Corona-Splitter der KW 48

Die COVID-19-Symptome bei Kindern

Blick auf neue Corona-Studien: Defizite bei Geschmack und Geruch sowie Übelkeit, Fieber und Kopfweh deuten bei Kindern auf eine SARS-CoV-2-Infektion. Ergebnisse einer anderen Studie sprechen für CPAP als frühe stationäre Therapie.

Anne BäurleVon Anne Bäurle und Wolfgang GeisselWolfgang Geissel und Marco MrusekMarco Mrusek und Denis NößlerDenis Nößler Veröffentlicht:
Keine Lust aufs Essen? Übelkeit und Geschmacksverlust deuten bei Kindern eher auf COVID-19 als Atemwegssymptome.

Keine Lust aufs Essen? Übelkeit und Geschmacksverlust deuten bei Kindern eher auf COVID-19 als Atemwegssymptome.

© Photographee.eu / stock.adobe.com

Update vom 27. November

Weniger Atemwegssymptome, sondern eher Anosmie und Übelkeit weisen bei Kindern auf COVID-19 hin, berichten Pädiater aus Kanada. Sie haben Daten von 2463 Kindern und Jugendlichen mit COVID-19-Verdacht und PCR-Test aus der Zeit von April bis September 2020 auf typische Symptome analysiert. Bei 1987 Teilnehmern war der Test positiv. Die Atemwegssymptome Husten und Schnupfen waren unspezifisch, sie traten bei Positiven und Negativen ähnlich häufig auf (25 versus 22 Prozent). Spezifischer waren Defizite bei Geruch- und Geschmackssinn (Risiko einer SARS-CoV-2-Infektion 7,3-fach erhöht), Übelkeit und Erbrechen (5,5-fach) und Kopfweh (2,5-fach). Kamen alle drei Symptome zusammen, war das Risiko für einen positiven Coronatest 66-fach erhöht. Etwas gesteigert war das Coronarisiko außerdem bei Fieber (1,7-fach erhöht). Husten, Halsschmerzen, Rhinorrhö, verstopfte Nase oder Diarrhö lieferten keine Hinweise auf die Infektion (CMAJ 2020; online 24. November). (St)

CPAP könnte eine Option für die frühe Therapie von COVID-19-Patienten in der Klinik sein, berichten Forscher von der Lancaster University im Vereinigten Königreich. Sie haben in einer retrospektiven Fall-Kontroll-Studie Daten von 206 Patienten mit COVID-19 und schwerem Atemnotsyndrom (ARDS) untersucht. Je die Hälfte war entweder in der Zeit vom 17. März bis 3. April (Kontrollgruppe) oder vom 10. April bis 11. Mai (Fallgruppe) 2020 stationär behandelt worden. In der Kontrollgruppe hatten nur drei Prozent eine CPAP-Therapie bekommen, in der Fallgruppe waren es 15 Prozent. Untersucht wurde, wie viele Patienten bis zum 11. Juni entlassen oder gestorben waren, und ob CPAP einen Einfluss auf die Prognose der Patienten gehabt hatte. Ergebnis: Bei Patienten mit kurzem Klinikaufenthalt (bis sieben Tage) war die CPAP-Beatmung mit einem deutlich verringerten Sterberisiko verbunden (Hazard Ratio [HR] 0,38). Patienten mit längerem Klinikaufenthalt hatten mit CPAP allerdings ein erhöhtes Sterberisiko (HR 1,72). „Früher Einsatz von CPAP ist mit einem deutlichen Rückgang der Mortalität assoziiert“, betonen die Forscher. Wegen der geringen Fallzahl und des retrospektiven Studiendesigns lassen sich jedoch keine Empfehlungen ableiten. Der Befund sollte weiter untersucht werden (BMJ Open Respir Res 2020; 7:e000692).

