Palliativmedizin hilft, das Leben in Würde zu beenden

Als die palliative Versorgung für schwer kranke und sterbende Menschen weiterentwickelt wurde, konzentrierte man sich zunächst auf Krebspatienten. Inzwischen ist jedoch klar: Der Bedarf ist auch bei alten Menschen hoch.

Von Helga Brettschneider Veröffentlicht:

Bei der Palliativversorgung werden alle Bedürfnisse beachtet: Schmerzen, Übelkeit, Depressionen und andere Symptome werden gelindert, ebenso wie seelische und soziale Nöte. Dazu ist ein multidisziplinäres Team mit Ärzten, Krankenschwestern, Sozialarbeitern, Seelsorgern und ehrenamtlichen Betreuern nötig, sagt Dr. Bettina Sandgathe-Huseb¢. In Bergen in Norwegen - wo die Ärztin zusammen mit ihrem Mann Professor Stein Huseb¢ die Bewohner des größten norwegischen Pflegeheims betreut - wird die palliative Fürsorge dabei in die Versorgung im Heim integriert. Bei der Medica in Düsseldorf, der weltgrößten Medizinmesse mit angeschlossenem Kongress, wird die Ärztin neue Konzepte dazu vorstellen.

Nach den Erfahrungen brauchen alte Menschen in der Regel mindestens ein Jahr eine palliativmedizinische Versorgung.

Nach den Erfahrungen brauchen alte Menschen in der Regel mindestens ein Jahr eine palliativmedizinische Versorgung.

© Foto: bilderbox www.fotolia.de

Nach Angaben der Palliativmedizinerin litten dort über 80 Prozent der Heimbewohner an Schmerzen. Dieser Anteil ist höher als bei Krebspatienten. Viele der Bewohner sind zudem multimorbid und etwa 80 Prozent dement. Nach den Erfahrungen brauchen alte Menschen in der Regel mindestens ein Jahr die intensive Fürsorge. Zum Vergleich: Krebspatienten brauchen - nach den Erfahrungen - im Mittel nur 16 Tage den vollen Einsatz auf Palliativstationen.

60 Prozent der Menschen in Deutschland sterben in Kliniken

Bei alten Menschen klaffen zudem in der Endphase häufig Wunsch und Wirklichkeit auseinander. Denn sie wollen, wenn ihre Zeit gekommen ist, nicht ins Krankenhaus, sondern einfach nur sterben dürfen, sagt Huseb¢. Die Realität jedoch sieht anders aus: In Deutschland sterben 60 Prozent der Menschen in Kliniken. Die Gründe sind vielfältig. So werden Heimbewohner, deren Zustand sich verschlechtert, in Kliniken geschickt, um sich juristisch gegen Vorwürfe abzusichern. Bei anderen Patienten werde schlicht versäumt, rechtzeitig zu fragen, was sie möchten, wenn es einmal ans Ende geht. Die frühzeitige Klärung dieses Punktes ist aber besonders wichtig, betont die Ärztin.

Scheuen sollte man sich davor nicht: Nach ihrer Erfahrung haben zwar die Angehörigen oft Angst vor einem ausführlichen Gespräch. Die Patienten selbst aber wollen in der Regel darüber reden und wünschen eine realistische Aufklärung. Sie trauen sich jedoch selten, das Thema auf den Tisch zu bringen. Das sollte deshalb der Arzt tun, empfiehlt sie.

Die meisten Patienten fürchten nicht den Tod selbst, sondern das Sterben. Sie haben zum Beispiel Angst vor Atemnot oder Schmerzen. Solche Symptome der letzten Tage lassen sich aber heute meist gut lindern. Das sollte der Arzt im Gespräch mit dem Patienten auch sagen, betont Huseb¢. Denn dieses Wissen beruhigt ebenso wie die Information, dass der Tod sich meist ankündigt und die Pflegekräfte dann die Angehörigen rufen werden. Beruhigend wirkt auch die Zusicherung, dass der Patient beim Sterben nicht allein gelassen wird.

Schmerzen und Atemnot zum Beispiel lassen sich meist mit Morphin gut lindern. Patienten, die nicht mehr schlucken können, kann der Arzt Medikamente unter die Haut spritzen. Gegen echtes Todesrasseln durch Flüssigkeit im Halsbereich wirken Medikamente. Schwieriger wird es bei einem Lungenödem, einer Wasseransammlung in der Lunge als Folge von Herzschwäche. Und bei einer Pneumonie als Ursache wird im Einzelfall entschieden, ob ein Antibiotikum sinnvoll ist oder nicht.

Gegen Angst und Unruhe hilft ein Beruhigungsmittel. Ein Delirium mit Halluzinationen und Unruhe, das 50 bis 80 Prozent der Patienten entwickeln, entsteht oft durch eine Krankheit. Aber auch Medikamente können die Ursache sein oder Flüssigkeitsmangel. Allerdings kann intravenöse Flüssigkeitsgabe in diesem Stadium in ein Lungenödem münden. Wenn der Durst darauf beruht, dass die Patienten durch den Mund atmen - das trocknet die Schleimhäute aus - kann eine feuchte Mundpflege mehrmals pro Stunde das Gefühl von Durst oft löschen.

Veranstaltung 301.2

Medica International: "Palliative Care" In Englisch

Friday, 20 November, 11.30 a.m. to 1.00 p.m., CCD South, Ground Floor, Room 01

Chair: Professor Stein Huseb¢

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