"Ballacks Spielweise ein Reflex auf Vernetzung der Gesellschaft"

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Klaus Theweleits Fußball-Leidenschaft ist durch "gezielt agierende Klopper" und "schiedsrichterliche Selbstherrlichkeit" gefährdet. Zumindest behauptet das der Autor des 68er-Kultbuches "Männerphantasien" (1977) gegen Ende seines neuen Werkes "Das Tor zur Welt".

Die heutige Spielweise der Beckhams, Zidanes und (auf kleinerer Flamme) Ballacks ist für ihn ein Reflex auf die Digitalisierung und Vernetzung der Gesellschaft. Nicht umsonst habe bei der WM 2002 in Japan und Südkorea "mittlere Panik" im deutschen Spielerhotel geherrscht, als sich herausstellte, daß die mitgebrachten PlayStations nicht mit asiatischen TV-Apparaten kompatibel waren.

Auf dem wirklichen Spielfeld sind die guten Spieler heute nach Theweleits Überzeugung auch schon in Jugendmannschaften in der Lage, wie beim virtuellen Spiel vor dem Computer verschiedenste Spielweisen abzurufen und "vernetzt" miteinander zu kombinieren. Ein "Feldherr" auf dem Platz wie einst Günter Netzer wäre da völlig fehl am Platz. Theweleit lehnt Netzer als TV-Kommentator ab ("Totalchefsprache"), während er Franz Beckenbauer "Instinktsicherheit" bescheinigt.

Alles in allem erwartet das Lesepublikum erfrischender Theweleit-Angriffsfußball mit einer kräftigen Portion Optimismus. Eine positive Vorreiterrolle etwa spiele der Fußball im Umgang mit ausländischen und besonders farbigen Spielern.

Unsicher ist sich Theweleit aber doch, ob und wann die Tabuisierung von Homosexualität im Männersport Fußball überwunden wird. Er stimmt dem offen schwulen St. Pauli-Präsidenten Corny Littmann zu, daß es eher einen homosexuellen Bundeskanzler als einen homosexuellen Nationalspieler geben werde. (dpa)

Klaus Theweleit: Tor zur Welt. Kiepenheuer & Witsch. Köln 2004. 240 Seiten. 8,90 Euro.

Lesen Sie dazu auch: "Könnte ein Sportpsychologe Völlers Truppe helfen?"

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