Schwerer Rückenschmerz oft neuropathisch

Experten raten bei chronischen Schmerzen zunehmend zu einer Therapie, die sich in erster Linie an den Schmerz auslösenden Mechanismen orientiert.

Von Martin Wiehl Veröffentlicht:
Arbeiten am Computer, bis der Rücken schmerzt..

Arbeiten am Computer, bis der Rücken schmerzt..

© Starpics / fotolia.com

AACHEN. Jeder vierte bis fünfte Europäer hat chronische Schmerzen am Bewegungsapparat. Trotz vielerlei Behandlungsmöglichkeiten ist die Versorgung dieser Patienten noch lange nicht zufriedenstellend. Das kritisiert Professor Bart Morlion von der Uniklinik Leuven in Belgien. Denn jeder zweite Betroffene werde nicht adäquat von seinen Schmerzen befreit. "Akute Schmerzen stellen das sensitivste Warnsystem des menschlichen Organismus dar", erinnerte Morlion. "Menschen mit einem genetischen Defekt, bei denen die Schmerzwahrnehmung ausfällt, haben nur eine kurze Lebenserwartung von 18 bis 20 Jahren."

Dagegen hat der chronische Schmerz seine schützende Warnfunktion verloren, indem er unabhängig von der zugrunde liegenden Noxe weiterbesteht. Als eigenständiges Krankheitsbild sei er somit eine besondere therapeutische Herausforderung, betonte der Anästhesiologe bei einer Veranstaltung von Grünenthal in Aachen. Vor diesem Hintergrund hält Morlion eine Schmerztherapie, die sich lediglich an der Schmerzstärke orientiert, wie dies der WHO-Stufenplan noch vorsieht, für überkommen und unzureichend. So gebe es nicht einmal eine einheitliche Definition für schwere chronische Schmerzen. Anhand der Numerischen Schmerzskala (NRS, von 0 bis 10) stuften Behandler die Schwelle zum schweren chronischen Schmerz überwiegend in der großen Bandbreite zwischen vier und acht Punkten ein. Bekannte Folge der unzureichenden Strategie: Mangelnde Effektivität der medikamentösen Schmerztherapie führt zur Dosiseskalation oder zu vermeintlich Erfolg versprechenden Kombinationen. Die dabei häufig vermehrten unerwünschten Arzneimittelwirkungen machen alsbald eine Dosisreduktion erforderlich, die eine suboptimale Analgesie bewirkt.

Morlion plädiert deswegen für eine Therapie, die sich in erster Linie an den Schmerz auslösenden Mechanismen orientiert. Dabei sollten auch Mischformen aus nozizeptivem und neuropathischem Schmerz in Erwägung gezogen werden. Häufig stelle sich nämlich heraus, dass eine neuropathische Schmerzkomponente wesentlich zur Chronifizierung beiträgt.

Ergebnissen einer neuen Untersuchung zufolge scheinen chronische Rückenschmerzen auch eine neuropathische Schmerzkomponente zu haben. Dabei korrelierte das Ausmaß der Beschwerden mit der Zuordnung zu einer neuropathischen Komponente. Diese seien bei jedem zweiten Patienten mit schweren chronischen Kreuzschmerzen als der Hauptauslöser der Beschwerden identifiziert worden, so Morlion.

Mehr zum Thema

„Mehr Ernsthaftigkeit“ nötig

Drogenbeauftragter für härteren Kurs gegen das Rauchen

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Weniger Rezidive

Hustenstiller lindert Agitation bei Alzheimer

Lesetipps
Ulrike Elsner

© Rolf Schulten

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“

KBV-Chef Dr. Andreas Gassen forderte am Mittwoch beim Gesundheitskongress des Westens unter anderem, die dringend notwendige Entbudgetierung der niedergelassenen Haus- und Fachärzte müsse von einer „intelligenten“ Gebührenordnung flankiert werden.

© WISO/Schmidt-Dominé

Gesundheitskongress des Westens

KBV-Chef Gassen fordert: Vergütungsreform muss die Patienten einbeziehen