Patientensteuerung

Kontaktgebühr bei jedem Arztbesuch? „Gehe zurück auf Los und denke noch einmal nach!“

Arbeitgeberverbände wollen die Praxisgebühr als „steuernde Kontaktgebühr“ bei jedem Praxis- und Ambulanzbesuch reaktivieren. Ein kluges Instrument zur Patientensteuerung – oder doch Relikt der Vergangenheit?

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Mit einer Praxisgebühr 2.0 das System (finanziell) sanieren? Ökonomen und auch KBV sind sehr skeptisch.

Mit einer Praxisgebühr 2.0 das System (finanziell) sanieren? Ökonomen und auch KBV sind sehr skeptisch.

© Frank Rumpenhorst / dpa

Berlin. Patienten strömen in Arztpraxen und Notfallambulanzen – auch wenn das medizinisch mitunter gar nicht nötig ist. Krankenkassen stöhnen über Milliardenlöcher in der GKV, Unternehmer beklagen steigende Lohnnebenkosten.

Was tun? Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hat zu dieser Frage ein 15-seitiges Positionspapier vorgelegt – und damit Diskussionen ausgelöst. Die entzünden sich vor allem am Vorschlag, die Praxisgebühr als „steuernde Kontaktgebühr“ bei jedem Praxis- oder Ambulanzbesuch wiederauferstehen zu lassen.

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Eine gute Idee? Die Ärzte Zeitung hat bei Professor Andreas Beivers, Gesundheitsökonom aus München, nachgefragt. Er sagt: „Sicherlich ist es richtig und wichtig, dass Nachfrageverhalten besser zu steuern. Dazu gehören unter anderem monetäre Steuerungsanreize, auch in Form von Boni und Mali.“

„Aus der alten Welt“

Beivers fügt aber im gleichen Atemzug hinzu: Die Praxisgebühr sei „aus der alten Welt“ der Gesundheitsökonomie der 1990iger Jahre. „Sie war der damaligen Hoffnung geschuldet, dass man mit einer pauschalen, quartalsweisen monetären Eintrittshürde Anreize entfachen kann. Viel gebracht hat es aber am Ende nicht wirklich.“

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Überdies habe der Vorstoß wenig mit strukturierter und bedarfsgerechter Patientensteuerung zu tun, wendet Beivers ein. Patientensteuerung über pauschale Zuzahlungen seien denkbar, aber eben nur ein Element „in der gesundheitsökonomischen Trickkiste“.

Schlussendlich gehe es darum, durch kluge Anreize, die nicht immer monetärer Natur sein müssten, eine sinnvolle Steuerung in knappe und teure Ressourcen zu ermöglichen. Für den Vorschlag der Kontaktgebühr und seine Urheber gelte daher wie beim allseits bekannten „Monopoly“-Spiel: „Gehe zurück auf Los und denke noch einmal nach!“

Für Praxen „sehr bürokratisch“

Kritik kommt auch aus der Vorstandsetage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Es brauche zwar Instrumente zur Steuerung der Patienten auf die richtige Versorgungsebene – wie etwa digitale Ersteinschätzungen und die Terminbuchungsoptionen der 116 117, betonen die KBV-Vorderen Dres. Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Sibylle Steiner.

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„Eine Gebühr von zehn Euro je Arztbesuch – wie das der BDA vorschlägt – in Form einer ,Praxisgebühr reloaded, wie wir das vor rund 20 Jahren schon mal hatten, wäre aber sehr bürokratisch.“ Wahltarife seien da zielführender. „Lässt sich der Patient durchs Gesundheitssystem leiten, zahlt er gegebenenfalls einen geringeren Beitragssatz. Will er selbst entscheiden, wo er wie oft hingeht, zahlt er ein wenig mehr.“ (hom)

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Kommentare
Dr. Eckhard Pfister 14.11.202502:26 Uhr

Die Kontakte zum Gesundheitswesen sind in anderen Ländern kaum geringer, weil nicht alle Patienten gleich zu einem Arzt kommen, sondern der Physician Assistant (Bachelor oder Masterabschluss) uebernimmt delegierbare Aufgaben wie Anamnese, Untersuchung, Wundversorgung und Assistenz bei Eingriffen, wodurch Ärztinnen entlastet werden. Studienangebote gibt es inzwischen in Deutschland.

Dr. Uwe Wolfgang Popert 13.11.202522:35 Uhr

Kompletter Bürokratiewahnsinn
Wer ein halbwegs funktionierendes Gedäcknis hat, erinnert sich: Die Praxisgebühr wurde damals aus guten Gründen wieder abgeschafft. Die Patienten türmten sich an den Anmeldungen, viele Ausnehmeregelungen sorgten für Streit und Verzögerungen, Praxen wurden ausgeraubt. Steuerungseffekte waren gering, die Krankenhausambulanzen haben die Einziehung der Gelder total verweigert mit der Begründung, dass die Bürokratie teurer war als die Praxisgebühr eingebracht hätte. Will man so das angestrebte Primärversorgungssystem boykottieren?
Das Einzige, was umsetzbar wäre, ist das dänische Modell: Hausärzte überweisen mit Dringlichkeitscode, wer unbedingt schneller zum Spezialisten will, zahlt einen Teil selbst!

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