Ein Jahr Impfen gegen Corona

Impfnebenwirkungen: 16 UAW-Verdachtsmeldungen pro 10.000 COVID-Impfungen

Wie häufig kommt es bei Corona-Impfungen zu Nebenwirkungen? Das Paul-Ehrlich-Institut veröffentlicht regelmäßig Sicherheitsberichte zu den COVID-19-Vakzinen. Jetzt wurde ein Jahr nach Start der Impfkampagne Bilanz gezogen.

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Dokumentation einer potentiellen Impf-Nebenwirkung. Auch dies ist nötig für ein größtmögliches Vertrauen der Bevölkerung in die Vakzinen.

Dokumentation einer potentiellen Impf-Nebenwirkung. Auch dies ist nötig für ein größtmögliches Vertrauen der Bevölkerung in die Vakzinen.

© mediaphotos / Getty Images / iStock

Frankfurt/Main. Mit dem offiziellen Start der COVID-Impfkampagne an 27. Dezember 2020 ist auch die Dokumentation möglicher unerwünschter Effekte der Vakzinen angelaufen. Zeit für eine Bilanz.

Die Impfungen hätten nicht nur Krankenhauseinweisungen und Todesfälle verhindert, sondern auch wieder einen großen Teil des sozialen Lebens ermöglicht, schreiben US-Autoren um Rochelle P. Walensky von der Gesundheitsbehörde CDC im Fachblatt „Jama“ (online 21. Dezember). Damit Menschen den Impfstoffen vertrauten, sei es wichtig, „den großen Nutzen und die geringen Risiken“ klar zu kommunizieren, aber auch die Sicherheit der Impfstoffe zu überwachen.

Deutschland habe „von Beginn an die Verdachtsfallmeldungen zu Impfstoffnebenwirkungen und -komplikationen mit höchster Priorität beobachtet, auch sehr seltene Nebenwirkungen frühzeitig erkannt und Maßnahmen zur Risikominimierung eingeleitet“, resümieren die Chefs vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), die Professoren Klaus Cichutek und Karl Broich, in ihrer Bilanz ein Jahr nach Start der Impfungen.

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Regelmäßige Sicherheitsberichte

Typische Beschwerden nach einer Impfung sind ja Schmerzen an der Einstichstelle, Abgeschlagenheit und Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Schüttelfrost und Fieber. „Diese Reaktionen sind Ausdruck der erwünschten Auseinandersetzung des Immunsystems mit dem Impfstoff und klingen in der Regel nach wenigen Tagen komplett ab“, erinnert das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin.

Das für die Sicherheit von Impfstoffen zuständige PEI veröffentlicht regelmäßig Sicherheitsberichte zu den COVID-19-Vakzinen. Der jüngste stammt vom 23. Dezember (Stand: 30. November 2021) und bezieht sich auf über 123 Millionen Impfungen, die bundesweit bis Ende November verabreicht wurden. Gemeldet wurden bis dahin 1,6 Verdachtsfälle pro 1000 Dosen – das entspricht 0,16 Prozent.

Betrachtet man nur die schwerwiegenden Reaktionen, liegt die Melderate bei 0,2 Verdachtsfällen pro 1000 Impfdosen. Als „schwerwiegend“ definiert das Arzneimittelgesetz bekannterweise Nebenwirkungen, die tödlich oder lebensbedrohend sind, eine stationäre Behandlung erfordern oder zu bleibenden Schäden führen.

Was zu sehr seltenen Risiken bekannt ist

Als „sehr seltene Risiken der COVID-19-Impfstoffe“ listet der jüngste PEI-Sicherheitsbericht auf: Anaphylaktische Reaktionen, Myokarditis und Perikarditis, Guillain-Barré-Syndrom sowie Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS). Sehr selten bedeutet: Ein Ereignis tritt bei weniger als 0,01 Prozent der Behandelten auf, das heißt seltener als bei einem von 10.000 Behandelten.

