Krankenhausmanagement

Kliniken brauchen den Unternehmer

Mehr Wettbewerb und Mut zur Modernisierung, unternehmerisches Handeln statt Regulierung, scharfe Kritik an den Pflegefinanzierungsplänen der Bundesregierung mit Wiedereinführung des Kostendeckungsprinzips – in einem Grundsatzpapier "Gedanken zur Zukunft der Gesundheitswirtschaft" macht der ehemalige Hamburger Klinikmanager und Vorsitzende der Initiative Gesundheitswirtschaft, Professor Heinz Lohmann, bemerkenswerte Vorschläge.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:

BERLIN. "Erneut wird versucht, mit den Antworten der Vergangenheit die Fragen der Zukunft zu lösen. Das kann nicht funktionieren." Gemeint ist der Plan der Bundesregierung, den Pflegenotstand in den Krankenhäusern mit einem restaurativen Ansatz zur Finanzierung der Pflegeleistungen beheben zu wollen. Das Urteil des ehemaligen Hamburger Klinik-Managers und Vorsitzenden der Initiative Gesundheitswirtschaft, Professor Heinz Lohmann dazu ist harsch: Der Schuss werde nach hinten losgehen und eine Kontroll- und Bürokratieorgie nach sich ziehen, schreibt er in einem Grundsatzpapier, dass in der Juni-Ausgabe des gesundheitspolitischen Nachrichtendienstes "Implicon" publiziert wird.

Opportunistisches Management

Lohmann, der auch den Krankenhausteil des heute beginnenden Hauptstadtkongresses inhaltlich verantwortet, bestreitet nicht, dass es einen Pflegenotstand gibt. Und er leugnet auch nicht, dass in vielen Krankenhäusern in der Vergangenheit massive Fehler gemacht worden sind. Um die Ertragssituation zu verbessern, seien die Leistungsmenge erhöht, die Pflegekosten gesenkt worden. Und zwar nach dem Prinzip der Opportunität, dass man am besten da sparen könne, wo der Widerstand am geringsten sei: beim gewerkschaftlich fast gar nicht organisierten Pflegepersonal. "Viele Krankenhaus-Manager haben den einfachsten Weg gesucht", stellt Lohmann heute fest.

Dafür das DRG-System verantwortlich zu machen, wie der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach das tut, hält Lohmann allerdings für verfehlt. Die Rückkehr zum Selbstkostendeckungsprinzip für die Pflege lade geradezu zum Missbrauch und Reformstillstand ein. Werde in einem Leistungsbereich des Krankenhauses die Vergütung nicht mehr an die Leistung, sondern an die Realkosten gekoppelt, entstehe ein Anreiz, möglichst viele Aufwendungen – und auch Leistungen - dieser Kostenart zuzuordnen, weil sie scheinbar problemlos refinanzierbar sind. Die wahrscheinlichen Folgen: Pflegekräfte werden nicht entlastet, sondern möglicherweise mit zunehmenden Aufgaben belastet.

Die Folge werde eine Debatte darüber sein, was pflegerische Aufgaben sind und was nicht. Und um Umgehungsstrategien von Klinikleitungen zu konterkarieren, werde eine wachsende Kontrollbürokratie in Gang gesetzt werden.

Neben diesem Kollateralschaden des Selbstkostendeckungsprinzips werde das grundsätzliche Problem verkleistert: die notwendige Reform von Produktionsprozessen im Krankenhaus etwa durch Technisierung, wachsende Arbeitsteilung und Konzentration der Pflege auf direkte und unverzichtbare Leistung am Patienten.

Es muss gelten: Pflegen statt faxen!

Vorsitzender der Initiative Gesundheitswirtschaft: Professor Heinz Lohmann.

Vorsitzender der Initiative Gesundheitswirtschaft: Professor Heinz Lohmann.

© Dirk Schnack

Lohmann warnt vor der falschen Erwartung, mehr Geld und mehr Personal verbesserten die Pflege der Patienten. "Diese Formel geht nicht auf. Bereits heute fehlen Pflegekräfte in großer Zahl. Deshalb müssen in etlichen Kliniken Stationen geschlossen werden. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt wird sich in Zukunft weiter verschärfen, nicht nur in Deutschland. Am Ende werden alle Beteiligten frustriert sein, die Pflegenden, die Patienten und wohl auch die Politik."

Notwendig sei hingegen, die Pflege zu unterstützen, indem sie von allen berufsfremden Tätigkeiten entlastet werde. Das Motto müsse sein: "Pflegen statt faxen". Arbeitsprozesse im Krankenhaus müssten industrialisiert und digitalisiert werden , um sicherzustellen, dass künftig mehr Leistungen mit weniger Arbeitskräften erbracht werden können.

Technik und Humanität, so argumentiert Lohmann, seien keine Gegensätze. Vielmehr ermögliche die Nutzung moderner Technologien den Fachkräften in der Medizin, Ärzten wie Pflegeberufen, dort zu sein, wo sie hingehören: beim Patienten. "Wer mit seiner Nase im Dokumentationsbogen steckt, sein Ohr am Telefon hat, um mal eben schnell eine Behandlung zu organisieren, oder mit der Blutprobe über das Klinikgelände hastet, ist jedenfalls am falschen Ort."

