Endometriose geht nicht nur Gynäkologen etwas an

BERLIN (gvg). Eine Endometriose ist nicht immer ein rein gynäkologisches Problem. Sie kann auch auf den Darm und die Blase übergreifen. Selbst im Retroperitoneum in der Nähe des Harnleiters können sich Herde ansiedeln und einen Harnstau in den Nieren verursachen. Deshalb sollten bei rezidivierenden Unterleibsbeschwerden die Nieren sonographisch untersucht werden, raten Gynäkologen.

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"Zwischen den ersten Beschwerden, die häufig schon im Jugendalter auftreten, und der Diagnose vergehen im Mittel neun Jahre", sagte Privatdozentin Dr. Daniela Hornung von der Frauenklinik der Universität Lübeck beim Gynäkologen-Kongreß in Berlin. Typisch für die Endometriose sind starke Schmerzen vor und während der Menstruation.

Häufig sind auch chronische Unterleibsschmerzen und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Außerdem können Darmbeschwerden, etwa Schmerzen beim Stuhlgang, auf eine Endometriose hinweisen. Dasselbe gelte für ungewollte Kinderlosigkeit, wie Hornung berichtet hat.

Laparoskopisch entnommene Proben sichern die Diagnose

Gesichert wird die Diagnose histologisch: Per Laparoskopie werden extrauterin im kleinen Becken verstreute Endometriumherde entnommen. "Viele Kollegen schrecken jedoch davor zurück, bereits jungen Mädchen diesen Eingriff zu empfehlen", berichtete Professor Lieselotte Mettler aus Kiel. Oft hielten auch die Patientinnen selbst ihre Beschwerden für banale Regelschmerzen.

Entscheidend sei, sich bei der Diagnostik nicht auf die Laparoskopie alleine zu verlassen. "Damit wird das wirkliche Ausmaß oft nicht erkannt". so Professor Jörg Keckstein vom Landeskrankenhaus Villach in Österreich. Mit einer bimanuellen rektovaginalen Untersuchung ließen sich auch jene schmerzhaften Knoten ertasten, die laparoskopisch nicht auffallen, weil sie zu tief liegen.

Nierenstau durch versprengtes Endometrium am Harnleiter

    Bei ausgedehnten Endometriumherden ist die primäre Operation die beste Therapie.
   

Ein besonderes Risiko sind Endometriumherde, die im Retroperitoneum in der Nähe des Harnleiters liegen. Denn sie können einen Harnstau verursachen: "Wir hatten allein im letzten Jahr fünf Frauen, bei denen wegen eines nicht erkannten Harnstaus eine Nephrektomie erforderlich war", berichtete Keckstein. Daher rät er, bei rezidivierenden Unterleibsbeschwerden die Nieren regelmäßig sonographisch zu untersuchen.

Die medikamentöse Behandlung bei Endometriose reicht von Schmerzmitteln wie nicht-steroidalen Antiphlogistika über Spasmolytika bis hin zu hormonellen Therapien. "Am häufigsten angewendet werden gestagenbetonte Kontrazeptiva", sagte Professor Hans-Rudolf Tinneberg, Direktor der Frauenklinik der Universität Gießen. Wichtig sei, ein Präparat zu verordnen, das die Patientinnen kontinuierlich, also ohne zyklusbedingte Unterbrechungen nehmen können.

"Damit werden die Beschwerden, die meist vor Beginn der Menstruation und in den ersten Tagen danach besonders stark sind, am effektivsten gelindert", so Tinneberg. Das Ausschalten der Regelblutung wirke der Aktivität der Endometriumherde entgegen. Ähnlich gute Erfahrungen gebe es mit einer gestagenhaltigen Spirale, so Tinneberg. Der Nachteil der Kontrazeptiva: Sie können nicht verordnet werden, wenn die Frauen noch Kinder bekommen möchten. Auch ändern sie nichts an der Unfruchtbarkeit, die oft mit einer Endometriose assoziiert ist.

"Vor allem bei ausgedehnten Herden ist die primäre Operation der konservativen Therapie überlegen", sagte Keckstein. Viele Eingriffe können laparoskopisch erfolgen. Gelegentlich sind offene Radikaloperationen unumgänglich, wenn sich Herde tief bis in den Raum zwischen Rektum und Vagina ausgebreitet haben. Bei manchen Patientinnen sind sogar Darm oder Blase befallen, so daß auch Teile dieser Organe operativ entfernt werden müssen.

Nur die Operation erhöht Studien zufolge die Fertilität, wie Keckstein sagte. Selbst Frauen mit massiver Endometriose, die schon alles andere versucht hätten, würden häufig nach einem operativen Eingriff doch noch das gewünschte Kind bekommen. Wichtig sei jedoch, auch kleinste Herde zu erkennen und kein Endometriumgewebe zu übersehen. So können um Rezidive und erneute Operationen vermieden werden.



STICHWORT

Endometriose

Definition: Das Vorkommen endometriumähnlichen Gewebes außerhalb der Uterushöhle. Dieses Gewebe ist ähnlichen zyklischen Veränderungen unterworfen wie das physiologische Endometrium.

Ätiologie: Bisher nicht genau geklärt. Diskutiert wird etwa die Verschleppung und die Implantation von menstruell abgestoßenem Endometrium.

Epidemiologie: Sieben bis 15 Prozent aller Frauen erkranken. Die Endometriose wird in der Pubertät manifest und bildet sich nach der Menopause meist zurück. Zwei bis sechs Millionen Frauen sind in Deutschland erkrankt. Mehr als 30 000 Frauen erkranken pro Jahr neu an Endometriose. (gvg)

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