„Myokarditis ist eine relevante Nebenwirkung“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Herzstiftung, Thomas Voigtländer. Das dürfe aber kein Grund sein, sich gegen eine COVID-19-Impfung zu entscheiden: „Wer sich nicht gegen COVID-19 impfen lässt, geht ein weit höheres Risiko durch die Gefahren eines schweren COVID-19-Krankheitsverlaufs ein.“

Myokarditis oder Perikarditis als Impfreaktionen seien sehr selten. „Wir sprechen hier von knapp fünf Fällen bezogen auf 100.000 Impfungen.“ Sie verliefen zudem in der Regel mild und heilten in nahezu allen Fällen aus. Die Verdachtsmeldungen betrafen hauptsächlich die beiden mRNA-Impfstoffe und überwiegend männliche Jugendliche.

Dem Sicherheitsbericht zufolge wurden 15 Todesfälle im zeitlichen Zusammenhang mit der COVID-19-Impfung genannt. In drei davon hält das PEI einen ursächlichen Zusammenhang für möglich, in den anderen Fällen geht die Behörde „auf Basis der derzeitigen Datenlage“ nicht davon aus.

Meldungen zum Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS) betrafen überwiegend die Vektorimpfstoffe von AstraZeneca und Johnson & Johnson. Frauen waren überdurchschnittlich oft betroffen.

Laut Sicherheitsbericht wurden 43 Todesfälle durch TTS mit den Impfungen in einen Zusammenhang gebracht. 29 davon erfüllen laut PEI die speziellen CDC-Kriterien für eine TTS: Sie betreffen demnach die Präparate von AstraZeneca und Johnson & Johnson.

Anaphylaktische Reaktionen traten bei allen vier zugelassenen Impfstoffen auf, allerdings waren auch sie sehr selten. Die Melderate betrug bis Ende November weniger als ein Fall pro 100.000 Impfdosen. Sie ist bei Frauen etwas höher als bei Männern und bei der ersten Impfdosis höher als bei den Folgeimpfungen.

Sehr selten können Personen, die mit einem Vektorimpfstoff (Vaxzevria oder COVID-19 Vaccine Janssen) geimpft wurden, ein Guillain-Barré-Syndrom (GBS) entwickeln. „Die Melderate eines GBS nach Impfung mit einem Vektorimpfstoff war sehr niedrig mit einer Meldung pro ca. 0,88 bzw. 1,89 auf 100.000 Dosen“, schreibt das PEI zusammenfassend.

Langzeitfolgen oder Spätfolgen

Was ist zu Langzeitfolgen der Anwendung von COVID-Vakzinen bekannt? Es gebe zwei Möglichkeiten, was unter dem Begriff „Langzeitfolgen zu verstehen ist, so das PEI. „Etwas, das erst nach langer Zeit eintritt, oder etwas, das über einen langen Zeitraum anhält.“ Dass sehr seltene Impfkomplikationen über einen langen Zeitraum andauerten, sei „die absolute Ausnahme“, so die Behörde.

„Besorgte Bürgerinnen und Bürger verstehen unter Langzeitfolgen – häufig auch Spätfolgen genannt – Nebenwirkungen, die erst mit einer Verzögerung von vielen Monaten oder Jahren nach der Impfung auftreten“, heißt es weiter. „Diese Sorgen sind unberechtigt. Wir kennen solche sehr spät einsetzenden Nebenwirkungen von Impfstoffen nicht.“

Und: Gbt es sichere Zahlen zu „Impftoten“? Dem jüngsten Sicherheitsbericht zufolge wurde 1919 Mal der Verdacht auf einen Todesfall nach einer Impfung gemeldet. Aber nur in 78 Einzelfällen hat das PEI „den ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung als möglich oder wahrscheinlich bewertet“.

Ein Vergleich der Anzahl der gemeldeten Todesfälle mit der statistisch zu erwartenden Zahl der Todesfälle im gleichen Zeitraum „ergab für keinen der vier bisher in Deutschland eingesetzten COVID-19-Impfstoffe ein Risikosignal“, schreibt das PEI. (dpa/mal)

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