Fürs Beckenbodentraining nur zu spezialisierter Physiotherapeutin
DÜSSELDORF (ars). Mit Beckenbodentraining, vor allem in Kombination mit einer medikamentösen Therapie, bessert sich die Belastungsinkontinenz deutlich. Wichtig ist allerdings, die Patientinnen zu einer Physiotherapeutin zu überweisen, die eine Fortbildung für diese Übungen gemacht hat.
Veröffentlicht:"Suchen Sie sich für die Physiotherapie eine Partnerin!" So lautet der Appell von Dr. Rainer Lange aus Alzey an die Kollegen. Das Ergebnis im Vergleich zu einer Krankengymnastin, die solche speziellen Techniken nicht beherrscht, sei "ein Unterschied wie Tag und Nacht", so der Urogynäkologe beim Fortbildungskongress der Frauenärztlichen BundesAkademie in Düsseldorf.
Viele Frauen haben Inkontinenz
In epidemiologischen Studien gibt ungefähr ein Drittel der befragten Teilnehmerinnen über 35 Jahre Symptome einer Harninkontinenz an. Bei 13 Prozent sind die Beschwerden so gravierend, dass die Frauen eine Therapie wünschen, wie Lange auf einer Veranstaltung des Unternehmens Lilly berichtet hat. Belastungsinkontinenz ist dabei am häufigsten: Acht von zehn Frauen leiden daran.
Die Patientinnen erhalten zunächst zwei Rezepte
Das erste Medikament speziell zur Behandlung bei dieser Form der Inkontinenz ist Duloxetin (Yentreve®). Der Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer ist für Frauen mit mittelschwerer bis schwerer Belastungsinkontinenz zugelassen. Lange empfahl, jeder Patientin mit dieser Indikation zunächst zwei Rezepte auszustellen: eins für Duloxetin und eins für Beckenbodentraining. Studien zufolge verringert sich durch die kombinierte Behandlung die Häufigkeit der Inkontinenzepisoden um 76 Prozent. Mit Duloxetin allein betrug die Rate 61 Prozent, mit Beckenbodenschule allein 47 Prozent und mit Placebo 43 Prozent, erinnerte der Kollege.
Patientinnen mit einem Engwinkelglaukom überweist Lange vor der Verordnung von Duloxetin zum Augenarzt. Der klärt ab, ob eventuell eine Kontraindikation besteht, denn die Substanz kann - selten - ein Glaukom verstärken. Wurde der Augeninnendruck aber gut eingestellt, ist gegen eine Therapie meist nichts einzuwenden.
Eine einschleichende Dosierung dämpft unerwünschte Effekte
Die empfohlene Dosis beträgt zweimal 40 mg täglich. Für die ersten zwei Wochen allerdings hat sich eine Dosierung von zweimal täglich 20 mg bewährt. Dadurch lässt sich die Übelkeit zurückdrängen, die zu Therapiebeginn vorübergehend auftreten kann. Wird die Dosis anschließend erhöht, ist diese unerwünschte Wirkung kaum mehr zu befürchten.
Lange verordnet das Medikament erst einmal für ein halbes bis ein dreiviertel Jahr, danach macht er einen Auslassversuch. "Etwa die Hälfte der Patientinnen kommt wegen eines Rezidivs wieder in die Praxis", ist seine Erfahrung.
Bei einem Auslassversuch sind die Reaktionen unterschiedlich
Bei manchen Patientinnen sei die Inkontinenz langfristig behoben, bei anderen kehre sie erst nach einiger Zeit zurück, bei wieder anderen sofort. Die langfristige Wirkung von Duloxetin erklärt man sich damit, dass der Sphinkter dauerhaft gekräftigt wird.
Duloxetin stärkt den Sphinkter oft dauerhaft
Die Arznei hemmt im sakralen Rückenmark etwa gleich stark die Wiederaufnahme der beiden Neurotransmitter Serotonin und Noradrenalin. Folglich wird die Aktivität des Nervus pudendus gefördert. Dadurch bessert sich die Kontraktilität des äußeren Harnröhrenschließmuskels, ohne dass sich dessen Ruhetonus erhöht. Druckänderungen im Bauch durch Niesen, Lachen, Springen werden dann besser kompensiert.
Weitere Informationen sind erhältlich bei: Deutscher Verband für Physiotherapie - Zentralverband der Physiotherapeuten/ Krankengymnasten (ZVK).
Postfach 21 02 80, 50528 Köln, Tel.: 02 21 / 98 10 27-0, Fax: 0221 / 981027-25, E-Mail: info@zvk.org
Adressen spezialisierter Physiotherapeuten gibt es bei www.zvk.org, dort Therapeutensuche anklicken, dann bei Zusatzangebot Beckenbodenschule wählen.
STICHWORT
Belastungsinkontinenz
Nur etwa jede dritte Frau mit Belastungsinkontinenz sucht wegen ihrer Symptome ärztlichen Rat, obwohl die Beschwerden zum Teil über Jahre bestehen. Nur jeweils knapp fünf Prozent erhalten eine Pharmakotherapie oder werden operiert. Zur konservativen Therapie gehören Östrogene, meist lokal als Scheidencreme oder -zäpfchen, ferner Verhaltensänderungen wie Abnehmen, Umstellung von Ess- und Trinkgewohnheiten und Rauchverzicht, außerdem Hilfsmittel wie Pessare aus Hartgummi und schließlich Medikamente.
Erst wenn diese konservativen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, wird eine Operation erwogen. Etabliert sind zum Beispiel die Kolposuspension nach Burch, die pubovaginale Schlingentechniken oder die Harnröhrenunterspritzung mit Silikon. Die Erfolgsraten der Eingriffe liegen zwischen 60 und 90 Prozent. (ars)