Arznei-Umstellung kann Bauchschmerz beseitigen

GENF (nsi). Patienten mit terminalem Nierenversagen geht es nicht ums Überleben um jeden Preis. Sie würden einer aktuellen Studie zu Folge die Hälfte ihrer noch verbleibenden Lebenszeit eintauschen für eine gute Lebensqualität.

Veröffentlicht:

"Unsere Aufgabe als Ärzte ist es natürlich, sowohl die Lebensqualität, als auch Langzeit-Funktionsraten der verpflanzten Organe zu verbessern." Das sagte Professor Paul A. Keown von der University of British Columbia in Vancouver beim diesjährigen Kongreß der European Society of Organ Transplantation (ESOT) in Genf.

Reagierten Organempfänger auf eine Mycophenolatmofetil (MMF)-haltige Abstoßungsprophylaxe mit subjektiv belastenden, gastrointestinalen Beschwerden, sollten sie auf magensaftresistente Mycophenolsäure (MPA-)haltige Filmtabletten umgestellt werden, hieß es auf der Veranstaltung. Bei zwei Dritteln gehen die Magen-Darmbeschwerden nach der Umstellung deutlich zurück, die Lebensqualität steigt.

Unerwünschte Wirkungen schränken Alltagstätigkeiten ein

Dies belegen Zwischenergebnisse der jetzt erstmals auf einer von Novartis unterstützten Veranstaltung in Genf vorgestellten PROGIS-Studie. Professor Shamkant Mulgaonkar aus Livingston in New Jersey, einer der Studienleiter: "MMF-assoziierte, gastrointestinale Beschwerden sind schwere Durchfälle, Schmerzen im Abdomen, Reflux, Erbrechen und Verdauungsstörungen. Betroffene sind zwar von der Dialyse unabhängig, fühlen sich aber durch solche Symptome erheblich in ihren Alltagstätigkeiten eingeschränkt."

Untersucht wird in der PROGIS-Studie, ob die Umstellung von einer MMF-haltigen Kombinationstherapie bei Nieren-Empfängern mit gastrointestinalen Symptomen auf die magensaftresistente Formulierung von MPA (EC-MPA, Myfortic®) die Beschwerden lindert und ob die Patienten sich danach subjektiv besser fühlen.

Kontrollgruppe sind Organempfänger mit MMF-basierter Abstoßungsprophylaxe ohne erhebliche gastrointestinale Beschwerden. Alle Teilnehmer haben zum Zeitpunkt Null, also während der MMF-Therapie, Fragebögen zu gastrointestinalen Symptomen, zur Bedeutung dieser Symptome für ihren Alltag und zum allgemeinen psychischen Wohlbefinden ausgefüllt.

Bei erheblichen, vermutlich MMF-assoziierten Beschwerden werden sie von MMF auf äquimolare Dosen von EC-MPA umgestellt, andernfalls bleiben sie bei MMF. Vier bis sechs Wochen nach der ersten Erhebung füllen die Probanden die Fragebögen erneut aus.

"Die Studie belegt, daß Transplantatempfänger bei einer Behandlung mit MMF dann eine geringere Lebensqualität haben, wenn deutliche gastrointestinale Symptome bei ihnen auftreten", sagte Mulgaonkar. "Werden diese Patienten auf EC-MPA umgestellt, bessert sich ihr Zustand in allen von den Fragebögen abgedeckten Bereichen signifikant", so der Forscher.

Dies sei rückwirkend auch ein Beleg dafür, daß MMF bei einem Teil der Probanden gastrointestinale Beschwerden verursacht. Mulgaonkar schätzt diesen Anteil auf 30 bis 40 Prozent derer, die MMF einnehmen.



STICHWORT

PROGIS

PROGIS steht für "Patient Reported Outcomes in Renal Transplant Patient with or without Gastro-Intestinal Symptoms". Es ist eine internationale, multizentrische, offene Längsschnittstudie. 185 Teilnehmer mit deutlichen, vermutlich MMF-assoziierten Magen-Darm-Beschwerden wurden deshalb auf EC-MPA umgestellt, 102 Probanden, ebenfalls mit einer MMF-haltigen Abstoßungsprophylaxe, aber ohne erhebliche Magen-Darm-Probleme, blieben bei der Therapie und bildeten die Kontrollgruppe. Etwa jeder zehnte Studienteilnehmer erhielt MMF als Monotherapie, die übrigen nahmen zusätzlich zu MMF Calcineurin- oder mTOR-Hemmer ein und neun von zehn Patienten außerdem Steroide. In die Interimsanalyse sind Daten von insgesamt 127 Patienten (beide Gruppen) eingegangen.

In der Gastrointestinal Symptoms Rating Scale bewerten die Patienten 15 Parameter wie Diarrhöe, Bauchschmerzen und Reflux in einer Skala von eins (keine Beschwerden) bis sieben (starke Beschwerden). Beim Gatrointestinal Quality of Life Index antworten die Teilnehmer auf 36 Fragen zu Symptomen, emotionaler Befindlichkeit, physischer und sozialer Funktion und Zufriedenheit mit der medizinischen Betreuung. Schlecht geht es den Probanden beim Wert null für die einzelnen Parameter, gut geht es ihnen beim Wert vier. Im Psychological General Well-Being Index schätzen die Probanden ihre allgemeine emotionale Befindlichkeit ein: Die Skala pro Parameter reicht von null (ganz schlecht) bis 100 (sehr gut). Gefragt wird nach Vitalität, Ängstlichkeit, Depressivität, Selbstkontrolle, Wohlgefühl und gesundheitlichem Allgemeinzustand. (nsi)

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

„ÄrzteTag“-Podcast

Was steckt hinter dem Alice-im-Wunderland-Syndrom, Dr. Jürgens?

Stabile Erkrankung über sechs Monate

Erste Erfolge mit CAR-T-Zelltherapien gegen Glioblastom

Lesetipps
Die Empfehlungen zur Erstlinientherapie eines Pankreaskarzinoms wurden um den Wirkstoff NALIRIFOX erweitert.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert

Gefangen in der Gedankenspirale: Personen mit Depressionen und übertriebenen Ängsten profitieren von Entropie-steigernden Wirkstoffen wie Psychedelika.

© Jacqueline Weber / stock.adobe.com

Jahrestagung Amerikanische Neurologen

Eine Frage der Entropie: Wie Psychedelika bei Depressionen wirken