Neues KV-Projekt

Südwesten bald "regressfreie Zone"?

Heißt vom Selektivvertrag lernen, siegen lernen? Im Südwesten sieht es ein bisschen so aus: Dort sollen Vertragsärzte bald frei von Regressangst verordnen können - mit einer neuen Leitlinien-Plattform.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
In Baden-Württemberg bald nicht mehr nötig?

In Baden-Württemberg bald nicht mehr nötig?

© [M] Steinach / imago | til

STUTTGART. Geht es nach KV-Chef Dr. Norbert Metke, soll Baden-Württemberg für Vertragsärzte eine "regressfreie Zone" werden. Den Weg dafür bereiten soll das Projekt RPK - "Rationale Pharmakotherapie spezifischer Krankheitsbilder".

Die Kassen im Südwesten haben bereits dem Plan zugestimmt, die Umsetzung liegt bei der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Wirtschaftlichkeitsprüfung, die paritätisch von Kassen und KV besetzt ist.

Wichtiger erster Schritt des Vorhabens ist eine verbesserte Information der Ärzte. Der "Info-Dschungel in der Arzneimitteltherapie" müsse gelichtet werden, forderte Metke bei der jüngsten KV-Vertreterversammlung.

Ermöglichen soll dies eine neue Informationsplattform im Internet, erläuterte Dr. Peter Schwoerer, unparteiischer Vorsitzender der ARGE, der "Ärzte Zeitung": "Das bisher auf viele Quellen unterschiedlicher Qualität verstreute Wissen wird zusammengefasst, damit der Arzt sich auf evidenzbasiertes, interessenunabhängiges Wissen berufen kann."

Abrufen können Ärzte auf der Webplattform, die Anfang 2014 starten soll, Empfehlungen über evidenzbasierte Arzneimitteltherapie, geordnet nach Fachgruppen und Indikationen. Diese Leitfäden sollen dem Arzt einen "Pfad durch den Dschungel der Evidenzen" ermöglichen, erläuterte Metke den KV-Vertretern.

Die redaktionelle Aufbereitung übernimmt die ARGE Wirtschaftlichkeitsprüfung. Die Reihenfolge der Indikationen, für die Empfehlungen erarbeitet werden, soll in den nächsten Wochen zwischen KV und Kassen konsentiert werden.

"Wir wollen Ärzten die Angst vor dem indikationsgerechten Einsatz - auch teurer - Medikamente nehmen", so Schwoerer. Ziel solle es sein, dass Ärzte für die Indikationsstellung und die Verordnungsmenge einstehen, nicht mehr für den Preis.

Infos ohne Einfluss

Mit den Stimmen der Kassen wurde in der ARGE beschlossen: Halten sich Ärzte an die empfohlenen Kriterien für eine rationale Pharmakotherapie, dann definiert das die zugleich die Wirtschaftlichkeit dieser Therapien - ein Regress wäre kein Thema mehr.

Richtgrößen werden somit nicht abgelöst, doch das Modell wirke Richtgrößen-entlastend, erläuterte Metke. Er verhehlte nicht, dass die KV versuche, von Erfahrungen zu lernen, die in Selektivverträgen gemacht wurden.

Ob Baden-Württemberg tatsächlich eine regressfreie Zone werde, "hängt dann vom Verhalten der Ärzte ab", so Schwoerer.Der Südwesten könne keine prüfungsfreie Zone werden, dämpft der unparteiische Vorsitzende der Prüfgremien mögliche Erwartungen.

Wichtig sei aber, dass der Vertragsarzt die Kriterien für eine Wirtschaftlichkeitsprüfung kenne. Schwoerer verwies darauf, dass Vertragsärzte in Baden-Württemberg, die mit ihrer Richtgröße statistisch auffällig sind, schon bisher durch ein Filtersystem entlastet werden, "in dem wir umfangreich Praxisbesonderheiten berücksichtigen".

Nicht gelöst ist aus Sicht der KV damit aber das Problem der Dauerbehandlung von Patienten. In Analogie zu den Selektivverträgen beispielsweise der AOK Baden-Württemberg will die KV das gesammelte Wissen der neuen Informationsplattform den Ärzten auch über deren Praxisverwaltungssoftware (PVS) zur Verfügung stellen.

Diese "ärztliche Schnittstelle" müsse frei von Einflüssen der Pharmaindustrie und der PVS-Hersteller sein, forderte Metke. Im Jahr 2010 wurde gegen 14 von landesweit rund 20.000 Vertragsärzten ein Arzneimittel-Regress ausgesprochen.

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