Heilberufen fehlt der Nachwuchs

Medizin- und Pharmaziestudenten gibt es derzeit noch genug, nur wollen immer weniger Absolventen in die Praxis oder Offizin. Die ABDA hat nun sogar den Tag der Apotheke genutzt, um in der Öffentlichkeit eine Nachwuchsoffensive zu starten.

Ruth NeyVon Ruth Ney Veröffentlicht:

Frust bei der Suche nach angestellten Apothekern und Ärzten allenthalben. "Wir nehmen alles außer Legionäre", kommentiert lakonisch ein Apothekeninhaber aus Norddeutschland seine Stellenanzeige, in der auch explizit Ruheständler und Wiedereinsteiger mit flexibler Zeiteinteilung und übertariflicher Bezahlung gelockt werden.

Für viele Apothekeninhaber ist klar, dass Pharmazeuten, vor allem, wenn sie promoviert oder anderweitig qualifiziert sind, die Industrie viel attraktiver finden. Gehalt, Perspektiven und Arbeitszeiten sind oft besser. Auch im Krankenhaus haben sich interessante Berufsfelder aufgetan für die jährlich etwa 12 000 Pharmaziestudenten.

Berufsstand der Apotheker wird oft schlechtgeredet

Der Beruf als Apotheker in der Offizin sei in jüngster Vergangenheit hingegen von den Medien kontinuierlich schlecht geredet worden, sodass Berufsanfänger die Vorteile oft gar nicht mehr wahrnehmen würden und lieber gleich in andere Bereiche abwandern würden, klagt eine Apothekeninhaberin vom Bodensee. Falsche Vorstellungen von der Arbeit in der Offizin münden manchmal aber auch in blauäugigen Fragen wie: "Muss ich etwa auch Notdienst machen?", berichtet ein Kollege aus Süddeutschland.

Ärzteverbände befürchten einen Hausarztmangel

Auch den ärztlichen Berufsstand plagen Nachwuchssorgen. Vor allem an niedergelassenen Hausärzten auf dem Land könnte es in Zukunft fehlen, wenn nicht zügig Anreize geschaffen würden, klagen Ärzteverbände. Das Interesse am Medizinstudium ist zwar nach wie vor hoch. Nach ZVS-Zahlen kommen etwa fünf Bewerber auf einen Studienplatz. Doch ähnlich wie im Pharmaziestudium gibt es außer der Niederlassung in eigener Praxis viele gefragte Berufsalternativen.

Über ihre Erfahrungen bei der Suche nach Kollegen und ihre Ideen zur Nachwuchssicherung berichten heute zwei Apotheker und eine Ärztin "Im Fokus".

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Ein Thema - drei Meinungen

Der Apotheker

Frank Werner, Inhaber der Elefanten-Apotheke in Bottrop

Frank Werner, Inhaber der Elefanten-Apotheke in Bottrop

© Ruediger Otto Photography

Die Stellensituation hat sich in den letzten Jahren enorm verschlechtert. Größere Apotheken in der Stadt geht es dabei noch besser als kleinen Landapotheken, die weniger flexible Arbeitsbedingungen bieten können. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen wird die Apotheke durch überbordene Bürokratie zunehmend unattraktiv. Denn die eigentliche pharmazeutische Arbeit wird zur Nebensache. Zum anderen fehlt es an Ausgleich für die vielen Kolleginnen, die aus familiären Gründen ausfallen. Nach wie vor gehen vor allem die männlichen Pharmaziestudenten lieber in die Industrie oder ins Ausland als in die Apotheke. Das ist schade. Denn ich finde den Beruf nach wie vor interessant und spannend. Die Arbeit in der Industrie ist auch kein "Zuckerschlecken" - trotz der zugegebenermaßen meist besseren Arbeitszeiten. Was mir manchmal fehlt, sind Approbierte, die bereit sind, sich voll zu engagieren - bei entsprechender Entlohnung natürlich - und bei denen man merkt, dass ihr Beruf Berufung ist.

 

Die Ärztin

Dagmar Kessel, Allgemeinärztin in einer Gemeinschaftspraxis in Nidda

Dagmar Kessel, Allgemeinärztin in einer Gemeinschaftspraxis in Nidda

© privat

Wir suchen für unsere Gemeinschaftspraxis seit 20 Monaten intensiv einen Weiterbildungsassistenten. Selbst auf die Anzeige: "sehr gute Bezahlung, keine Nachtdienste, Nähe Frankfurt" kam nicht mal eine Anfrage. Die Folge: längere Wartezeiten für Patienten. Ich denke, zwei Hauptgründe erschweren die Suche: 1. müssen sich Weiterbildungsassistenten verpflichten, sich einmal niederzulassen - sonst müssen sie die Bezuschussung zurückzahlen. 2. schreckt eine falsche Vorstellung von der Allgemeinmedizin junge Kollegen ab. Entgegen vieler Artikel, wie schrecklich und arbeitsreich der Job ist, würde ich den Weg wieder gehen. Wir sind ein tolles Team mit netten Patienten, abwechslungsreicher Arbeit, und auch die Nachtdienste sind hier gut geregelt. All das müsste besser vermittelt werden, sonst wird ein Versorgungsmangel auf uns zukommen, da viele Kollegen in Ruhestand gehen. Abhilfe schaffen könnten ein Praktikum für alle Medizinstudenten in einer Allgemeinpraxis und finanzielle Anreize.

Marcel Wree, Inhaber der Pluspunkt Apotheke im Oder-Center in Schwedt/Oder

Marcel Wree, Inhaber der Pluspunkt Apotheke im Oder-Center in Schwedt/Oder

© privat

Wir haben hier eine Region, wo sowieso nicht so viele Arbeitnehmer hinwollen. Als ich vergangenes Jahr einen neuen Approbierten gesucht habe, habe ich deutlich zu spüren bekommen, wie schwer es ist, hier qualifiziertes Personal zu bekommen. Um das Problem zu lösen, müsste nicht nur "Apotheker in der Offizin" öffentlichkeitswirksam als attraktiver Beruf bekannt gemacht werden. Bereits das Pharmaziestudium müsste attraktiver werden. Meiner Ansicht nach könnte man den Mangel auch dadurch lösen, dass es für PTA eine qualifizierte Weiterbildungsmöglichkeit zum Pharmazieingenieur gibt. Mit dieser Berufsausbildung, die es früher in der DDR gab, dürfen Angestellte in ähnlichem Maß wie Approbierte Verantwortung und Vertretungen übernehmen. Ich kenne durchaus einige PTA, für die sich eine solche Weiterbildung anbieten würde. Wieso lässt man bei einem solchen Mangel an Approbierten andere clevere Angestellte beruflich auf der Stelle treten? Das kann ich nicht verstehen.

Lesen Sie dazu auch: Tschüss Apotheke ?

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