Update vom 26. November

Rekonvaleszenten-Plasma erwies sich in einer Stuzdie als unwirksam bei schwerer COVID-19-Pneumonie. Das berichtet die „PlasmAr Study Group“ aus Italien und Argentinien. Rekonvaleszenten-Plasma wird häufiger bei schwerer COVID-19 verwendet, obwohl es kaum Evidenz für die Wirksamkeit aus kontrollierten Studien gibt. Eine solche Untersuchung legen jetzt Forscher der Gruppe vor, und zwar bei COVID-19-Patienten mit Pneumonie und schweren Komplikationen (meist Hypoxämie). 228 Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip einer Verum- und 105 einer Placebogruppe zugeordnet. Den Verumpatienten wurde einmalig Rekonvaleszentenplasma mit SARS-CoV-2-Antikörpern infundiert (im Median Titer von 1:3200). Die Placebogruppe bekam Kochsalzlösung. Ergebnis: 30 Tage nach Infusion gab es keine Unterschiede zwischen Verum- und Placebogruppe bei Sterberate (10,96 versus 11,43 Prozent) und klinischem Status. Komplikationen als mögliche Nebenwirkungen oder schwere Nebenwirkungen traten in beiden Gruppen ähnlich oft auf (NEJM 2020; online 24. November).

Während des ersten Lockdowns war auch in Hessen die Sterberate durch kardiovaskuläre Erkrankungen gestiegen, berichten Ärzte der CoVCAD-Studiengruppe. Nach ihren Daten waren vom 23. März bis 26. April 2020 in dem Bundesland 7,6 Prozent mehr Menschen an einer Herz-Kreislauf-Komplikation gestorben im Vergleich zum gleichen Vorjahreszeitraum (p=0,02). Die kardiale Sterblichkeit lag sogar um 11,8 Prozent höher (p<0,001). Im selben Zeitraum 2020 ging in den 26 beteiligten Kliniken die Zahl der Kathetereingriffe um 35 Prozent im Vergleich zurück. Die Forscher bestätigen damit andere Studien und Analysen von Krankenkassen. Sie vermuten, dass Patienten verzögert eine kardiale Behandlung während des Lockdowns ersucht haben, etwa aus Furcht vor Ansteckung in der Klinik. Spekuliert wird auch über eine Überlastung ambulanter Versorgungsstrukturen oder zu späte medizinische Hilfe wegen verschobener vermeintlich elektiver Prozeduren. Allerdings: Die Gesamtsterberate stieg in Hessen während des März/April-Lockdowns im Vergleich zum Vorjahr nur leicht, aber nicht-signifikant um 2,6 Prozent (p=0,16), was hauptsächlich durch COVID-19-bedingte Todesfälle erklärt wird. Auch wurden während des Lockdowns in Hessen weniger Todesfälle in Folge von Schlaganfällen registriert (Clin Res Cardiol 2020; online 21. November).

Update vom 25. November

Das Risiko für psychische Krankheiten ist durch die Dauerbelastung während der Pandemie offenbar erhöht, berichten US-Forscher von der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health in Baltimore. Sie haben eine repräsentative Gruppe von etwa 1300 Erwachsenen im April und Juli mit einer Skala für psychische Belastungen befragt (Kessler 6 Scale). Bei 13 Prozent sprachen die Angaben im Juli für schwere seelische Not („distress“), im April waren es 14,2 Prozent gewesen. Am stärksten waren junge Erwachsene betroffen (unter 30 Jahre), solche mit geringem Einkommen (unter 35.000 US-Dollar) und Personen lateinamerikanischer Herkunft. Drei Viertel berichteten bei beiden Terminen über große psychische Belastung. Stressoren waren Angst vor Ansteckung, vor Arbeitslosigkeit, finanzielle Probleme und Ausbildungsdefizite an der Uni. Jeder Dritte machte sich große Sorgen wegen einer fehlenden Krankenversicherung. Die ermittelten Skalenwerte der Belastung sprechen für ein erhöhtes psychisches Erkrankungsrisiko, so die Forscher (JAMA 2020; online 23. November).

