Mehr als fünf Millionen Aidskranke warten weiter auf Hilfe

BERLIN (ble). Wenn Angela Merkel heute zum G-8-Gipfel der reichsten Industrienationen und Russlands nach Heiligendamm einlädt, wird einer ihrer Themenschwerpunkte die Bekämpfung von HIV/Aids in den Entwicklungsländern sein. Angesichts nur schwer überbrückbarer Differenzen der G-8-Staaten bei Fragen wie dem Klimaschutz oder der Sicherheitspolitik setzt die Kanzlerin wenigstens bei diesem Thema auf einen sichtbaren Erfolg.

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Doch Parlamentarier, Experten und Hilfsorganisationen sind bereits mit der bisherigen Arbeit ihrer Regierungen alles andere als zufrieden: Es fehle an Geld, Medikamenten und einem Gesamtkonzept, das Heilung, Prävention und Verbesserungen der Infrastruktur vereint, kritisierten sie bei einem Parlamentariertreffen der G-8-Staaten und weiterer Länder Ende vergangener Woche im Berliner Reichstag. Sie fordern von den G-8-Staaten konkrete Projekte zur Finanzierung der notwendigen Hilfen.

Die Kritik ist vielfältig: So habe sich die G-8 zwar bereits im Jahr 2005 verpflichtet, bis 2010 jedem Menschen Zugang zu Verhütungsmitteln zu verschaffen und für eine ausreichende Behandlung von Aidskranken zu sorgen, sagte die Unions-Abgeordnete Sibylle Pfeiffer.

"Trotz dieser Versprechen haben heute noch immer mehr als fünf Millionen Aidskranke in Entwicklungsländern keine Möglichkeit, sich behandeln zu lassen", kritisierte sie. Nach den Worten von Dr. Jörg Maas, Geschäftsführer der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung, stehen in diesem Jahr weltweit zwar 8,3 Milliarden Dollar zur Aidsbekämpfung zur Verfügung. Doch das reiche bei weitem nicht aus: "Allein in diesem Jahr fehlen mehr als neun Milliarden US-Dollar für nachhaltige Aids-Programme", kritisierte er.

2010 würden dann insgesamt bereits 23 Milliarden Dollar benötigt. Nach Angaben der Hilfsorganisation Oxfam verfehlen die G-8-Staaten zurzeit ihr 2005 gegebenes Versprechen, die jährliche Entwicklungshilfe bis 2010 um 50 Milliarden Dollar jährlich zu erhöhen, deutlich um 30 Milliarden Dollar. Immerhin: Deutschland und die USA kündigten kurz vor dem Gipfel eine Erhöhung ihrer Hilfen um mehrere Milliarden Dollar an.

Um den Kampf gegen die Immunschwächekrankheit zu gewinnen, müsse auch mehr Augenmerk auf die Prävention gelegt werden, fordert Pfeiffer. Denn auf einen Erkrankten, der Zugang zu einem Aids-Medikament erhält, kommen nach Angaben von Experten sechs Neuinfizierte. So können Hilfsorganisationen jedem Afrikaner gerade einmal sechs Kondome pro Jahr zur Verfügung stellen.

Zudem haben 200 Millionen Frauen keinen Zugang zu Verhütungsmitteln. Doch gerade in der Stärkung der Frau liege der Schlüssel für den Sieg über die Krankheit, meint die Schweizer Parlamentarierin Ruth Genner. Das betreffe die sexuelle Selbstbestimmung genauso wie Hilfen bei Schwangerschaft und Geburt. Hier beobachtet Genner einen Rückgang der Mittel.

Geld, Arzneien oder Verhütungsmittel allein, so Pfeiffer, könnten die Probleme allerdings nicht lösen. Viele Länder erlebten einen Brain-Drain an Medizinern: "Es kann nicht sein, dass in Manchester mehr malawische Ärzte arbeiten als in ganz Malawi", kritisierte sie.

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