Demos, Schulstart und Gefälligkeitsatteste

Debatten um den Maskenschutz gegen COVID-19

Der Trend zu höheren Corona-Infektionszahlen hat auch am Wochenende angehalten. Eine Demo in Berlin heizte die Debatte um Maskenpflicht und Schutzabstand weiter an – auch mit Blick auf den Schulstart. BÄK-Vizepräsidentin Ellen Lundershausen kritisiert Gefälligkeitsatteste contra Maskenpflicht.

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Maskerade: Trotz vielfältiger Optionen sinkt offenbar die Akzeptanz für das Tragen von Masken, um andere gegen COVID-19 zu schützen.

Maskerade: Trotz vielfältiger Optionen sinkt offenbar die Akzeptanz für das Tragen von Masken, um andere gegen COVID-19 zu schützen.

© Ramon Von Flymen/ANP/dpa

Berlin. CSU-Chef Markus Söder hat sich angesichts der steigenden Zahl an Neuinfektionen gegen weitere Lockerungen von Corona-Auflagen ausgesprochen. So hatte das Robert Koch-Instituts (RKI) allein am Samstag 955 neue Corona-Infektionen innerhalb eines Tages gemeldet. Kurz vor dem Ferienende in sechs Bundesländern plädierte daher auch Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) für die Maskenpflicht in Schulgebäuden.

Auf einer großen Demonstration in Berlin hatten am Samstag die Teilnehmer für ein Ende der Corona-Auflagen demonstriert – viele hatten dabei bewusst auf das Tragen von Masken verzichtet und den Mindestabstand nicht eingehalten.

Kritik an Corona-Gefälligkeitsattesten

In einem Bericht der „FAS“ wird in diesem Zusammenhang auf Äußerungen des Robert Koch-Instituts zu aktuellen Ergebnissen des Forschungsprojekts „Cosmo“ verwiesen. Darin wird fortlaufend gemessen, wie es um das Schutzverhalten der Deutschen bestellt ist. Demnach sei die Akzeptanz der Maßnahmen auf das Niveau vor dem Lockdown gesunken, heißt es in dem Beitrag. BÄK Vizepräsidentin Ellen Lundershausen verweist zudem darauf hin, dass es nur wenige schwere Erkrankungen gebe, die das Tragen eine Maske unzumutbar machten. Leider sei aber zu beobachten, dass zunehmend Ärzte Gefälligkeitsatteste ausstellten, die Patienten von der Maskenpflicht befreiten, wird Lundershausen zitiert.

Ausdrücklich hatte Ende Juli bereits der Präsident der Landesärztekammer Hessen Dr. Edgar Pinkowski seine Kolleginnen und Kollegen vor dem Ausstellen von Gefälligkeitsattesten zur Befreiung von der Pflicht zum Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung gewarnt. „Zur gewissenhaften ärztlichen Berufsausübung gehören insbesondere die Einhaltung der Regelungen in der Berufsordnung. Gemäß § 25 S. 1 Berufsordnung haben Ärztinnen und Ärzte bei der Ausstellung ärztlicher Zeugnisse und Gutachten mit der notwendigen Sorgfalt zu verfahren und nach bestem Wissen ihre ärztliche Überzeugung auszusprechen“, äußerte er in einer Mitteilung der LAEKH.

Söder warnt vor Corona-Situation wie im März

„Wir müssen damit rechnen, dass Corona mit voller Wucht wieder auf uns zukommt“, sagte der bayerische Ministerpräsident der „Bild am Sonntag“. „Wenn wir nicht aufpassen, kann bei uns wieder eine Situation wie im März entstehen.“ Gefragt sei absolute Wachsamkeit. „Das Virus bleibt eine Daueraufgabe, die uns permanent unter Stress setzt.“

Viele Menschen seien im Umgang mit dem Virus leider leichtsinniger geworden, so Söder weiter. „Dazu gehören auch die extremen Lockerer und Verschwörungstheoretiker, die alle Maßnahmen schnellstens aufheben wollten.“ Jeder, der das Coronavirus unterschätze, sei widerlegt worden. Die zweite Welle sei praktisch doch schon da: „Sie schleicht durch Deutschland.“ Vor diesem Hintergrund lehnte Söder auch Fußballspiele mit Zuschauern zum Start der neuen Saison ab: „Ich bezweifle, dass wir im August weitere Lockerungen beschließen können.

