Gutartiger Schilddrüsenknoten

Das Ende einer Ära zeichnet sich ab

Dass sich aus einem gutartigen Schilddrüsenknoten ein Malignom entwickelt, ist sehr unwahrscheinlich. Trotzdem wird allzu oft operiert, kritisieren Experten. Dabei gibt es Alternativen zur Operation.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:

MÜNCHEN. In Deutschland wird häufig an der Schilddrüse operiert, etwa 100.000 Mal pro Jahr. Dabei sind Schilddrüsenkarzinome selten: Das papilläre Schilddrüsenkarzinom lässt sich ausreichend sicher diagnostizieren und das medulläre Schilddrüsenkarzinom ist eine Rarität mit recht guter Prognose. Die Neuerkrankungsrate an Schilddrüsenkrebs nimmt mit dem Alter ab. Dennoch liege in Deutschland die Quote von Operationen zu Malignomen bei 15:1, kritisierte Professor Martin Fassnacht aus Würzburg beim Internisten Update.

Warum wird so oft zum Messer gegriffen, wenn doch jeder fünfte schilddrüsenoperierte Patient zumindest passager einen Hypoparathyreoidismus bekommt? Sechs Prozent leiden zeitweise, ein Prozent dauerhaft an einer Nervus-recurrens-Parese, hinzu kommt die oft lebenslang notwendige L-Thyroxin-Therapie nach Total-Op. Womöglich liegt das zum einen daran, dass Symptome wie Globusgefühl, Heiserkeit oder kosmetische Beschwerden störend bis beeinträchtigend sein können. Zum anderen lassen sich Schilddrüsenknoten heute leicht feststellen. Die empfohlenen Folgeuntersuchungen gehen, trotz höchst wahrscheinlicher Gutartigkeit, mit einer gewissen Karzinomangst einher.

Echoarme Risikoknoten

Der erste Schritt bei Verdacht auf eine Schilddrüsenpathologie ist für Fassnacht die klinische Untersuchung mit Palpation des Halses. Die nächsten diagnostischen Schritte beinhalten die Halssonografie und Bestimmung des TSH. "Hilfreich und pragmatisch" bei der Abklärung von Risikoknoten sind dem Endokrinologen zufolge die neuen Leitlinien der American Thyroid Association (ATA). Diese hat sonografische Kriterien festgelegt, nach denen sich das Malignitätsrisiko bei nicht autonomen Knoten abschätzen lässt: Ein mittleres Risiko (10-20 Prozent) besteht demnach bei soliden echoarmen Knoten mit regelmäßigem Rand. Das Risiko erhöht sich auf 70–90 Prozent bei soliden echoarmen Knoten mit

- unregelmäßigem Rand,

- Mikrokalzifikationen,

- unterbrochenen Kalkeinlagerungen im Rand.

Verdächtig sind nach Fassnachts Angaben außerdem Knoten, die höher sind als breit und die sich über den Rand der Schilddrüse hinweg erstrecken. Wird das Risiko für ein Karzinom als mittel bis hoch eingeschätzt, ist eine Feinnadelpunktion zur weiteren Abklärung sinnvoll.

Mit der Strain-Elastografie in Kombination mit konventionellem sowie Farbduplex-Ultraschall lässt sich inzwischen ebenfalls mit etwa 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit feststellen, ob ein Knoten gutartig ist, berichteten kürzlich Endokrinologen aus Frankfurt am Main (Ultraschall in Med 2016; 37:262-270).

Steht fest, dass die Knoten gutartig sind, sei die Indikation zur Schilddrüsen-Op streng zu stellen, betonen Dr. Dirk Meyer und seine Kollegen vom Uniklinikum Hamburg-Eppendorf in einem Beitrag in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift (DMW 2016; 141: 1325-1329). Und selbst bei vorhandener Indikation sei die chirurgische Standardoperation nicht für jeden geeignet.

Denn inzwischen stehen minimal-invasive Verfahren zur Verfügung, die teils ambulant ausgeführt werden können und ebenso wenig einer Intubationsnarkose bedürfen wie der nachfolgenden Substitution von Schilddrüsenhormonen.