Bessere Überlebenschancen mit Aviptadil bei Patienten mit kritischer COVID-19 und schwerer Komorbidität: Darauf deuten Resultate eine Analyse von Daten aus dem „Expanded Access Protocol“ der FDA. In das Protokoll wurden bisher 175 Betroffene aufgenommen. Die Arznei (RLF-100™) enthält das „vasoaktive intestinale Polypeptid“ (VIP) und hat bei der FDA den Status einer „Orphan Disease Designation“. In der aktuellen Analyse ergab sich unter Therapie mit Aviptadil bei Intensivpatienten mit COVID-19 eine Überlebensrate von 72 Prozent, berichtet der Hersteller Relief Therapeutics. Hiermit würden Resultate einer Vergleichsstudie am Houston Methodist Hospital bestätigt. Darin hatten 19 von 21 Patienten mit COVID-19 auf der Intensivstation bis zum Tag 28 mit Aviptadil überlebt. Bei 24 Patienten mit Standardtherapie waren es nur vier. VIP habe zudem in Tiermodellen für Lungenerkrankungen mit Atemnot, akute Lungenschädigungen oder Entzündungen eine stark entzündungshemmende (zytokinhemmende) Aktivität gezeigt. Das Medikament wird in einem „fast-track“-Programm der FDA in Phase IIb/III-Studie geprüft (Preprint bei SSRN „Social Science Research Network“ und Meldung des Unternehmens).

Update vom 24. November

US-Pflegeheime bleiben Hotspots für SARS-CoV-2, berichten Public-Health-Experten von der University of Chicago. Oft fehlt der Analyse zufolge das gebotene Risikomanagement. Ausgewertet wurden Berichte von 778 Pflegeheimen aus sechs US-Staaten des mittleren Westens. Von September bis Ende Oktober hat sich in den Heimen zwischen Idaho, Utah und Wisconsin die Zahl der corona-kranken Mitarbeiter auf 930 verdreifacht und der Bewohner auf 716 vervierfacht. Viele Public-Health-Maßnahmen wurden nur teilweise umgesetzt: In jedem vierten Heim fehlten ausreichend Pflegekräfte, in jedem fünften Schutzausrüstung für Personal. Zwar wurden Besucher fast überall getestet, in jedem achten Heim jedoch keine Pflegekräfte. Obwohl wirksame Prävention möglich ist, habe sich in vielen Heimen bisher wenig getan, kritisieren die Forscher (J Am Geriatr Soc 2020; online 12. November).

Kardiale Komplikationen treten bei COVID-19 offenbar seltener auf als erwartet. Bei etwas mehr als acht Prozent hospitalisierter COVID-19-Patienten kam es in einem großen US-Register zu kardiovaskulären Komplikationen. „Der Anteil ist geringer, als wir ursprünglich befürchtet haben“, sagte Studienleiter Professor James de Lemos beim Kongress der American Heart Association (AHA). Am COVID-19-CVD-Register nehmen 109 US-Krankenhäuser teil. Ausgewertet wurden Daten von 14.000 Patienten, die bis Ende September gemeldet wurden. „Die überwiegende Mehrheit der Personen, die wegen COVID-19 ins Krankenhaus eingewiesen wurden, wies kardiovaskuläre Risikofaktoren auf“, so de Lemos. Fast 60 Prozent hatten einen Bluthochdruck, 45 Prozent eine Adipositas (BMI > 30), über 30 Prozent einen Diabetes. Die häufigste kardiovaskuläre Komplikation war Vorhofflimmern mit einer Rate von acht Prozent. Zu Herzinfarkten kam es in drei Prozent der Fälle, Schlaganfälle, neu auftretende Herzinsuffizienz und kardiogener Schock waren mit jeweils unter zwei Prozent eher ungewöhnlich. Selten waren auch Myokarditiden mit einer Rate von 0,3 Prozent. Die unerwartet niedrige kardiovaskuläre Komplikationsrate ändert aber nichts daran, dass mit 16,7 Prozent viele der mit SARS-CoV-2-Infizierten im Krankenhaus gestorben sind. (vsc)