Maskenpflicht zum Schutz vor COVID-19 in Schulen

Kurz vor dem Ferienende in sechs Bundesländern hat sich außerdem Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) für eine Maskenpflicht in Schulgebäuden ausgesprochen. Es sei zwar nachvollziehbar, „wenn Länder auf Abstandsregeln in den Schulen verzichten wollen, weil die räumlichen Bedingungen ansonsten nur eingeschränkt Präsenzunterricht zulassen würden“, sagte sie der „Welt am Sonntag“. „Dennoch wird der Präsenzunterricht nur dann funktionieren können, wenn weitere Regelungen zur Hygiene, zum Tragen von Schutzmasken sowie zum Abstandhalten auf dem Schulhof und auf den Fluren strikt eingehalten werden.“

Mehrere Bundesländer wie Berlin, Bayern und Baden-Württemberg haben bereits angekündigt, eine Maskenpflicht in Schulgebäuden einzuführen. Sie soll allerdings nicht im Unterricht gelten. In anderen Ländern wie etwa Nordrhein-Westfalen ist von freiwilligen Maskengeboten die Rede, oder es liegt – wie in Hessen oder Sachsen – im Ermessen der Schulen.

BÄK-Präsident für normalen Schulbetrieb mit Auflagen

Für eine Rückkehr zum normalen Schulbetrieb im kommenden Schuljahr hat sich vor einigen Tagen auch Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt ausgesprochen. „Bevor wir etwa große Sportveranstaltungen wieder zulassen, müssen wir es den Kindern ermöglichen, wieder ganz normal zur Schule zu gehen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Bei niedrigen Infektionszahlen hielte er es für verantwortungslos, Schulen geschlossen zu halten, so Reinhardt. Ohne ausreichend Unterricht über einen längeren Zeitraum drohten „enorme Folgeprobleme, etwa in Bezug auf die körperliche und psychische Entwicklung.“

Um das Infektionsrisiko in den Schulen zu vermindern, schlug Reinhardt eine Reihe von pragmatischen Lösungen vor: möglichst großen Abstand, regelmäßiges und ausreichendes Lüften oder geteilten Unterricht am Vor- und Nachmittag – selbst wenn das Mehrarbeit für die Lehrer bedeute.

Reaktionen bei Corona-Demonstration ärgern Spahn

Trotz steigender Infektionszahlen hatten am Samstag allerdings Tausende Menschen in Berlin gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie protestiert. Nach Schätzungen der Polizei schlossen sich bis zu 17.000 Menschen einem Demonstrationszug an, rund 20.000 beteiligten sich anschließend an einer Kundgebung. Die Demonstranten forderten ein Ende aller Auflagen.

Michael Ballweg, Gründer der Initiative, sagte zum Auftakt der Kundgebung unter dem Jubel der Teilnehmer: „Das Freiheitsvirus hat Berlin erreicht.“ Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) schrieb dagegen auf Twitter: „Ja, Demonstrationen müssen auch in Corona-Zeiten möglich sein. Aber nicht so.“ Abstand, Hygieneregeln und Alltagsmasken dienten dem Schutz aller.

Weil auch auf der anschließenden Kundgebung viele Demonstranten weder die Abstandsregeln einhielten, noch Masken trugen, hatte die Polizei am frühen Abend schließlich die Versammlung aufgelöst. Die Veranstalter seien nicht in der Lage, die Hygienemaßnahmen einzuhalten, sagte ein Polizeisprecher.

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken schrieb auf Twitter: „Tausende Covidioten feiern sich in Berlin als „die zweite Welle“, ohne Abstand, ohne Maske.“ Gefährdet würden damit auch Erfolge im Kampf gegen die Pandemie wie die Belebung von Wirtschaft, Bildung und Gesellschaft. Der italienische EU-Kommissar Paolo Gentiloni twitterte, eine solche Idee von Freiheit sei nicht zum Lachen. „Das ist beängstigend.“

Zu der Demonstration unter dem Motto „Das Ende der Pandemie – Tag der Freiheit“ hatte die Initiative „Querdenken 711“ aufgerufen. In Stuttgart hat diese Initiative bereits wiederholt demonstriert. Kritiker dieser Proteste befürchten eine Vereinnahmung durch Verschwörungstheoretiker und Rechtspopulisten. Den Titel „Tag der Freiheit“ trägt auch ein Propagandafilm der Nazi-Ikone Leni Riefenstahl über den Parteitag der NSDAP 1935. (dpa/run)

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