Da ist zunächst die perkutane Injektion zystischer Knoten mit 98-prozentigem Ethanol. Das Zystenvolumen lässt sich aufgrund der folgenden Fibrosierung des Gewebes maßgeblich verringern, eine Lokalanästhesie ist meist nicht notwendig. Allerdings treten bei etwa jedem fünften Patienten moderate bis starke Schmerzen während der Alkoholinjektion auf.

Hinzu kommen mehrere thermoablative Verfahren: die Radiofrequenzablation (RFA), die Mikrowellenablation (MWA) sowie hochintensiver fokussierter Ultraschall (HIFU). Diese könnten mittelfristig die Schilddrüsenoperation als Standard bei bestimmten Patienten ablösen, meinen Meyer und Kollegen, nämlich bei einzelnen gutartigen, symptomatischen Knoten.

Bei der RFA wird ein hochfrequenter Wechselstrom per Sonde in den Knoten eingeführt, sodass Temperaturen zwischen 60°C und 100°C erzeugt werden. "Bei unseren Patienten zeigte sich eine Knotenvolumenreduktion von maximal 31 Prozent nach drei Monaten", berichten die Hamburger Endokrinologen. Während der Intervention in Lokalanästhesie komme es regelmäßig zu Schmerzempfindungen im Ablationsbereich, aber seltener zu Hitzeempfindungen wie bei der Mikrowellenablation. Die RFA ist vergleichsweise kostengünstig, dafür etwas weniger effektiv als die MWA.

Geringe Behandlungszeit

Unter MWA sorgen Mikrowellen im Bereich von 300 bis 500 kHz für Koagulationsnekrosen. "Wir konnten Volumenreduktionen von durchschnittlich 46 Prozent nach drei Monaten erreichen", so Meyer und seine Kollegen. Dies entspricht etwa den Ergebnissen anderer Studien, die allerdings in deutlich geringerer Anzahl existieren als für RFA. Die ästhetischen Ergebnisse seien "sehr zufriedenstellend". Die Intervention wird in Kurznarkose mit Propofol oder in Lokalanästhesie vorgenommen. Vorteil der MWA bei ausgeprägten Befunden: es geht schnell. Pro Milliliter zu entfernenden Gewebes wird etwa eine Minute gebraucht. Nachteilig sind die hohen Kosten pro Sonde.

Keine Hautverletzung ist bei Verwendung des HIFU nötig. Denn die Ultraschallwellen werden durch die Haut ins Gewebe geschickt und punktförmig im Knoten gebündelt. Mit HIFU Beamotion sind die Ablationen inzwischen schneller als früher geworden. Der Behandlungskopf wird in eine minimale Rotation versetzt, sodass der Ultraschall-Strahl eine vergleichsweise größere Fläche abdeckt. Privatdozent Hüdayi Korkusuz und Professor Frank Grünwald vom Uniklinikum Frankfurt am Main berichteten kürzlich, dass damit zum Beispiel für einen 5 ml großen Knoten nur noch eine Behandlungszeit von etwa einer Viertelstunde nötig sei.

Insgesamt sind thermoablative Verfahren noch weniger evaluiert als die Thyreoidektomie. Und Hitze kann ebenso wie das Skalpell den Rekurrenz schädigen – hohe Temperaturen im paratrachealen "Danger triangle" müssen daher vermieden werden. Für Patienten jedoch, die die Operation ablehnen, die nicht operiert werden können oder die die lebenslange L-Thyroxin-Substitution vermeiden wollen, stellen thermoablative Methoden in erfahrener Hand bereits jetzt Alternativen dar.

Thermoablative Verfahren

- Radiofrequenzablation: Hochfrequenter Wechselstrom wird per Sonde in den Knoten eingeführt; es werden Temperaturen zwischen 60°C und 100°C erzeugt.

- Mikrowellenablation: Mikrowellen im Bereich von 300 bis 500 kHz führen zu Koagulationsnekrosen.

- Hochintensiver fokussierter Ultraschall: Ultraschallwellen werden durch die Haut ins Gewebe geschickt und punktförmig im Knoten gebündelt.

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