Bei stationären COVID-19-Patienten gleich eine therapeutische Antikoagulation zu initiieren, bringt vermutlich keinen Überlebensvorteil. Darauf deutet eine retrospektive Auswertung von US-Klinikdaten. Am George Washington University Hospital (GWUH) in Washington, D.C. erhielten zu Beginn der Pandemie alle COVID-Patienten eine VTE-Prophylaxe. Später wurde sie in das Ermessen der behandelnden Ärzte gestellt. Sie war empfohlen bei D-Dimer-Spiegeln > 3 μg/ml. Bei den 125 Patienten mit therapeutischer und 250 mit prophylaktischer Dosierung war die Krankenhaussterblichkeit verschieden: 35 vs. 15 Prozent. Den Autoren zufolge wurden in der ersten Gruppe mehr schwer Erkrankte behandelt. Nach einer Adjustierung war die Mortalität nicht mehr signifikant verschieden. Klinisch bedeutsame Nebenwirkungen in Form von Blutungen mit einer Abnahme des Hb um mehr als 2 g/dl oder einer Thrombozytopenie ereigneten sich bei neun Prozent der Patienten mit therapeutischer und drei Prozent mit prophylaktischer Antikoagulation (Thrombosis Research 2020; online 5. November). (bs)

Update vom 23. November

Während des Lockdowns im Frühjahr wurde vermehrt hoher Blutdruck bei Notfallpatienten festgestellt, berichten Forscher vom Uniklinikum der Favaloro Foundation in Buenos Aires (Argentinien). Sie haben den Anteil solcher Patienten mit Hypertonie im Lockdown (Mitte März bis Mitte Juni) registriert und mit dem Anteil in zwei anderen Dreimonatszeiträumen verglichen (drei Monate vor Lockdown sowie März bis Juni 2019). Ergebnis: Während des Lockdown wurden 1643 Patienten in die Notaufnahme eingeliefert und damit weniger als halb so viele wie in den Vergleichszeiträumen. In der Lockdown-Zeit hatten 24 Prozent der Notfallpatienten einen hohen Blutdruck (n=391), im Vergleichszeitraum 2019 waren es 18 Prozent und in den drei Monaten vor Lockdown 15 Prozent gewesen. Als Ursache für die vermehrte Hypertonie vermuten die Forscher mehr Stress während des Lockdown, etwa durch familiäre oder finanzielle Probleme. Mögliche Gründe könnten auch abgesetzte Antihypertensiva, Bewegungsmangel, erhöhter Alkoholkonsum oder auch ungesunde Kost sein. Denkbar ist aber auch ein Selektionsbias, wonach im Lockdown vor allem Patienten mit weniger schweren Erkrankungen die Notaufnahmen gemieden haben. Der Bluthochdruck wäre hier ein Surrogat für die Schwere (andere) Erkrankungen (ESC-Pressemitteilung aufgrund eines Vortrags beim Argentinischen Kongress für Kardiologie, SAC).

Liebe Leser, wir fassen die Corona-Studienlage nun wöchentlich zusammen. Eine Übersicht mit allen bereits veröffentlichten COVID-19-Splittern der vergangenen Wochen und Monate finden Sie hier:

Lesen sie auch
Mehr zum Thema

Corona-Splitter der KW 4/2022

Dritte Corona-Impfdosis essenziell gegen Omikron

Corona-Studien-Splitter

Dritte Corona-Impfdosis essenziell gegen Omikron

Corona-Splitter der KW 3/2022

Nach Vektorimpfstoff ist mRNA-Booster von Vorteil

Das könnte Sie auch interessieren
Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

© Viacheslav Yakobchuk / AdobeStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

Springer Pflege

Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

© Kzenon / stock.adobe.com

Springer Pflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Ambulantisierung

90 zusätzliche OPS-Codes für Hybrid-DRG vereinbart

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“

Interview

Diakonie-Präsident Schuch: Ohne Pflege zu Hause kollabiert das System

Lesetipps
Der Patient wird auf eine C287Y-Mutation im HFE-Gen untersucht. Das Ergebnis, eine homozygote Mutation, bestätigt die Verdachtsdiagnose: Der Patient leidet an einer Hämochromatose.

© hh5800 / Getty Images / iStock

Häufige Erbkrankheit übersehen

Bei dieser „rheumatoiden Arthritis“ mussten DMARD versagen