Kooperationen

Berlin und Peking – eine gesunde Allianz?

Deutschland und China – Partner oder doch mehr Wettbewerber? Die Zusammenarbeit in puncto Gesundheit birgt Potenzial wie auch Risiken.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:

BERLIN. Bundeskanzlerin Angela Merkel staunte auf ihrer jüngsten China-Reise Ende Mai nicht schlecht. Das Reich der Mitte meint es Ernst mit der Künstlichen Intelligenz (KI).

In Shenzhen – einst Dorf, heute eine Metropole mit mehr als 20 Millionen Einwohnern, begann damals mit dem von Deng Xiaoping ausgerufenen wirtschaftlichen Öffnung Chinas.

Shenzhen ist die erste Stadt Chinas, in der eine lückenlose Erfassung und Verfolgung von Fahrzeugen und Menschen via Videokamera aufgebaut wurde.

Das Biotech-Start-up iCarbonX, das in Shenzhen seit drei Jahren an einer auf KI und Big Data basierenden Plattform zur Gesundheitsförderung und -vorsorge arbeitet, steht symbolisch für die Frage, wohin sich die deutsch-chinesischen Gesundheitsbeziehungen entwickeln werden.

Wird es eine Kooperation auf Augenhöhe oder verliert der Lehrmeister den Anschluss im Reich der Mitte, muss er den Chinesen sogar große Marktanteile im globalen Gesundheitsmarkt abtreten?

Unbestritten hat sich Deutschland bis dato immer zu seinem Mentoren-Verhältnis zu China bekannt. Deutschland begleitet China bei der 2009 mit dem Masterplan "Healthy China" angestoßenen Reform seines gesamten Gesundheitswesens unter dem Dach des Deutsch-Chinesischen Forums.

Eine entsprechende Vereinbarung trafen vor sechs Jahren Bundeskanzlerin Merkel und Chinas damaliger Premierminister Wen Jiabao in Peking im Rahmen der zweiten Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen.

So greift China bisher zum Beispiel beim Aufbau eines modernen Rettungsdienstes unter dem Dach der Björn-Steiger-Stiftung maßgeblich auf deutsches Know-how zurück.

Auch in Sachen Insult-Versorgung tut sich etwas im Staat: Die Chinesische Strategische Allianz für Industrielle Innovationstechnologien in der Diagnose und Behandlung von Kardiovaskulären und Zerebrovaskulären Krankheiten und das Pekinger Unternehmen IVT Technology kooperieren seit einigen Jahren, um das Nationale TeleStroke-Zentrum zu verbessern und ein flächendeckendes Schlaganfall-Rettungsnetz mit Hilfe des mHealth-Systems von IVT zu entwickeln. Das regional ausgerichtete Rettungsnetz umfasst 300 staatlich bestimmte Krankenhäuser.

Paradigmenwechsel unter Xi Jinping

Die deutsch-chinesische Kooperation könnte aber bald nur noch auf tönernen Füßen stehen. Denn mit der Ausrufung des Masterplans "Made in China 2025" legte Staatspräsident Xi Jinping vor drei Jahren den offiziellen Grundstein für seine globalen Allmachtsideen: Bis 2025 soll China führend in vielen innovativen Kerntechnologiefeldern werden – unter anderem in der Medizintechnik und – robotik, der Biotechnologie sowie der KI.

Xi erhofft sich davon eine Verringerung der Abhängigkeit Chinas von ausländischen Anbietern – in der Medizintechnik dominieren im HighTech-Bereich deutsche Anbieter deutlich den Markt. Insgesamt soll China nach dem ausdrücklichen Willen Xis, dessen Macht im Staate vor Kurzem zementiert wurde, bis zum Jahr 2049 – dem Zentennium der Kommunistischen Partei als Staatslenker– vor den USA zum weltweiten Technologieführer werden.

Seine Bevölkerung nimmt das Reich der Mitte durch den flächendeckenden Aufbau eines Sozialpunktesystems an Bord, das alle möglichen Daten der Bürger zusammenführt und auswertet. Wer durch das Raster fällt – weil er zum Beispiel die Regierung kritisiert –, dürfte zum Beispiel durch Ausreiseverbote sanktioniert werden.

Doch China sieht es nicht nur auf die Schwächung seiner bisherigen Lehrmeister und Kooperationspartner ab, es will sich seinerseits weitere Abhängigkeiten sichern – zum Beispiel mit dem Projekt Neue Seidenstraße (One Belt one Road).

Offiziell soll es – wie China auch in einem Abkommen mit der WHO betont hat –, dazu nutzen, die öffentlichen Gesundheitswesen der mehr als 60 involvierten Staaten zu fördern. Möglich machen soll dies eine zunehmende wirtschaftliche Prosperität, die diese Länder mit dem Aufbau des infrastrukturellen Netzwerks zwischen Europa und China erfahren würden.

Seidenstraße schafft Potenziale

Wie die chinesische Seite betont, sieht sie das Abkommen als Beitrag zur Erreichung der im September 2015 in New York auf dem UN-Nachhaltigkeitsgipfel verabschiedete "2030 Agenda für nachhaltige Entwicklung".

Darin verpflichten sich die Signatarstaaten unter anderem, bis 2030 auf eine Welt hinzuarbeiten, die unter anderem frei von Krankheiten ist. Unglücklicherweise hätte aber das Wirtschaftswachstum in vielen Fällen auch zu einer Verbreitung neuer Krankheiten und damit zu Belastungen der öffentlichen Gesundheitssysteme geführt.

Bei der Problembewältigung wolle China den Projektländern helfen. Ob hier regelhaft deutsche Partner im Boot wären, scheint zweifelhaft.

Chinesische Kooperationen im Gesundheitswesen: Gesund älter werden. Mittwoch, 6. Juni, 14 bis 16 Uhr, Raum M 3

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