Geistig fit bis ins hohe Alter?

Mehr Gehirnvolumen durch Zweitsprache

Wer mehr als eine Sprache spricht, bleibt auch im Alter länger geistig fit. Das belegt eine Studie aus NRW.

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Mehrsprachler bleiben im Alter oftmals länger geistig fit.

Mehrsprachler bleiben im Alter oftmals länger geistig fit.

© storm / Fotolia

DÜSSELDORF. Wer eine zusätzliche Sprache intensiv erlernt, legt an Gehirnvolumen zu. Der Effekt ist besonders zu Beginn des Lernprozesses zu beobachten.

Wissenschaftler aus Jülich, Düsseldorf und Aachen haben im Rahmen der „1.000-Gehirne-Studie“ erforscht, wie sich die entsprechenden Gehirnregionen im Alter verändern (Neurobiology of Aging 2019; 81:157-165).

Die Ergebnisse der Studie könnte erklären, wieso Mehrsprachler im Alter oft länger geistig fit bleiben, teilt die Universität Düsseldorf mit.

Studie mit 400 Teilnehmern

Die Studie umfasste 224 Menschen, die nur eine Sprache sprechen und 175 Personen, die zwei Sprachen fließend beherrschen.

„Unser Augenmerk lag auf zwei bestimmten Regionen in der linken Gehirnhälfte, die unter anderem für ihre Rollen in der Sprachverarbeitung bekannt sind“, wird Professor Stefan Heim, Leiter der Arbeitsgruppe „Neuroanatomie der Sprache“ am Jülicher Institut für Neurowissenschaften und Medizin und Professor an der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Uniklinik RWTH Aachen, in der Mitteilung zitiert.

Das interdisziplinäre Forscherteam aus Medizinern, Psychologen, Linguisten und Logopäden untersuchte mit MRT, wie ausgeprägt das Volumen der grauen Substanz im hinteren unteren Teil des linken Stirnlappens und im unteren linken Scheitellappen ist.

„Diese beiden Gehirnregionen sind zum Beispiel für das Sprachverstehen und die Sprachproduktion wichtig“, erläutert Heim.

Bestimmte Teilbereiche dieser Regionen arbeiten oft zusammen, sind also funktionell und anatomisch bei allen Menschen eng verknüpft. Die Forscher konnten belegen, dass die graue Substanz der beiden Regionen beim Erwerb einer zweiten Sprache in jungen Jahren zunächst ein deutlich höheres Volumen hat. Die graue Substanz ist reich an Nervenzellkörpern.

Stärkere Vernetzung der benachbarten Nervenzellen

Die Wissenschaftler erklären die Zunahme in dieser Schicht mit einer stärkeren Vernetzung der benachbarten Nervenzellen untereinander. Mit fortschreitendem Alter, so belegt die Studie, nimmt das Volumen der grauen Substanz der beiden Gehirnbereiche sowohl bei Einsprachlern als auch bei Mehrsprachlern sukzessive ab.

Jedoch liegt das Volumen der Sprachregion im Stirnlappen von Mehrsprachlern bis zu einem Alter von rund 60 Jahren immer etwas höher als bei den Einsprachlern. Dann erst gleichen sich beide Gruppen an und zeigen hier keine Volumenunterschiede mehr.

Und: Das Areal im Scheitellappen bleibt nach den Erkenntnissen der Forscher sogar noch länger stabil. Erst im Alter von rund 80 Jahren konnten die Forscher keinen Volumenunterschied der grauen Substanz der Region im Scheitellappen zwischen Mehrsprachlern und Einsprachlern mehr ausmachen.

„Zuwachs der kognitiven Reserve“

„Ein Zuwachs an grauer Substanz geht nach unserer Erfahrung mit einem Zuwachs der kognitiven Reserve einher – also einer besseren geistigen Leistungsfähigkeit und Flexibilität“, so Heim. „Zunächst sieht es also so aus, als wenn der Vorteil durch das Erlernen einer zweiten Sprache besonders in jungen Jahren ausgeprägt ist und sich im Alter wieder angleicht“, meint Heim.

Aus den Arbeiten anderer Forschergruppen wisse man aber, dass der Vorteil nicht einfach verschwindet. Der Überschuss an grauer Substanz wandelt sich mit der Zeit, je fester die neue Sprache „sitzt“, in eine engere Vernetzung der Areale und stärker ausgeprägte Kommunikationsleitungen in der weißen Substanz um.

Heim: „Der Informationsaustausch zwischen den Gehirnregionen wird dadurch vereinfacht und ist somit stabiler und effektiver“. Dies könnte erklären, wieso Mehrsprachler im Alter oftmals länger geistig fit bleiben. (ikr)

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