Interview mit Roche-Vorstand Professor Hagen Pfundner

„Forschung fördern, Daten intelligent nutzen!“

Professor Hagen Pfundner fordert bessere Rahmenbedingungen, um Fortschritte aus der Forschung schneller in die Praxis zu bringen.

Von Günter Löffelmann Veröffentlicht:

Ärzte Zeitung: Bei manchen Krebsentitäten hat sich die Prognose bereits erheblich verbessert, bei anderen nicht. Wie hoch ist der medizinische Bedarf in der Onkologie?

Roche-Vorstand Professor Hagen Pfundner.

Roche-Vorstand Professor Hagen Pfundner.

© Roche

Professor Hagen Pfundner: Der medizinische Bedarf in der Onkologie ist nach wie vor hoch – trotz der gewaltigen Fortschritte, die zum Beispiel in der Behandlung von Brust-, Darm-, Prostata- und Hautkrebs erzielt wurden. Hier ist die Sterblichkeit seit Jahren rückläufig. Prävention und Früherkennung sowie das Zusammenwirken von Diagnostik, Arzneimitteln und ärztlicher Behandlung haben dazu beigetragen.

Dennoch stirbt in Deutschland noch immer jeder Vierte an Krebs. Das liegt vor allem daran, dass Krebserkrankungen nach wie vor zu spät erkannt werden; und an Krebsarten, für die es noch keine wirklich kompetenten Behandlungsstrategien gibt, die zur Heilung oder zumindest zum Stillstand des Tumorwachstums führen, beispielsweise Bauchspeicheldrüsenkrebs oder Hirntumoren. Wir sind auf einem guten Weg – aber noch lange nicht am Ziel.

In welchen Bereichen dürfen Patienten in nächster Zeit Verbesserungen erwarten?

Pfundner: Hier steht die Krebsimmuntherapie in Kombination mit zielgerichteten Arzneimitteln im Zentrum der Aufmerksamkeit. Das wachsende Verständnis über die molekularen Grundlagen von Krebs, wie er entsteht und wie man ihn bekämpfen kann, erlaubt uns darüber hinaus die Entwicklung von Gen- und Zelltherapien sowie Arzneimitteln, die sich immer präziser gegen die molekularen Zielstrukturen richten.

Aber der Fortschritt in der Forschung ist nur die halbe Miete. Wenn wir jetzt noch die Daten aus der klinischen Versorgung mit den Daten aus klinischen Studien, der Bildgebung und Molekulardiagnostik intelligent in Beziehung setzen, dann werden wir ein Wissen generieren, das unweigerlich das Outcome für Patientinnen und Patienten weiter verbessern wird.

Wir müssen nun die Rahmenbedingungen schaffen, damit diese Erkenntnisse gewonnen werden können und so schnell wie möglich bei den Patientinnen und Patienten ankommen. Beispielsweise, indem wir umfassende Molekulardiagnostik als Voraussetzung der Präzisionsmedizin in der Onkologie flächendeckend in der Routineversorgung verankern.

Was muss sich noch ändern, damit die Fortschritte schnellstmöglich in der Praxis ankommen?

Pfundner: Vor allem müssen wir Krebs endlich als das akzeptieren, was er ist – eine gesellschaftliche Herausforderung. Und wir müssen uns der Frage stellen: Wieviel Anstrengungen sind wir bereit, in den Kampf gegen den Krebs zu investieren?

Mit der „Nationalen Dekade gegen Krebs“ der Bundesregierung ist hier ein Anfang gemacht. Jetzt muss ’Butter bei die Fische’. Wir müssen vertraute Mechanismen in Forschung, Erstattung und Behandlung hinterfragen und den Möglichkeiten des technologischen Fortschritts anpassen. Denn was nutzt es, wenn die Innovationsgeschwindigkeit der heutigen Krebsforschung von regulatorischen Gegebenheiten der Vergangenheit ausgebremst wird? Hier brauchen wir neue Lösungen, die jenseits von Partikularinteressen den gesellschaftlichen Nutzen von Innovationen in den Mittelpunkt rücken.

Wie wichtig ist die Digitalisierung für Fortschritte in der Onkologie?

Pfundner: Die Bedeutung der Digitalisierung für die Onkologie – und den medizinischen Fortschritt insgesamt – ist enorm. Sie bietet die einmalige Chance, die onkologische Präzisionsmedizin aus den Spitzenzentren in die Fläche und damit in die Breitenversorgung zu tragen. Wenn uns dies gelingt, können wir Spitzenmedizin ALLEN betroffenen Patienten – egal wo sie zuhause sind – zukommen lassen.

Dafür müssen wir im wahrsten Sinne des Wortes die Vernetzung fördern und auch industrielles Know-how zulassen, um Forschungs- und Versorgungsstrukturen entsprechend anzupassen. Hier sind Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft gefordert.

Professor Hagen Pfundner, Vorstand der Roche Pharma AG, war von 2011 bis 2017 Vorsitzender des Verbandes der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa).

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