Der Gesundheitsminister und das Jahr 2019

Die Spahnschen Gesetze im Überblick

Auch in diesem Jahr hat Gesundheitsminister Spahn Ärzten, Pflegekräften und Patienten einige Gesetze beschert. Längst nicht alles wird positiv gesehen.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl und Thomas HommelThomas Hommel Veröffentlicht:
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn produzierte Gesetze am laufenden Band: Allein2019 sind sechs Gesundheitsgesetze in Kraft getreten.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn produzierte Gesetze am laufenden Band: Allein 2019 sind sechs Gesundheitsgesetze in Kraft getreten.

© Fabian Sommer / dpa

Berlin. 20 Gesetze in 20 Monaten: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist auf dem besten Weg, sämtliche Reformrekorde zu brechen.

Auch in den vergangenen zwölf Monaten sind sechs Neuregelungen in Kraft getreten, die die tägliche Arbeit von Ärzten, Psychotherapeuten und Pflegekräften unmittelbar betreffen. Ein Überblick:

Mehr Finanzmittel für die Pflegekasse: Fünftes Gesetz zur Änderung des elften Sozialgesetzbuches – Beitragssatzanpassung

Kernelement: Der Beitragssatz zur gesetzlichen Pflegeversicherung wurde um 0,5 Prozentpunkte angehoben.

Was bedeutet das für Ärzte und Versicherte? Seit Januar 2019 zahlen Versicherte mit Kindern 3,05 Prozent (vorher 2,55 Prozent) und Kinderlose 3,3 Prozent. Dadurch sollen Mehreinnahmen von 7,6 Milliarden Euro in die Pflegekasse fließen. Diese sind nötig, um den erweiterten Pflegebedürftigkeitsbegriff, der seit 2017 gilt, und die zugehörige Umstellung von den alten drei Pfegestufen auf die neuen fünf Pflegegrade zu finanzieren. Außerdem sind Entlastungen pflegender Angehöriger geplant.

In Kraft seit: 1. Januar 2019

Bessere Pflegeschlüssel: Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) und Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung

Kernelement: Die Pflegekosten wurden aus den DRG herausgenommen. Gleichzeitig wurden verbindliche Personaluntergrenzen für die Pflege in Kliniken eingezogen. Und die bisherige Finanzierungssystematik der medizinischen Behandlungspflege in Altenpflegeheimen wurde verändert.

Was bedeutet das für Ärzte, Kliniken und Patienten? Ab 2020 wird die Krankenhausvergütung auf eine Kombination von Fallpauschalen und einer Pflegepersonalkostenvergütung umgestellt. Dabei wird ein Pflegebudget gebildet, das die Aufwendungen für den krankenhausindividuellen Pflegepersonalbedarf und die Pflegepersonalkosten für die Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen umfasst. Tarifsteigerungen in der Pflege müssen voll von den Kostenträgern refinanziert werden.

Dafür gelten Personaluntergrenzen auf einzelnen Stationen. So müssen Kliniken seit Januar auf Intensivstationen am Tag einen Schnitt von 2,5 Patienten je Pflegekraft, in der Nachtschicht von 3,5 Patienten je Pflegekraft einhalten. In der Geriatrie und Unfallchirurgie sind es zehn Patienten am Tag und 20 in der Nacht.

In der Kardiologie kann eine Kraft für zwölf Patienten am Tag und 24 Patienten in der Nacht eingesetzt werden. Ab Januar 2020 gelten weitere Untergrenzen – und zwar für die Herzchirurgie, Neurologie, die Schlaganfallversorgung und die Neurologische Frührehabilitation. Beide Male wurden die Untergrenzen per Ersatzvornahme durch das Gesundheitsministerium eingezogen, weil sich DKG und Kassen nicht einigen konnten.

Die Krankenversicherer müssen seit dem Gesetz aber auch neue Stellen in der Altenpflege finanzieren. Die Kassen leisten hier einen pauschalen Beitrag pro Versicherten. Dadurch sollen in einem „Sofort-Programm“ insgesamt 13 000 neue Pflegestellen geschaffen werden (Einrichtungen bis zu 40 Bewohnern erhalten z.B. eine halbe Pflegestelle, Einrichtungen mit 41 bis 80 Bewohnern eine Pflegestelle).

Für Ärzte wichtig: Die Zusammenarbeit Niedergelassener mit Pflegeheimen wurde gestärkt. Die Verpflichtung der Pflegeeinrichtungen, entsprechende Kooperationsverträge mit Ärzten zu schließen ist von einer „Soll-“ zu einer „Muss-Regelung“ umgewandelt worden. Die KVen werden zudem verpflichtet, bei Vorliegen eines entsprechenden Antrags einer Pflegeeinrichtung innerhalb einer Frist von drei Monaten einen Kooperationsvertrag zu vermitteln.

In Kraft seit: 1. Januar 2019, die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung seit 1. November 2019

Ran an die Kassenreserven: GKV-Versichertenentlastungsgesetz (GKV-VEG)

Kernelement: Paritätische Finanzierung der Krankenversicherungsbeiträge, Mindestbeiträge für Selbstständige sinken, Kassen müssen hohe Finanzreserven abschmelzen.

