CANTOS-Studie

Herzinfarkt – Prävention durch Entzündungshemmung

Erstmals ist es gelungen, mit einer antientzündlichen Therapie die Prognose von Herz-Patienten zu verbessern. In der CANTOS-Studie reduzierte der Antikörper Canakinumab das relative Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen um 15 Prozent, was in etwa der Risikosenkung durch PCSK9-Antikörper entspricht.

Von Dirk Einecke Veröffentlicht:
Ein antientzündliches Medikament reduziert bei KHK-Hochrisiko-Patienten das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und kardiovaskulären Tod.

Ein antientzündliches Medikament reduziert bei KHK-Hochrisiko-Patienten das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und kardiovaskulären Tod.

© fatihhoca / iStock

BARCELONA. "Wir haben gezeigt, dass ein antientzündliches Medikament, welches keine Effekte auf das Cholesterin hat, bei KHK-Hochrisiko-Patienten das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und kardiovaskulären Tod reduziert", sagte Studienleiter Professor Paul Ridker vom Brigham and Women's Hospital in Boston beim ESC-Kongress. "Somit ergeben sich künftig drei große Felder für die präventive Kardiologie: Zum einen Diät, Bewegung und Rauchstopp. Zum zweiten die Lipidsenkung. Und nun stoßen wir die Tür auf für die antientzündliche Therapie".

Therapie mit einem Antikörper

In der von Novartis unterstützten "Canakinumab Antiinflammatory Thrombosis Outcome Study" (CANTOS) war für eine mediane Studienlaufzeit von 3,7 Jahren den Patienten alle drei Monate Canakinumab (Ilaris®) s.c. appliziert worden. Der gegen Interleukin-1ß gerichtete monoklonale Antikörper ist bisher bei einigen seltenen autoimmunen rheumatologischen Erkrankungen und bei bestimmten periodischen Fiebersyndromen zugelassen.

10061 Patienten hatten (wie kurz berichtet) an der Studie teilgenommen. Sie hatten sich durch eine Herzinfarkt-Anamnese und Werte des hochsensitiven hs-CRP über 2 mg/l qualifiziert. Die im Schnitt 61 Jahre alten Patienten wiesen eine Vielzahl kardiovaskulärer Risikofaktoren auf, die aggressiv behandelt wurden, über 90 Prozent nahmen Statine ein, viele Patienten waren mehrfach revaskularisiert worden. Behandelt wurde in vier Gruppen (Canakinumab 50 mg, 150 mg, 300 mg, Placebo).

Die Antikörper-Therapie reduzierte den CRP-Wert dosisabhängig: um 26 Prozent unter 50 mg, um 37 Prozent unter 150 mg und um 41 Prozent unter 300 mg. Die Inzidenz des primären MACE-Endpunkts (kardiovaskulärer Tod, Infarkt, Schlaganfall) betrug pro 100 Patientenjahre 4,5 unter Placebo, 4,11 unter 50 mg, 3,86 unter 150 mg und 3,9 unter 300 mg. Doch nur die 150 mg-Dosis führte im Studienzeitraum zu einer statistisch signifikanten relativen Risikosenkung für klinische Ereignisse (320 Ereignisse/2284 Patienten (14 Prozent) versus 535/3344 (16 Prozent) unter Placebo). Je stärker das CRP abfiel, desto größer fiel der klinische Nutzen aus. Die Ergebnisse der Studie sind zeitgleich im "New England Journal of Medicine" (N Engl J Med 2017; online 27. August) veröffentlicht worden.

Moderater klinischer Effekt

Der Effekt war "moderat", wie Professor R. Harington von der Stanford University in einem begleitenden Editorial schreibt, und er wurde primär durch die Risikosenkung für Herzinfarkte verursacht. Allerdings sei der Befund wissenschaftlich hochinteressant: Die Studie beweise, dass die Inflammation bei der Atherosklerose nicht nur in der Pathogenese eine Rolle spielt, sondern auch therapeutisch ein Ziel darstellen kann.

Professor Wolfgang König vom Herzzentrum München spricht von der "dual target-Hypothese": Trotz optimal kontrollierter LDL-Cholesterin-Werte verbleibe ein Restrisiko, dass auch Patienten mit sehr niedrigen LDL-Werten an Herzinfarkten sterben. Dass eine subklinische Inflammation, messbar an einer Reihe erhöhter Zytokinwerte oder akuter Phase-Proteine, für dieses Restrisiko zum Teil verantwortlich ist, vermuten Arbeitsgruppen wie jene von Professor Ridker oder Professor König schon seit langem. Eine wichtige Rolle dabei spielt der Interleukin-6-Signalweg, in welchen der voll humanisierte Antikörper Canakinumab spezifisch inhibitorisch eingreift.

Die Canakinumab-Studie beweist nun das wissenschaftliche Prinzip. Der moderate klinische Nutzen der bis dato sehr teuren Therapie rechtfertigt noch nicht den breiten Einsatz bei Infarktpatienten; zuvor müssen Sicherheit und Wirksamkeit in bestimmten Patientengruppen besser untersucht werden, so Harrington.

"Neutraler Effekt" auf die Sterblichkeit

Bezüglich der Sicherheit fiel auf, dass die Therapie das Risiko für tödliche Infektionen erhöhte (0,18 Prozent unter Placebo, 0,28 Prozent unter 150 mg Canakinumab). Auf der anderen Seite senkte sie überraschenderweise signifikant das Risiko für tödliche Krebserkrankungen (0,64 Prozent unter Placebo; 0,5 Prozent unter 150 mg Canakinumab). Die 300mg-Dosis halbierte gar die Krebssterblichkeit. Verhindert wurden vor allem Bronchialkarzinome. Unter dem Strich blieb ein "neutraler Effekt" auf die Sterblichkeit. Mit Spannung erwartet werden nun die Resultate des vom National Heart, Lung and Blood Institute der USA unterstützten "Cardiovascular Inflammation Reduction Trial" (CIRT). Hier wird untersucht, ob niedrig dosiertes Methotrexat nach Herzinfarkt die Prognose verbessert.

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