Sport und Medizin

Treffer ins Schwarze

Eine Initiative im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen will Medizinstudierende noch in der Ausbildung für das Landleben begeistern. Ein Besuch vor Ort.

Margarethe UrbanekVon Margarethe Urbanek Veröffentlicht:
Chirurgie erleben und sich im Sägen, Schrauben, Zusammenflicken ausprobieren – das konnten die Studenten in der „Gelenkreparaturwerkstatt“.Margarethe Urbanek (7)

Chirurgie erleben und sich im Sägen, Schrauben, Zusammenflicken ausprobieren – das konnten die Studenten in der „Gelenkreparaturwerkstatt“.Margarethe Urbanek (7)

© Margarethe Urbanek

Treuchtlingen. Seit Jahren ziehen junge Menschen vom Land in die Städte. Nach dem Schulabschluss gehen sie in die Städte, nur wenige kehren nach ihrem Studium in die Heimat zurück. Das zeigen Zahlen des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen (Bayern) will man dem entgegenarbeiten – und veranstaltet schon im vierten Jahr die Medizinische Ferienakademie für Studierende der klinischen Semester.

Gemeinsam mit engagierten Ärzten der Region sollen sie die unterschiedlichen Facetten der außeruniversitären Medizin kennenlernen und beim Rahmenprogramm die Region sportlich erleben. Mit ihrem Konzept gewann die Ferienakademie den von Apontis Pharma und Springer Medizin ausgelobten Erfolgs-Rezept Praxis-Preis 2018.

Spannende Workshops

Es wird ruhig im Operationssaal des Klinikums Altmühlfranken am Standort Weißenburg. Wo zuvor noch reges Treiben zu sehen und aufgeregte Vorfreude zu spüren war, nehmen Konzentration und Ruhe Raum ein. Mit Feingefühl führen die Medizinstudierenden Schere und Zange durch einen Bauchraum, blicken auf den Monitor vor ihnen, der genau anzeigt, an welcher Stelle sie sich gerade mit ihren Instrumenten befinden.

Es ist kein lebendes Objekt, an dem sich die Studierenden versuchen, kein echtes Gefäß, an dem sie operieren. Im Hohlraum des Laparoskopie-Simulators vor ihnen liegen nur drei Fruchtgummi, die sie, so die Aufgabenstellung der Oberärztin Dr. Christine Gentsch, möglichst schnell zerteilen müssen.

Noch am Vorabend saß Gentsch, die jetzt den Laparoskopie-Workshop leitet, mit den Studierenden beim Abendessen auf der Treuchtlinger Burganlage, packte nach Sonnenuntergang ihre Gitarre aus und stimmte gemeinsam mit ihnen den allseits bekannten Klassiker „Mein kleiner grüner Kaktus“ an.

Kennenlernen – fachlich und privat

Auch das gehört zur Medizinischen Ferienakademie Altmühlfranken, wie Mitinitiatorin Dr. Alexandra Wudy den Teilnehmern schon bei der Begrüßung erklärte: „Die Ferienakademie bietet die einmalige Chance, uns Ärzte auch privat zu treffen und uns mal andere, ganz persönliche Fragen zu stellen, die Ihr Euch bei euren Famulaturen vielleicht nicht zu stellen traut.“ Dafür bieten sich vor allem beim sportlichen Rahmenprogramm zahlreiche Gelegenheiten; bei einer gemeinsamen Fahrradtour entlang der Altmühl, einem Nachmittag am See, beim Bogenschießen auf dem 3D-Bogenschießparcours oder eben beim Abendessen auf der Burganlage.

Zu der Gruppe der Studierenden gesellen sich immer Ärzte der Region Altmühlfranken, erzählen aus ihrem Alltag als Klinikärztin und Mutter, als Familienvater und niedergelassener Hausarzt oder als Zugezogener aus Nordrhein-Westfalen in den Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen.

Der Landkreis ist eine von insgesamt 50 sogenannten Gesundheitsregionenplus in Bayern. Landkreise und kreisfreie Städte können zur Gesundheitsregionplus werden. Zuweilen ist es zielführend beide zusammen oder zwei Landkreise zu einer Gesundheitsregion zu bündeln, sodass mittlerweile 62 Landkreise und kreisfreie Städte am Projekt beteiligt sind.

Die Gesundheitsregionenplus sind ein Förderprogramm des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege. Ziel ist unter anderem, die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Bevölkerung zu erhöhen und damit die regionale Gesundheitsvorsorge und -versorgung in Bayern zu optimieren. So steht es in der Beschreibung des Staatsministeriums geschrieben. Doch Papier ist geduldig und die Praxis steht und fällt mit Menschen, die Projekte umsetzen.

