Daten gegen Rabatte

Generali will Fitness-Werte von Kunden sammeln

Der Versicherer Generali plant, künftig über eine App Daten wie Fitness, Lebensstil und Ernährungsgewohnheiten seiner Kunden zu erfassen. Wer gute Werte hat, dem winken Vergünstigungen. Daten- und Verbraucherschützer sind skeptisch.

Anne-Christin GrögerVon Anne-Christin Gröger Veröffentlicht:
Laufbegleiter Computeruhr: Mobile Anwendungen sammeln und übermitteln Fitnessdaten.

Laufbegleiter Computeruhr: Mobile Anwendungen sammeln und übermitteln Fitnessdaten.

© TSUNG-LIN WU / Fotolia.com

KÖLN. Gesunde Ernährung, mehr Bewegung, weniger Arztbesuche: Das klingt auf den ersten Blick gut. Auch Ärzte würden eine solche Lebensführung unterstützen, eine gesunde Klientel ist schließlich ihr ureigenes Interesse. Doch was, wenn das gesundheitsbewusste Leben nachgewiesen werden muss - jeder Schritt per Schrittmesser nachgezählt, jede Mahlzeit in Kalorien berechnet? Und was passiert mit diesen Daten? Wer hat Zugriff darauf? Wofür werden sie verwendet?

Die italienische Generali Gruppe, die als Versicherer für fast jede Krankheit ihrer Kunden zahlen muss, bemüht sich jetzt verstärkt um die Gesundheit ihrer Klientel. Als erster großer Versicherer in Europa will sie per elektronischer Überwachung Fitness, Lebensstil und Ernährung der Versicherten messen.

Wer gesund lebt, bekommt Gutscheine fürs Reisen oder Rabatte bei der Versicherungsprämie. "Damit stärken wir die Bindung zu unseren Kunden", sagte Generali-Konzernchef Mario Greco vor Investoren. "Außerdem beeinflussen wir das Verhalten unserer Kunden, und gesündere Kunden sind besser für uns."

Unterstüzung aus Südafrika

Generali, zu der in Deutschland auch die Central Krankenversicherung gehört, arbeitet derzeit mit dem südafrikanischen Versicherer Discovery ein Konzept aus, wie Versicherte mit Rabatten und Geschenken zu einem gesünderen Leben animiert werden können. Kunden, die sich für eine Lebens- oder Krankenversicherung nach dem neuen Modell entscheiden, müssen dem Versicherer regelmäßig Daten zum Gesundheitszustand, zu Art und Umfang ihrer sportlichen Aktivitäten und zum Ernährungsverhalten übermitteln.

Das kann über Apps funktionieren, über Schrittzähler oder ein elektronisches Tagebuch, das Ernährungsgewohnheiten dokumentiert. Das Interesse des Versicherers: Wer gesund lebt, kostet weniger Geld. Wer bereitwillig seine Daten zur Verfügung stellt, bekommt Vergünstigungen.

Aber andersherum heißt es auch: Wer gerne raucht, Tiefkühlpizza isst und die Abende lieber gemütlich vor dem Fernseher verbringt, zahlt mehr. Das ist die eigentliche Gefahr des Systems: Wer seinen Gesundheitszustand lieber für sich behalten und nur mit dem Arzt besprechen möchte, muss deutlich mehr zahlen.

Generalis Vorstoß ist ein Schritt in einer Entwicklung, nach der die Versicherer immer mehr bereits gesammelte Daten ihrer Kunden für sich nutzen wollen. Das Schlagwort ist "Big Data". In den USA und Großbritannien sind deswegen Überwachungssysteme von Versicherern nichts Neues.

Der US-Krankenversicherer United Healthcare bietet Kunden bereits seit drei Jahren einen Rabatt an, wenn sie täglich eine bestimmte Zahl von Schritten zurücklegen und das nachweisen. In Großbritannien sind vor allem in der Kfz-Versicherung die sogenannten Telematik-Tarife erfolgreich. Autofahrer installieren in ihrem Wagen einen kleinen Sender, der das Fahrverhalten misst. Danach kalkulieren die Versicherer die Preise.

Verbraucherschützer skeptisch

Daten- und Verbraucherschützer sehen die Entwicklung skeptisch. "Wenn Versicherte individuelle Informationen preisgeben müssen, um rabattierte Angebote zu erhalten, sehe ich das sehr kritisch", sagt Peter Grieble von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. "Der Kunde weiß ja gar nicht, wie seine Daten im Konzern verarbeitet werden, und wer Zugriff darauf hat."

Lesen Sie dazu auch: Kommentar zur Fitnessdaten-Sammlung: Gefährliche Gedanken

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