Projekt „Landarztmacher“

Junge Mediziner entdecken Landarztleben

Seit 2015 können Medizinstudenten im bayerischen Wald das Landarztleben hautnah erleben. Möglich machen es die „Exzellenten Sommer“, die Hausarzt Dr. Wolfgang Blank und Kollegen organisieren. 200 Studenten haben bereits teilgenommen. Der nächste „Exzellente Sommer“ steht schon in den Startlöchern.

Von Taina Ebert-Rall Veröffentlicht:
Die Medizinstudenten sollen in ihrer Praktikumszeit möglichst selbstständig Patienten betreuen.

Die Medizinstudenten sollen in ihrer Praktikumszeit möglichst selbstständig Patienten betreuen.

© Peter Endig / ZB / picture alliance

Anfang August ist es wieder so weit. Mit einer großen Eröffnungsfeier beginnt dann für 30 junge Frauen und Männer ein sogenannter Exzellenter Sommer, mit dem die „Landarztmacher“ angehende Ärzte für die Arbeit in Praxen und Krankenhäusern auf dem Land begeistern wollen. Unterstützt wird das von Dr. Wolfgang Blank und Kollegen im bayerischen Wald initiierte Projekt von der AOK Bayern sowie von Gemeinden und Wirtschaftsbetrieben in der Region.

23 Praxen beteiligen sich in diesem Jahr. Neben allgemeinmedizinischen Praxen sind das auch Kinderärzte, Chirurgen, Anästhesisten und Urologen. „Wir suchen die Praxen ganz gezielt aus, weil wir die Studierenden individuell betreuen und versuchen, auf ihre Interessen und Facharztwünsche einzugehen“, erläutert Projektmanagerin Mandy Kölbl, die das Projekt organisiert. Schließlich sollen die jungen Frauen und Männer den Landärzten nicht nur über die Schulter blicken, sondern aktiv und weitgehend selbstständig mit Patienten arbeiten und Verantwortung übernehmen.

Das sieht, so Kölbl, dann so aus: „Der angehende Arzt führt das Patientengespräch, untersucht selbstständig und überlegt sich eine Therapieempfehlung. Erst dann kommt der verantwortliche Praxisinhaber oder Krankenhausarzt ins Untersuchungszimmer, lässt sich den Fall vorstellen und bespricht mit dem jungen Mediziner und dem Patienten die Therapie. Natürlich werden die Patienten vorher gefragt, ob sie damit einverstanden sind.“

Auch Leitlinienarbeit gehört dazu

In Teachings und Workshops wie beispielsweise Nahtkursen oder Kursen zu Sonografie oder EKG werden die Teilnehmer nachmittags in verschiedenen Fertigkeiten fit gemacht. Sie lernen zudem den Umgang mit depressiven oder alten Patienten, erfahren Wichtiges zur Behandlung von Diabetikern oder zur Behandlung von Patienten mit Kreuzschmerzen. „Wir laden auch schon mal einen Kindergarten ein, dann lernen unsere Teilnehmer, einfühlsam mit Kindern umzugehen“, so Kölbl. Abgerundet wird das Angebot durch die Leitlinienarbeit. „Darauf legen wir hier großen Wert.“

44 Praxen machen mit

Seit 2015 locken die Initiatoren der „Landarztmacher“ angehende Ärzte mit diesem ganz speziellen Projekt – bestehend aus den vier Bausteinen „Arbeit in Praxis und Klinik“, „Teachings“, „Freizeit“ und „Leben in der Gruppe“ – ins Arberland. Der Erfolg gibt ihnen recht. Bisher haben sich schon 34 Hausarztpraxen und zehn Facharztpraxen an dem Projekt beteiligt, mehr als 200 angehende Mediziner haben am Programm teilgenommen.

„Angefangen haben wir im ersten Jahr mit acht Teilnehmenden im exzellenten Winter und 14 Teilnehmenden im exzellenten Sommer 2015. Inzwischen sind wir bis Sommer 2020 ausgebucht, zehn Interessenten stehen schon auf der Warteliste“, freut sich Kölbl.

Die Interessenten kommen aus ganz Deutschland und sogar aus den Niederlanden und aus Österreich in den bayerischen Wald. Zum hohen Aufmerksamkeitsgrad tragen vor allem hervorragende Bewertungen in Famulaturrankings und anderen Bewertungsportalen bei, aber auch Mundpropaganda. Auch über die Internetseite www.landarztmacher.de finden Studierende den Weg zur Initiative.

Kölbl: „Wir holen die Studierenden von Anfang an ab“, also zum Beispiel mit einem Pflegepraktikum zu Beginn des Studiums. Einige der Teilnehmer sind zum wiederholten Mal dabei. Ziel ist es natürlich, dass sie den Praxen oder den Kliniken auf dem Land erhalten bleiben.“ Und das gelingt.