Im Falle der Ferienakademie sind das Theresa Hausen aus der Geschäftsstelle der Gesundheitsregionplus Altmühlfranken und Kathrin Kimmich, Leiterin der Zukunftsinitiative Altmühlfranken, als kommunale Koordinatorinnen, sowie das ärztliche Organisationsteam um Dr. Alexandra Wudy, Dr. Ute Schaaf, Dr. Heiko Priesmeier und Dr. Peter Löw. „Uns ist es wichtig zu zeigen, dass es auch auf dem Land gute Medizin gibt“, erklärt Löw, im Namen aller sprechend. „Wir müssen drohenden Lücken in der medizinischen Versorgung frühzeitig begegnen und schon jetzt den bevorstehenden Generationswechsel im Blick haben“, erklärt auch Dr. Wilhelm Wechsler, erster Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbands Südfranken.

Die ersten zieht es schon auf‘s Land

Dass das langfristig angelegte Konzept der Ferienakademie zu ziehen beginnt, zeigen zwei Weiterbildungsassistenten in den Praxen vor Ort sowie mehrere Studenten, die sich im Stipendienprogramm des Klinikums Altmühlfranken eingeschrieben haben. Als „Klinikstudenten“ erhalten sie eine monatliche finanzielle Unterstützung. Im Gegenzug verpflichten sie sich, ihre Praktika größtenteils in einem der Häuser des Klinikums zu absolvieren sowie mindestens drei Jahre ihrer Assistenzarztzeit am Klinikum Altmühlfranken zu verbringen.

Bildergalerie – Wie Sport und Medizin aufeinandertreffen

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Chirurgie erleben und sich im Sägen, Schrauben, Zusammenflicken ausprobieren – das konnten die Studenten in der „Gelenkreparaturwerkstatt“.

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Feingefühl gefragt: Oberärztin Dr. Christine Gentsch lässt die Studentin (l.) Fruchtgummi laparoskopisch zerteilen.

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Organe suchen und erkennen, heißt es im Sonografie-Kurs im Klinikum Altmühlfranken mit Dr. Silvester Sedlmeier.

© Margarethe Urbanek

Die Ferienakademie lockte 13 junge Studierende aus ganz Deutschland in die Regio...
Die Ferienakademie lockte 13 junge Studierende aus ganz Deutschland in die Region Altmühlfranken. Mit im Bild das ärztliche Organisationsteam gemeinsam mit der Projektverantwortlichen Theresa Hausen (2. Reihe, 2. v.l.).

© Margarethe Urbanek

Auch die 13 Teilnehmer der diesjährigen Medizinischen Ferienakademie scheinen dem gegenwärtigen Trend der „Landflucht“ nicht folgen zu wollen. In der Vorstellungsrunde wird deutlich: Die meisten träumen derzeit von einer beruflichen Zukunft auf dem Land. Dass sie dort nicht nur als Mediziner gebraucht, sondern auch als Gesprächspartner, Seelsorger und Unterhalter gefragt sind, wird im Workshop „Landpartie“ deutlich.

Ortsansässige Mediziner nehmen sie mit auf Hausbesuche. So können sie erleben, was medizinische Versorgung auf dem Land ausmacht, hören den Geschichten der Patienten zu, erleben ihre Dankbarkeit und nutzen die Autofahrten um über Krankheitsbilder und Medikationspläne zu diskutieren.

Als „beeindruckend“ und „spannend“ bewerten die Teilnehmer nicht nur die „Landpartie“, sondern auch die Ferienakademie im Ganzen, loben in der abschließenden Evaluationsrunde das „außergewöhnliche Engagement“ der Organisatoren und Workshopleiter, die neben ihrem Berufsalltag Zeit für die Studierenden hatten. Engagement, das sich gelohnt hat: Teilnehmerin Nora Noll, aufgewachsen in Berlin und zum Studium in Hamburg, schätzt die Chance „zum ersten Mal das Landleben kennenzulernen“ und kann sich gut vorstellen als Allgemeinmedizinern auf dem Land zu arbeiten; Johanna Schlei, aufgewachsen in der Region Altmühlfranken, hat dank der Ferienakademie ihre Heimat mit anderen Augen kennengelernt.

Und auch Lena Oberhauser, Universität Marburg, bedankt sich bei den Organisatoren für „medizinische Einblicke in meine Heimat.“

Erfolgs-Rezept Praxis-Preis

  • Initiatoren sind Apontis Pharma und Springer Medizin.
  • Bewerben können sich Ärzte und Praxisteams mit innovativen Ideen.
  • Bewerbungsschluss ist am 30. November.

Informationen zur Bewerbung finden Sie unter: www.aerztezeitung.de/erfolgsrezept

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