deutlich teurer.

"Die Unisex-Kalkulation muss immer dann gelten, wenn eine vertragliche Vereinbarung getroffen wurde, die die ausdrückliche Einwilligung beider Parteien erfordert", erklärte Weber.

Dazu gehört nicht die Beitragsanhebung, denn für die braucht das Unternehmen nicht die Einwilligung des Kunden. Auch die Meldung eines neu geborenen Kindes fällt nicht unter diese Regelung.

Der Vertrag des Kindes wird als Unisex-Tarif geführt, auch wenn die Policen der Eltern als "Bisex-Tarif" geführt werden.

Das Auflebenlassen einer Anwartsschaftsversicherung aus der Bisex-Welt ist künftig nur möglich, wenn sie sich auf einen konkreten Vertrag bezieht, so Weber.

In vielen Fragen rund um Vertragsänderungen bestehe keine Rechtssicherheit. "Vieles werden die Gerichte entscheiden müssen", sagte er.

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