Die Frühdiagnostik wird bei Morbus Parkinson immer wichtiger

Bei der Parkinson-Therapie deutet sich ein Paradigmenwechsel an: Patienten sollte man möglicherweise schon vor Beginn der motorischen Symptome behandeln. Dazu muss jedoch erst einmal die Frühdiagnostik optimiert werden.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
SPECT-Bild mit b-CIT. Bei Erkrankungsbeginn ist die dopaminerge Aktivität in einer Hirnseite bereits reduziert.

SPECT-Bild mit b-CIT. Bei Erkrankungsbeginn ist die dopaminerge Aktivität in einer Hirnseite bereits reduziert.

© Foto: Kenneth Marek

Bisher erhalten Parkinsonpatienten oft erst eine dopaminerge Therapie, wenn sie durch motorische Beschwerden im Alltag beeinträchtigt werden. Nach neuen Studiendaten ist dies möglicherweise viel zu spät: Denn offenbar kann eine dopaminerge Therapie den Krankheitsverlauf bremsen. Die Patienten profitieren also um so mehr, je früher sie behandelt werden. Dies ist vor kurzem erstmals in der Studie ADAGIO* mit dem MAO-B-Hemmer Rasagilin (Azilect®) gezeigt worden: Patienten mit einem verzögerten Therapiestart erreichten dabei nicht mehr das motorische Leistungsniveau von Patienten, bei denen die Therapie 36 Wochen früher begonnen wurde.

Simple Tests ermöglichen eine frühe Diagnose

Studien mit einem ähnlichen Design laufen derzeit auch mit anderen Parkinson-Arzneien. Kommen diese zu einem vergleichbaren Ergebnis, könnte eine Änderung der Therapieleitlinien erfolgen, prognostizierten Neurologen vor kurzem beim Parkinson-Kongress in Marburg. So könnten Patienten schon dann therapiert werden, wenn erste prämotorische Symptome wie Riechstörungen oder REM-Schlafstörungen auftreten.

Das Problem ist: Bislang lässt sich M. Parkinson im Frühstadium nur schwer nachweisen. Einen zuverlässigen Blutmarker gibt es bislang nicht. Doch auch schon mit einer gründlichen Anamnese und einigen simplen Tests sowie bildgebenden Verfahren lasse sich ein Verdacht inzwischen recht gut überprüfen, so Professor Heinz Reichmann vom Uniklinikum Dresden.

Privatdozentin Daniela Berg vom Hertie-Institut für klinische Hirnforschung in Tübingen empfiehlt Ärzten zunächst, genau auf Äußerungen von Patienten oder Angehörigen zu achten wie "der Arm schmerzt seit Monaten", "ich habe ein inneres Zittern auf einer Körperseite", oder "er nimmt Gerüche nicht mehr gut wahr". Auch unspezifische Symptome wie Depressionen, Verstopfung, Schwindel, Schlaf- und Gedächtnisstörungen können mit Parkinson in Verbindung stehen.

Hellhörig sollten Ärzte vor allem dann werden, wenn mehrere solcher Symptome zugleich auftreten, so Berg. Weitere Hinweise kann dann etwa ein Riechtest liefern, bei dem mit speziellen Riechstiften die Riechschwelle geprüft wird. Eine Hyposmie oder Anosmie, so Reichmann, gehe den motorischen Symptomen drei bis fünf Jahre voraus, und praktisch alle Parkinsonpatienten sind davon betroffen. "Wer keine Riechstörung hat, hat wohl auch keinen Parkinson." Nach Studiendaten entwickeln etwa zehn Prozent aller Menschen mit Hyposmien unbekannter Ursache innerhalb von zwei Jahren einen Morbus Parkinson, so Reichmann. Die frühe Riechstörung sei zudem typisch für idiopathischen Parkinson, bei genetisch bedingtem Parkinson oder Multisystem-Atrophie treten Hyposmien wesentlich später im Krankheitsverlauf auf.

"Wer keine Riechstörung hat, hat keinen Parkinson."

Häufig deutet sich ein Parkinson auch durch REM-Schlafstörungen an. Dabei wird die Motorik während des Traumschlafs nicht mehr unterdrückt, die Patienten schlagen mitunter wild um sich, was sogar die Bettnachbarn verletzen kann. In einer Studie entwickelten fast die Hälfte der Patienten mit REM-Störungen später eine neurodegenerative Krankheit, meist Parkinson, aber auch Alzheimer- und Lewy-Körperchen-Demenz. In einer anderen Studie hatten nach zehn Jahren 20 bis 30 Prozent der Patienten mit REM-Schlafstörung M. Parkinson entwickelt. Die Schlafstörung lässt sich in einem Schlaflabor leicht nachweisen.

Den Verdacht auf Parkinson erhärten kann auch ein transkranieller Ultraschall. So weisen etwa 90 Prozent der Parkinson-Patienten eine Hyperechogenität in der Substantia nigra auf - allerdings auch etwa acht bis zehn Prozent der Gesunden. Die Hyperechogenität steht jedoch in keiner direkten Verbindung zum Krankheitsverlauf, sondern besteht offenbar zeitlebens. Sie charakterisiere vielmehr eine erhöhte Vulnerabilität für Parkinson, erläuterte Berg.

Molekulare Bildgebung sorgt für Klarheit

Lässt sich der Verdacht auf Parkinson mit Ultraschall, Schlaflabor oder Riechtest erhärten, kann schließlich die teurere und aufwändigere molekulare Bildgebung für Klarheit sorgen. SPECT-Verfahren mit

I-FP-CIT oder mit123

I-ß-CIT (DaTSCAN™) verfügen über eine Sensitivität von etwa 90 Prozent und eine Spezifität von knapp 100 Prozent. Mit der Methode wird die Dichte von Dopamintransporter-Proteinen im Striatum nachgewiesen - und diese ist bei Parkinson deutlich reduziert.

Mit Blick auf die ADAGIO-Studie rät Berg, nun vielleicht etwas früher als bisher eine molekulare Bildgebung zu veranlassen, etwa, wenn es mehrere prämotorische Hinweise auf einen Parkinson gibt.

ADAGIO-Studie

In der Studie erhielten 1176 Parkinson-Patienten zunächst 36 Wochen Rasagilin oder Placebo. Anschließend bekam auch die Placebogruppe Rasagilin. Der UPDRS-Wert bei durchgehender Rasagilin-Therapie war nach 72 Wochen deutlich besser als bei verzögertem Start.

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