Versicherungsschäden

Selber löhnen kann sich lohnen

Nicht jeder Schaden ist ein Fall für die Versicherung. Experten erklären, wann es sich lohnt, selbst dafür aufzukommen.

Anne-Christin GrögerVon Anne-Christin Gröger Veröffentlicht:
Einen Schaden selbst regulieren? Beispielsweise bei der Kfz-Versicherung kann dies sinnvoll sein, um auf längere Sicht Geld zu sparen.

Einen Schaden selbst regulieren? Beispielsweise bei der Kfz-Versicherung kann dies sinnvoll sein, um auf längere Sicht Geld zu sparen.

© vege / Fotolia.com

KÖLN. Wasserrohrbruch und überschwemmte Wohnung, Kratzer im Auto des Nachbarn, vom Sturm herabgewehte Dachziegel – solche Schäden sind nicht nur nervig, sie kosten auch Zeit und vor allem Geld. Um zumindest nicht auf dem finanziellen Schaden sitzen zu bleiben, schließen viele Verbraucher eine Versicherung ab. Sie soll einspringen und den Geldbeutel schonen.

Allerdings kann es manchmal durchaus sinnvoll sein, einen Schaden selbst zu bezahlen, um Nachteile zu vermeiden. Etwa in der Kfz-Versicherung: Hier wirkt sich jeder Schaden auf die Schadenfreiheitsklasse (SFK) aus, nach der Anbieter die Prämie berechnen.

Je mehr Jahre der Autobesitzer schadenfrei gefahren ist, desto höher die SFK, und desto geringer fällt die Prämie aus. Sobald jedoch ein Schaden eintritt, kann der Versicherer diese erhöhen.

Wer die Kosten dagegen selbst trägt, belastet den Versicherer nicht und damit auch nicht seine eigene SFK. Das kann sich rechnen, wenn die Gesamtkosten des Schadens mit denen der daraus folgenden Prämienerhöhung verglichen werden.

"Bei Schäden bis zu 1000 Euro informieren wir den Kunden, ob es sich lohnt, den Schaden aus eigener Tasche zu bezahlen oder ihn regulieren zu lassen", erklärt Holger Brendel, Sprecher des Autoversicherers HUK-Coburg.

Online-Rechner für Verbraucher

Das Verbraucherportal Finanztip rät, Haftpflichtschäden bis zu einer Höhe von 1500 Euro und Vollkasko-Schaden bis 1300 Euro – wenn möglich – selbst zu übernehmen. Stiftung Warentest bietet außerdem einen Online-Rechner an, mit dem Versicherte prüfen können, wann es insgesamt teurer wird, den Schaden dem Versicherer zu melden, als ihn selbst zu übernehmen.

Der Düsseldorfer Versicherungsmakler Johannes Brück empfiehlt, selbst verursachte Haftpflicht-Schäden immer zuerst über den Versicherer laufen zu lassen und ihn möglicherweise später "zurückzukaufen", wie es im Branchenjargon heißt. Das bedeutet, dass der Versicherer erst einmal den Schaden reguliert, das Geld aber dann von dem Verursacher zurückerhält.

Der wird im Gegenzug in der SFK nicht schlechter gestellt. "Der Versicherer soll erst einmal prüfen, ob die Ansprüche des Geschädigten gerechtfertigt sind", betont Brück.

Auch in der Wohngebäudeversicherung lohnt es sich, nachzurechnen – vorausgesetzt, die finanzielle Situation des Versicherten lässt es zu. "Generell kann man sagen, dass bei Schäden, die in der Nähe eines vereinbarten Selbstbehaltes liegen, eine Überprüfung lohnt", sagt Christoph Hartmann, Sprecher der Provinzial Rheinland.

Das könnte etwa der Fall sein, wenn ein Sturmschaden 550 Euro kostet und der vereinbarte Selbstbehalt bei 300 Euro liegt. Wer zu viele Schäden in einem zu kurzen Zeitraum meldet, riskiert Prämienerhöhungen oder sogar die Kündigung.

Das liegt daran, dass die Wohngebäudeversicherer ihre Kunden jahrelang für zu günstige Beiträge versichert hatten. Das macht ihnen jetzt, angesichts hoher Schäden durch Naturkatastrophen, schwer zu schaffen. Auch Leitungswasserschäden an überalterten Wohngebäuden kommen die Gesellschaften teuer zu stehen und lassen sie vorsichtig werden.

Versicherer inzwischen wachsam

Die Folge: Selbst nach drei kleineren Bagatellschäden, die zusammen nicht mehr als 1000 Euro gekostet haben, flattert vielen Kunden die Kündigung ins Haus. "Die Erfahrung zeigt: Ein großer Schaden führt noch nicht zur Kündigung, aber nach drei kleineren Vorschäden in den vergangenen fünf Jahren wird es für die meisten Versicherten haarig", berichtet Brück.

Vor allem bei den so genannten Frequenzschäden, die immer wieder passieren, sind die Versicherer inzwischen wachsam. "Häufige Schäden im Leitungswasser-System eines Hauses lassen den Schluss zu, dass ab einem gewissen Punkt vom Eigentümer etwas zur Instandhaltung der wasserführenden Systeme getan werden muss", bestätigt Hartmann.

Er betont, dass mehrere Schäden nacheinander nicht immer gleich zur Kündigung eines Vertrages führen. Nachteile für den Versicherten entstehen dennoch. "Es gibt in der Regel noch andere Sanierungsalternativen, bevor wir uns tatsächlich zur Kündigung entschließen", so der Sprecher. Dazu gehören höhere Preise oder eine Erhöhung des Selbstbehalts.

Auch wer in den vergangenen fünf Jahren den Wohngebäudeversicherer schon mehrmals in Anspruch nehmen musste, hat nach einem weiteren Schaden eine Chance, so Versicherungsmakler Brück. Dazu ist allerdings etwas Verhandlungsgeschick erforderlich.

"Verbraucher können immer versuchen, einen kleineren Schaden aus der Vergangenheit nachträglich doch noch selbst zu zahlen, wenn er nicht zu lange zurückliegt", sagt er. "Darauf haben Kunden keinen Rechtsanspruch, aber es macht immer Sinn, mit dem Versicherer zu sprechen."

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