Was bedeutet das für Ärzte, Versicherte und Kassen? Seit Januar 2019 teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer wieder die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung. Eine Entlastung gibt es auch für Selbstständige, hier wurde die Mindestbemessungsgrenze herabgesetzt. Krankenkassen müssen zudem schrittweise ihre Finanzreserven absenken, wenn diese den Umfang einer Monatsausgabe überschreiten.

In Kraft seit: 1. Januar 2019

Stärkung der Organspende: Zweites Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes – Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende (GZSO)

Kernelement: Kliniken bekommen mehr Geld und Zeit für Organtransplantationen.

Was bedeutet das für Ärzte, Kliniken und Patienten? Transplantationsbeauftragte sollen freigestellt werden. Die Freistellung erfolgt auf Grundlage der Anzahl der Intensivbehandlungsbetten. Außerdem richtet sich die Pauschale für Entnahmekrankenhäuser nun am tatsächlichen Aufwand für jeden einzelnen Prozessschritt einer Organspende aus. Bundesweit wird ein neurologischer/neurochirurgischer Konsiliardienst eingerichtet.

In Kraft seit: 1. April 2019

Schnellere Terminvergabe: Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG)

Kernelement: schnellere Terminvermittlung insbesondere bei Akutfällen, Ausweitung der Mindestsprechzeit. Und das Bundesgesundheitsministerium ist mit dem Gesetz zum Mehrheitsgesellschafter der gematik (51 Prozent der Geschäftsanteile) geworden, das soll mehr Tempo in den Ausbau der Telematikinfrastruktur bringen.

Was bedeutet das für Praxen und Patienten? Die Mindestsprechzeit von Vertragsärzten wurde auf 25 Stunden pro Woche ausgeweitet; grundversorgende Fachärzte wie Augenärzte und Orthopäden sind zudem seit September verpflichtet, mindestens fünf offene Sprechstunden in der Woche anzubieten. Und: Die Terminservicestellen der KVen (TSS) sind nun auch für Akutfälle zuständig.

Neben neuen Pflichten wird das Gesetz unter Ärzteverbänden aber auch als Aufbruch in die Teilentbudgetierung gesehen, da für neue Leistungen extrabudgetäres Geld fließt. Ärzte erhalten für von der TSS vermittelte Termine etwa einen extrabudgetären Zuschlag von 20, 30 oder 50 Prozent auf die Versicherten-, Grund- oder die Konsiliarpauschale. Hausärzte bekommen für die Terminvermittlung an den Facharzt rund zehn Euro, dem Facharzt wird die Behandlung in diesem Fall komplett extrabudgetär vergütet.

In Kraft seit: 11. Mai 2019

Gegen Arzneifälschungen: Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV)

Kernelement: die Rückrufkompetenzen der Bundesoberbehörden werden erweitert. Sie sollen künftig bei Qualitätsmängeln, negativem Nutzen-Risiko-Verhältnis oder beim Vorliegen des Verdachts einer Arzneimittelfälschung Rückrufe auslösen können.

Was bedeutet das für Ärzte und Patienten? Kassen werden verpflichtet, bei Rabattverträgen die „Vielfalt der Anbieter“ zu berücksichtigen. Damit soll Lieferengpässen bei Arzneien entgegengewirkt werden. Außerdem soll die Verordnung und Abgabe von Biosimilars gefördert werden.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) soll „Hinweise zur Austauschbarkeit“ wirkstoffgleicher biologischer Arzneimittel geben. In drei Jahren, so das Ministerium, sollen auch Apotheken Biosimilars, die auf der GBA-Liste stehen, austauschen können. Gleichzeitig wird die Selbstverwaltung verpflichtet, feste Versorgungsziele mit Biosimilars zu vereinbaren.

Das Gesetz erhält auch einen Fahrplan zur schrittweisen Einführung des eRezepts in Praxen und Apotheken bis Mitte 2020.

In Kraft seit: 16. August 2019

Und diese Gesetze treten im Jahr 2020 in Kraft:

Digitale-Versorgung-Gesetz

Kernelement: Ärzte können Gesundheits-Apps auf Kassenkosten verschreiben. Auch soll es mehr Angebote zu Online-Sprechstunden geben.

Wann? Greift ab Januar.

Gesetz zur Errichtung eines Implantateregisters

Kernelement: Nach den Skandalen um fehlerhafte Brustimplantate soll bundesweit ein verbindliches Implantateregister geschaffen werden.

Wann? Greift ab Januar.

MDK-Reformgesetz

Kernelement: Der MDK wird von einer Arbeitsgemeinschaft der Kassen in eine eigenständige Körperschaft öffentlichen Rechts umgewandelt.

Wann? Greift ab Januar.

Angehörigen-Entlastungsgesetz

Kernelement: Sozialhilfeträger dürfen künftig auf das Einkommen der Kinder pflegebedürftiger Eltern erst zurückgreifen, wenn deren Bruttoeinkommen 100 000 Euro übersteigt.

Wann? Greift ab Januar.

Masernschutzgesetz

Kernelement: Die Aufnahme in Kitas hängt vom ausreichenden Impfschutz ab, auch für Schulkinder gibt es eine Nachweispflicht.

Wann? Greift ab März.

Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung

Kernelement: Fünfjähriges Direktstudium soll künftig zur Approbation führen.

Wann? Greift ab September.

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