„Zum Beispiel sind 30 Prozent der Teilnehmenden aus vorangegangenen Projekten noch einmal gekommen. Allein in unserer Praxis geben 64 Prozent der Wiederholungstäter jetzt ihr Wissen als Tutoren weiter.“

An der Uni ist dafür keine Zeit

Ausgangspunkt für das Programm war die Überzeugung Blanks und seiner Kollegen, dass die meisten jungen Ärzte grundsätzlich die Arbeit auf dem Land zwar schätzen, aber zu viele Hindernisse auf dem Weg dorthin erleben. In der Eins-zu-Eins-Betreuung im Rahmen des Programms bieten die beteiligten Ärzte den Studierenden Ausbildungsinhalte, die im regulären Studium beziehungsweise in der routinemäßigen Weiterbildung nicht angeboten werden können und vermitteln gleichzeitig die Freude an dieser ärztlichen Arbeit.

Durch die Anwendung des an der Universität erlernten Wissens und Könnens am konkreten Patientenfall lernen Studierende, die eher wichtigen von den eher unwichtigen Inhalten zu unterscheiden. Die Motivation steigt, die eher wichtigen Inhalte sicher zu beherrschen, um kompetent als Ärztin und Arzt handeln zu können.

Neben der vierwöchigen Intensiv-Famulatur bietet die Arbeit in der Praxis und in Kliniken auf dem Land auch Einblicke in den Alltag von Landärzten; die jungen Frauen und Männer erleben, wie die Arbeit als Arzt oder Ärztin mit dem Familienleben vereinbart werden kann, welche kulturellen und sportlichen Angebote und Möglichkeiten es in der Region gibt.

Deshalb gehörten im Sommer zum Beispiel Mountainbiketouren oder Klettern, im Winter Tourenski oder Eisstockschießen mit zum Programm. Auch an die Partner angehender Landärzte ist gedacht: Wirtschaftsunternehmen der Region unterstützen das Projekt finanziell. Sie werden so auch als potenzielle Arbeitgeber wahrgenommen.

Finanzielle Unterstützung

Mit ihrem Engagement haben die Landarztmacher auch die AOK Bayern überzeugt; diese unterstützt das Projekt seit Anfang 2017 mit insgesamt rund 50.000 Euro jährlich. 850 Euro beträgt somit die finanzielle Förderung für jeden teilnehmenden Medizinstudierenden pauschal für Unterkunft, Fahrkosten, Kurs- und Seminargebühren, Aufwandsersatz für die teilnehmenden Ärzte, Koordination, Organisation und Evaluation. „Das ist gezielte Strukturförderung im ländlichen Raum“, erläutert die Leiterin des Geschäftsbereichs ambulante Versorgung, Sabine Steinlechner. Das Projekt gehört auch zur Anfang 2019 gestarteten AOK-Initiative „Stadt. Land. Gesund“.

„Viele Projekte beschäftigen sich damit, junge Ärzte auf´s Land zu locken, dieses Projekt hebt sich positiv von den meisten ab“, so Steinlechner weiter. Darauf lasse auch die derzeit laufende Evaluation schließen. Die Fragebögen dazu umfassen neben Angaben zur fachlichen Selbsteinschätzung der Teilnehmenden auch Fragen zu den Tätigkeiten von Allgemeinärzten, zur Attraktivität des ländlichen Raums und zu Möglichkeiten der Freizeitgestaltung

Der bisher geltende Vertrag zwischen den Landarztmachern und der AOK Bayern läuft noch bis Ende des Jahres 2019. Steinlechner: „Der Vertrag kann verlängert werden, wir würden das Modell gerne auf einen benachbarten Landkreis an der Grenze zu Tschechien ausweiten. Das wäre auch eine gute Investition in die Zukunft.“

Weitere Infos unter: www.landarztmacher.de

Das Projekt

  • Die Landarztmacher, das sind die vier Ärzte Dr. Martin Kammerl, Dr. Jana Riedl, Dr. Wolfgang Blank und Dr. Martin Müller aus Bayern, die für den Traumberuf Landarzt werben.
  • Seit 2014/15 laufen die von ihnen initiierten Programme Exzellenter Winter und Exzellenter Sommer, in denen Studenten das Landarztleben in Praxen im bayerischen Wald erproben können.
  • Die Studenten bekommen Ausbildungsinhalte vermittelt, die im regulären Studium bzw. in der routinemäßigen Weiterbildung nicht angeboten werden (können), aber für den Arztalltag wichtig sind.
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