Studien hätten ergeben, dass Ärzte täglich bis zu vier Stunden und Pflegekräfte drei Stunden allein mit solchen berufsfremden Tätigkeiten verbringen. Ohnehin schon knappe Personalressourcen würden so in einem "Improvisationstheater verplempert". Die Duldung einer solchen Unwirtschaftlichkeit sei "unethisch", so Lohmann.

Um die Erstarrung aufzubrechen, Arbeitsteilung und Systempartnerschaften zu ermöglichen, schlägt Lohmann neben der Einführung einer monistischen Klinikfinanzierung die Abschaffung der Umsatzsteuerbefreiung von Krankenhäusern vor. Letzteres hält Lohmann für ein Scheinprivileg, das Fehlallokationen begünstigt.

So führt die Mehrwertsteuerbefreiung für Gesundheitsleistungen dazu, dass Vorleistungen für Krankenhäuser, die regelhaft mit Umsatzsteuer (meist 19 Prozent) belastet sind, nicht wie bei umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen als Vorsteuer abgezogen werden können.

Kontraproduktives Steuerprivileg

In der Folge liege die Vorleistungsquote deutscher Krankenhäuser bei "erschreckend niedrigen" 30 bis 35 Prozent und damit deutlich unter derjenigen in anderen Wirtschaftszweigen und in Krankenhäusern europäischer Nachbarländer.

Insofern erweise sich die Mehrwertsteuerbefreiung in Verbindung mit dem fehlenden Vorsteuerabzug als Hürde für eine arbeitsteilige und effiziente Produktion und werde so zur Innovationsbremse.

Eine wachsende Bedeutung sieht Lohmann in der Stärkung der Souveränität von Patienten. Den oft behaupteten Gegensatz von "Patient und Konsument" hält Lohmann für realitätsfern:

"Im realen Leben geht es gar nicht um diese Alternative: Natürlich ist der Patient im OP von Können und Wissen der Experten abhängig. Mit seiner Konsumentensouveränität ist es nicht weit her. Gleiches gilt aber auch im Flugzeug. Auf Leben und Tod ist der Reisende Piloten und Technologie ausgeliefert. Wenn er das Ticket kauft, ist es ganz anders. Auf dem Gesundheitsmarkt ist die Situation ähnlich, nachdem Transparenz, zu zögerlich zwar, aber dennoch Einzug hält."

Aus diesem Grund plädiert die Initiative Gesundheitswirtschaft für eine "Stiftung Gesundheitstest" als unabhängige Institution, die die Rolle des Patienten als Konsumenten stärkt, indem sie Qualitätstransparenz schafft. Gemeint ist damit nicht die Formalqualifikation etwa von Ärzten, die an der Versorgung teilnehmen, sondern es sind die objektiven Ergebnisse von Behandlungslösungen.

Medizin wird "markenfähig"

Die aber müssten künftig – aufgrund wachsender Komplexität von Krankheiten, aber auch von Diagnose- und Therapiemöglichkeiten, sektorübergreifend verstanden und in ihrer Qualität beurteilt werden. "Das Expertensystem Medizin der Vergangenheit war auf Institutionen ausgerichtet. Je mehr der Patient auch Konsument wird, desto mehr nimmt die Bedeutung von Prozessen zu", argumentiert Lohmann.

Die nun spät beginnende Digitalisierung der Medizin werde solche Prozess-Strukturierungen ermöglichen und dabei auch Dokumentation, Logistik und Abrechnung integrieren. Das werde die Qualität der Versorgung homogenisieren und die Abgabe eines Leistungsversprechens ermöglichen. Der Kern der Medizin oder auch ihr eigener Zweck, nämlich der Erfolg einer Behandlung, werde somit "markenfähig". Darin sieht Lohmann aktuell die Herausforderung des Klinikmanagements.

Das muss laut Lohmann aber auch bedeuten: keine Furcht vor der digitalen Technik und den damit verbundenen Umwälzungen. Denn das werde enorme Chancen für die Zukunft eröffnen. "Wenn uns der Arbeitsmarkt in Zukunft immer weniger Ärzte und Krankenpflegekräfte beschert, werden wir die neuen technischen Möglichkeiten dringend benötigen. Die wenigen noch vorhandenen Fachkräfte können sich dann auf das Wesentliche konzentrieren."

Unternehmerisch denkende Manager seien gut beraten, die Herausforderungen anzunehmen und eigenständig Lösungen zu entwickeln anstatt nach dem Gesetzgeber und der Finanzgießkanne zu rufen. Wer die Politik zum Handeln aufrufe, sollte sich nachher nicht über zu viel Regulierung wundern. Lohmann. "Die Ursache für das Lamento über zu wenig Freiräume ist häufig selbst induziert."

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