Lebensversicherung

Sind die stillen Reserven in Gefahr?

Eine Änderung des Versicherungsvertragsrechts könnte Inhaber von Lebensversicherungspolicen künftig um einen großen Teil ihrer stillen Reserven bringen. Und das schon ab Ende Dezember.

Von Herbert Fromme und Friederike Krieger Veröffentlicht:
Für einige Besitzer von Lebensversicherungspolicen lohnt es sich, ihren Vorsorgekompass neu zu justieren. Denn gerade bei Altverträgen könnten demnächst herbe Verluste bei der Vertragskündigung drohen.

Für einige Besitzer von Lebensversicherungspolicen lohnt es sich, ihren Vorsorgekompass neu zu justieren. Denn gerade bei Altverträgen könnten demnächst herbe Verluste bei der Vertragskündigung drohen.

© frank peters/fotolia.com

KÖLN. Ein neues Gesetz verschlechtert die Lage von Lebensversicherungskunden. Für Policenbesitzer, deren Vertrag in wenigen Monaten abläuft oder die ihn in absehbarer Zeit ohnehin kündigen wollten, kann sich daher rasches Handeln auszahlen.

Wer bis zum 21. Dezember 2012 seinen Vertrag kündigt, erhält unter Umständen eine deutlich höhere Summe.

Hintergrund ist eine Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes, die der Bundestag kürzlich beschlossen hat. Danach werden Kunden künftig nicht mehr wie bislang automatisch mit der Hälfte an den stillen Reserven auf festverzinsliche Wertpapiere beteiligt, wenn sie ihren Vertrag kündigen oder auslaufen lassen.

Stattdessen wird in einem komplizierten Verfahren ein Faktor zur Stabilisierung der Lebensversicherer abgezogen und erst danach die Beteiligung der Kunden ermittelt. Sie dürfte deutlich unter den bisherigen Werten liegen.

Die Versicherer hatten diese Änderung verlangt. Sie soll zur mittelfristigen Stärkung der Unternehmen dienen, von denen eine ganze Reihe durch die niedrigen Kapitalmarktzinsen unter Druck steht. Die Änderungen sollen parallel zur Einführung der neuen Unisextarife am 21. Dezember in Kraft treten.

Kunden riskieren bis zu zehn Prozent

"Kunden, die jetzt noch kündigen, sind eventuell besser bedient", sagt Axel Kleinlein, Vorsitzender des Bunds der Versicherten.

Wie groß der Unterschied zwischen einer Kündigung vor und nach der neuen Gesetzeslage, ist allerdings schwer zu sagen. "Das hängt stark von der Zinsentwicklung ab", sagt Kleinlein.

Die stillen Reserven entstehen dann, wenn der Marktwert von Wertpapieren den Buchwert übersteigt. Wegen der derzeit niedrigen Zinsen etwa für deutsche Staatsanleihen sind ältere Papiere in den Büchern der Versicherer, die höhere Zinsen bringen, mehr wert. Daher sind auch die stillen Reserven derzeit beträchtlich.

Bei der Allianz, zu der Deutschlands größter Lebensversicherer gehört, ist in internen Gesprächen mit Vertriebsmitarbeitern von fünf bis zehn Prozent Unterschied in der Ablaufleistung die Rede.

"Wenn mein Kunde für 2013 mit einer Kapitalauszahlung nach aktueller Gesetzeslage von 100.000 Euro zu rechnen hätte, könnte das unter neuen Bedingungen dann auf 90.000 Euro schrumpfen", sagt ein Vertriebsmitarbeiter der Allianz, der anonym bleiben will.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft schließt nicht aus, dass einzelne Kunden bei Kündigung besser dastehen.

Das hänge sehr vom einzelnen Unternehmen ab, der Geschichte seiner Kapitalanlagen und weiteren Faktoren, sagt eine Sprecherin: "Außerdem verzichtet der Versicherte im Falle einer Kündigung gerade im letzten Vertragsjahr auf nicht unerhebliche Schlussgewinnanteile."

Auch Verbraucherschützer raten, nichts ohne genaue Prüfung zu unternehmen. Eine Kündigung lohnt sich in der Regel, wenn die Police kurz vor der Auszahlung steht. Nur dann ist der Rückkaufswert, also der Betrag den Kunden bei einer Kündigung erhalten, hoch genug.

Der Zins-Vergleich lohnt

Lebensversicherung und Steuer

Vor 2005: Erträge aus vor 2005 abgeschlossenen Lebensversicherungen sind steuerfrei bei einer Laufzeit von mindestens zwölf Jahren und Einzahlung von Beiträgen über mindestens fünf Jahre.

Nach 2005: Bei Verträgen nach 2005 muss die Hälfte des Ertragsanteils versteuert werden (bei Mindestlaufzeit von 12 Jahren und Auszahlung nicht vor dem vollendeten 60. Lebensjahr)

Nach 2011: Bei Neuverträgen gibt es diese Vorteile erst bei Auszahlung nach vollendetem 62. Jahr.

Mit Zinsrechnern im Internet lässt sich der Effektivzins einer Anlage errechnen, so etwa mit: www.zinsen-berechnen.de

Kunden sollten aber auf keinen Fall ins Blaue hinein kündigen, sondern sich von ihren Gesellschaften zuvor berechnen lassen, wie hoch der Unterschied zwischen einer Kündigung jetzt und dem Warten bis zum Ablauf ist.

"Bei jeder Geldanlage, die man kündigen will, sollte man sich die Frage stellen, ob sich das Ganze rechnet", sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Wenn der Kunde Infos über Rückkaufswert und Ablaufleistung vom Versicherer erhalten hat, kann er mit Hilfe von Zinsrechnern im Internet den Effektivzins ermitteln - und mit anderen Anlageformen vergleichen.

"So kann der Kunde prüfen, ob es sich lohnt, seine Versicherung auslaufen zu lassen oder ob eine andere Geldanlage, etwa bei einer Direktbank, für die Restlaufzeit mehr Zinsen bringen würde", erklärt er.

Kunden sollten aber auch steuerliche Aspekte berücksichtigen, bevor sie kündigen. Kündigen könnten sie Lebenspolicen mit laufender Beitragszahlung jederzeit. Der Vertrag endet dann zum Schluss der Versicherungsperiode, die im Vertrag definiert ist.

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