MedTech

Ethik-Kodex kippt Kongress-Sponsoring

Die europäischen Medizintechnik-Hersteller haben einen neuen Verhaltenskodex beschlossen. Jegliche finanzielle Unterstützung etwa passiver Kongress- Teilnahme sind künftig einzustellen. Renommierte Kardiologen bringen dagegen Bedenken vor.

Peter OverbeckVon Peter Overbeck Veröffentlicht:
Kongresse sind für Ärzte wichtig, um sich fortzubilden.

Kongresse sind für Ärzte wichtig, um sich fortzubilden.

© Stephanie Pilick

BRÜSSEL. Der Gesamtverband der europäischen Medizintechnik-Industrie (MedTech Europe) hat am 2. Dezember auf einer Sitzung in Brüssel einen verschärften Ethik- Kodex ("Code of Ethical Business Practice") formell verabschiedet, der neue Standards für die künftige Zusammenarbeit der Medizingeräte-Hersteller mit allen im Gesundheitswesen beruflich tätigen Personen ("health care professionals") festlegt.

Dem Gesamtverband gehören als Mitglieder der Europäische Dachverband der Medizintechnik-Industrie (Eucomed) und der Europäische Dachverband der Diagnostika-Industrie (European Diagnostic Manufacturers Association, EDMA) an.

Regelung gilt ab Januar 2018

Beschlossen wurde unter anderem, dass es ab Januar 2018 keine direkten finanziellen Zuwendungen von der Medizintechnik-Industrie mehr geben wird, die den Begünstigten im Gesundheitswesen eine "passive" Teilnahme an medizinischen Kongressen ermöglichen sollen.

Damit gehört die Übernahme von Reise- und Hotelkosten sowie Kongressgebühren der Vergangenheit an. Passive Teilnahme bedeutet, dass keine aktive Funktion etwa als vortragender Redner beim Kongress ausgeübt wird.

Für eine "aktive" Kongressteilnahme sollen - unter noch näher zu bestimmenden Bedingungen -direkte finanzielle Zuwendungen weiterhin möglich sein.

Drei renommierte europäische Experten aus dem Bereich der interventionellen Kardiologie - Professor Patrick Serruys aus Rotterdam, Professor William Wijns aus Aalst und Professor Stephan Windecker aus Bern - haben schon vor der inzwischen erfolgten Verabschiedung des neuen Kodex ihre dagegen gerichteten Bedenken in einem gemeinsamen Kommentar geäußert.

Zunächst handelt es sich nach ihrer Einschätzung bei diesem Kodex um ein "einseitiges Dokument", das ohne ausreichende Konsultierung der Ärzte allein von der Industrie geschaffen worden sei.

Die drei Kardiologen sehen die Gefahr, dass Ärzten durch den neuen Verhaltenskodex die Kongressteilnahme künftig erheblich erschwert werde, was für kleinere Kongresse unter Umständen das Aus bedeuten und bei größeren Kongressen eine Schrumpfung der Teilnehmerzahl um 30 bis 50 Prozent zu Folge haben könnte.

Die Teilnahme an Kongressen sei jedoch unabdingbar für die kontinuierliche berufsbegleitende medizinische Fortbildung (CME) und das spezielle Training von Ärzten.

Gäbe es hier gravierende Einschränkungen, könne sich das am Ende möglicherweise auch negativ auf die Qualität der medizinischen Versorgung auswirken.

Kein kompletter Rückzug

Serruys, Wijns und Windecker verweisen auf die Entwicklung in den USA, wo das direkte Sponsoring durch die Industrie schon seit längerer Zeit geächtet ist. Dort mussten die kardiologischen Fachgesellschaften ACC und AHA bei ihren Jahrestagungen in der Tat deutliche Rückgänge der Teilnehmerzahlen hinnehmen.

Zur Frage, ob dies auch eine Verschlechterung der medizinischen Versorgung von Herzpatienten in den USA zur Folge hatte, äußern sich die Kommentatoren nicht.

Sie fürchten aber offenbar, dass der Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC), die mittlerweile zum größten und weltweit bedeutendsten Kardiologenkongress avanciert ist, das gleiche Schicksal drohen könnte.

MedTech Europe hält dagegen, dass der Verzicht auf direkte Zuwendungen für Kongressbesuche keineswegs den kompletten Rückzug der Industrie aus der verantwortlichen Unterstützung von Fortbildungs- und Trainingsmaßnahmen für Ärzte bedeute.

An der indirekten Unterstützung in Form etwa von Fortbildungsbeihilfen (educational grants) für Kliniken, medizinische Fachgesellschaften oder sonstige Organisationen werde man festhalten.

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