Zahl getöteter Babys trotz Babyklappen hoch

LEIPZIG (dür). Mit sogenannten Babyklappen und den Angeboten zur anonymen Geburt konnte die Anzahl ausgesetzter oder getöteter Kinder nach der Geburt nicht verringert werden. "Die Zielgruppe wird in keiner Weise erreicht", bilanzierte die Bonner Professorin für gynäkologische Psychosomatik, Anke Rohde, kürzlich in Leipzig.

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In den vergangenen Jahren sind in Deutschland zwischen 60 und 70 Babyklappen installiert worden. Offizielle Statistiken würden zwar nicht erstellt, doch würden jährlich nach wie vor 20 bis 40 Fälle getöteter oder ausgesetzter Kinder bekannt, sagte Rohde auf der 34. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Leipzig.

Für die Tötung von Kindern nach der Geburt gebe es viele mögliche Gründe. "Leidet die Mutter zum Beispiel an einer Psychose oder einer schweren Depression, kann die Tötung des eigenen Kindes auf Geheiß befehlender Stimmen geschehen oder wird als Möglichkeit gesehen, den unerträglichen Qualen des Lebens ein Ende zu setzen", führte Rohde aus.

Eine Kindstötung könne auch in der Situation einer akuten Überforderung in Form einer Kurzschlußhandlung erfolgen oder als Folge von schwerer Kindesmißhandlung. Dem sogenannten Neonatizid, also der Tötung eines Neugeborenen direkt nach der Entbindung, gehe eine mehr oder weniger bewußte Verleugnung der Schwangerschaft voraus, so Rohde. "Diese Frauen nehmen die Veränderungen ihres Körpers nicht wahr oder ‚vergessen‘ die Schwangerschaft aus Scham bis zur Entbindung und geraten dann in Panik, töten ihr Kind, oftmals unabsichtlich", erläuterte die Gynäkologin.

In der Funktion als forensisch-psychiatrische Gutachterin habe sie selbst Frauen gefragt, ob eine Babyklappe oder anonyme Geburt ihr Problem nicht hätte lösen können. Typisch sei die Antwort einer jungen Frau: "Wie hätte ich ins Krankenhaus gehen können, ich war ja nicht schwanger."

Da Babyklappen andererseits auch für die anonym abgelegten Kinder große Probleme schaffen oder mißbräuchlich von Vätern genutzt werden, die den Prozeß einer legalen Adoption nicht durchlaufen wollen, plädiert die Gynäkologin dafür, Babyklappen und anonyme Geburten wieder abzuschaffen. Stattdessen, so empfahl Professor Anke Rohde auf der Jahrestagung in Leipzig, sollten die vorhandenen Hilfsmöglichkeiten ausgebaut und die Informationen darüber besser bekannt gemacht werden.

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