COVID-19 und Mund-Nase-Schutz

Corona-Masken-Attest: Spiel mit dem Feuer

Wie weit dürfen Ärzte während der Berufsausübung ihren weltanschaulichen und politischen Neigungen frönen? Jedenfalls nicht so weit, dass sie aus Protest falsche Atteste ausstellen.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Nur unzufrieden oder schon Verschwörungstheoretiker? Man sieht es den Leuten nicht an.

Nur unzufrieden oder schon Verschwörungstheoretiker? Man sieht es den Leuten nicht an.

© Christoph Soeder / dpa / picture alliance

Mainz/Berlin. Eine Meldung auf „tagesschau.de“ wirft Fragen nach den berufs- und strafrechtlichen Konsequenzen auf, die ärztliche Gefälligkeits-Atteste zur Vermeidung eines Mund-Nase-Schutzes haben können.

Demnach sollen einige Ärzte, die als Unterstützer der Initiative „Ärzte für Aufklärung“ namentlich auf deren Website genannt werden, nach Wunsch Atteste ausstellen, mit denen sich die Pflicht, eine Schutzmaske zu tragen, umgehen lässt. „Ärzte für Aufklärung“ geriert sich als Kritiker der öffentlichen Corona-Schutzmaßnahmen, insbesondere der Maskenpflicht.

In die Falle gegangen

Mehr als 40 dieser Ärzte seien von Redakteuren des Magazins „Report Mainz“ angeschrieben worden, heißt es, 19 hätten geantwortet und „keiner von ihnen wies das Ausstellen eines solchen Attests aus ethischen Gründen zurück. Einige schrieben direkt, dass man bei ihnen so ein Attest bekommen könne.“

Der Hintergrund ist klar: So sind beispielsweise laut Paragraf 2 der Coronaschutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen Personen von der dort umfangreich ausgelegten Maskenpflicht befreit, „die aus medizinischen Gründen keine Mund-Nase-Bedeckung tragen können“. Vergleichbare Formulierungen finden sich auch in den Corona-Verordnungen anderer Bundesländer.

Wie es in dem ARD-Bericht weiter heißt, hätten die Reporter – zunächst ohne sich als Journalisten zu erkennen zu geben – auch in mehreren Praxen persönlich vorgesprochen „und erhielten allein aufgrund der vermeintlichen Ablehnung der Maskenpflicht ein Attest zur Befreiung von eben dieser“. Zwei Ärzte hätten „nicht einmal mit den vermeintlichen Patienten“ gesprochen, „geschweige denn untersuchten sie sie“. Ein weiterer Arzt soll per Mail angeboten haben, nach Überweisung von 50 Euro das Attest zuzuschicken. „Die Diagnose solle der Patient ihm selbst vorab schriftlich mitteilen.“

Bis zu zwei Jahre Haft

Gegenüber der „Ärzte Zeitung“ erläutert der Berliner Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozial- und Medizinrecht, Professor Martin Stellpflug, die Rechtslage. Neben dem Strafrechtsparagrafen 278 („Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse“) drohen auch berufsrechtliche Sanktionen. Der Paragraf 278 binde die Strafbarkeit (bis zu zwei Jahre Haft oder Geldstrafe) an zwei Bedingungen:

  • die wissentliche Ausstellung eines „unrichtigen“ Attests
  • „zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft“.

Beide Bedingungen seien in den von „Report Mainz“ geschilderten Fällen erfüllt, so Stellpflug. Die Vorlage bei einer Behörde komme etwa dann in Betracht, wenn in einer akuten Konfliktsituation zur Verweigerung des Maskenschutzes die Polizei gerufen und dann das Attest präsentiert wird.

Übrigens: Auch die Täuschung einer Behörde oder Versicherung über den eigenen Gesundheitszustand mittels ärztlichen Attestes ist strafbar (§ 279 StGB „Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse“); hier drohen allerdings nur maximal ein Jahr Haft oder Geldstrafe.

Gravierende Folgen kann eine aus Corona-Protest ärztlicherseits willkürlich attestierte Masken-Unverträglichkeit aber auch berufsrechtlich haben. Stellpflug verweist auf den Paragrafen 25 der Musterberufsordnung, wonach Gesundheitszeugnisse „mit der notwendigen Sorgfalt“ und „nach bestem Wissen“ auszustellen sind. Darüber hinaus sei Absatz 3 des Paragrafen 2 einschlägig, wonach die gewissenhafte Berufsausübung „insbesondere die Beachtung des anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse“ erfordert. Davon könne bei einem medizinisch unbegründeten Attest natürlich keine Rede sein. Berufsrechtliche Sanktionen der Landesärztekammer reichten von einer Rüge über Geldbußen – „in Berlin schon mal 100.000 Euro“ – bis zur Anklage vor dem Berufsgericht.

Dünnes Eis

Der Rechtsanwalt und Medizinrechtler Dr. Daniel Geiger gibt darüber hinaus zu bedenken, dass, weil die Ausstellung falscher Gesundheitszeugnisse als Straftatbestand kodifiziert ist, bereits ein Anfangsverdacht ausreicht, um den Staatsanwalt auf den Plan zu rufen. „Sobald es Hinweise gibt, dass eine Straftat vorliegen könnte, kann das ein Ermittlungsverfahren auslösen.“

Einem Arzt, der ein medizinisch nicht zu begründendes Attest unterschrieben hat, so Geiger weiter, helfe dann auch die Ausrede nicht, er habe schließlich nicht gewusst, dass das Attest zur Vorlage bei einer Behörde gedacht war – und nicht etwa beim Vermieter oder Arbeitgeber. Bereits die billigende Inkaufnahme, dass das Papier ebenso zur Entschuldigung gegenüber einer Behörde dienen könnte, reiche aus, um die Strafbarkeit zu begründen.

Im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung droht außerdem der Entzug der Approbation.

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