Mit der Gentherapie sind zumindest kleine Erfolge möglich

Von Nicola Sigmund-Schultze Veröffentlicht:

LANGEN. Eine Gentherapie kann auch Patienten mit zystischer Fibrose helfen. Bei Erkrankten mit moderat ausgeprägten Symptomen läßt sich damit die Lungenfunktion offenbar teilweise verbessern. Dies ist das Ergebnis einer US-amerikanischen Phase-II-Studie.

Professor Barrie Carter, Forschungsleiter und Geschäftsführer des Unternehmens Targeted Genetics Corp. in Seattle, hat vor kurzem bei einer internationalen Tagung zu Gentherapie am Paul-Ehrlich-Institut in Langen über die Untersuchung berichtet. Das US-Unternehmen hat die Genfähren hergestellt, mit denen die Patienten in der doppelblinden Studie behandelt worden sind.

Zehn von 20 Probanden in der Behandlungsgruppe hätten eine um etwa 15 Prozent verbesserte Lungenfunktion gehabt. Gemessen wurde der Erfolg an der forcierten, exspiratorischen Einsekundenkapazität (FEV1), wie Carter sagte.

Die Ergebnisse der Studie, die ursprünglich nicht die Wirksamkeit, sondern Sicherheit und Verträglichkeit der Gentherapie zum Ziel hatte, sind vor kurzem veröffentlicht worden (Chest 125, 2004, 509). Federführend für die Untersuchung war Professor Richard Moss von der Abteilung Pädiatrie der Stanford University in Stanford in Kalifornien.

Genfähre enthält den Bauplan für ein Ionenkanal-Protein

Insgesamt 37 Patienten älter als zwölf Jahre haben an der Studie teilgenommen, 17 von ihnen in der Placebo-Gruppe. Die Genfähre, mit der das gesunde CFTR-Gen - es enthält den Bauplan eines Membrankanals - in die Lunge geschleust wurde, leitet sich von adeno-assoziierten Viren (AAV) ab. Diesen Vektor inhalierten die Patienten oral über ein Aerosol. Die Studienergebnisse seien ermutigend und hätten inzwischen eine größere, noch laufende Phase-II-Studie initiiert, so Moss.

Noch in der Phase I ist dagegen eine weitere klinische Anwendung von AAV-Genfähren in der Gentherapie: für die Behandlung von Patienten mit rheumatoider Arthritis. Das Wirkprinzip besteht aus der Bindung von Tumor-Nekrose-Faktor-(TNF)-alpha über den verstärkt synthetisierten, löslichen Rezeptor für TNF-alpha. Bei Ratten mit einer künstlich ausgelösten rheumatoiden Arthritis habe eine intraartikuläre Injektion des Vektors die Entzündung deutlich vermindert, sogar an jenen unbehandelten Gelenken, die den behandelten Gelenken gegenüber lagen.

Selbst Lentiviren wie HIV werden als Gentaxi genutzt

Am Salk Institute in La Jolla in Kalifornien setzen die Forscher dagegen auf Lentiviren als Gentaxis. Zu den Lentiviren gehört auch HIV. Je nach Vektor seien sechs bis sieben von neun Genen, die das Aids-Virus pathogen machen, in therapeutischen Genfähren funktionsunfähig, erläuterte Professor Inder Verma. Das solle die Sicherheit gewährleisten. Vermehrungsfähige HIV-Partikel könnten sich nicht bilden.

"Der Vorteil von Genfähren auf der Basis von Lentiviren ist, daß sie sich sowohl in ruhende, als auch in proliferierende Zellen integrieren können und ein Gentransfer effektiver ist als bei vielen anderen Vektoren", erläuterte der Forscher. Die Genfähren lieferten ihre Fracht in Hirn-, Leber-, Muskel- und Stammzellen ab.

Solche Lentiviren sollen eines Tages auch schon bei Ungeborenen den Ausbruch einer Erbkrankheit verhindern. Das Team um Professor Charles Coutelle vom Imperial College of London entwickelt eine solche Gentherapie für die Behandlung von Patienten mit Hämophilie B. Der Vorteil der Behandlung im Mutterleib sei unter anderem, daß eine Toleranz gegen die therapeutisch wirkenden Fremdeiweiße hervorgerufen werde, so Coutelle.

Im Tiermodell habe die Injektion solcher Vektoren, die das Gen des humanen Faktor IX enthielten, in die Blutgefäße des Dottersacks die Entstehung eines krankhaften Hämophilie-Phänotyps bei den Nachkommen verhindert, berichtete der Forscher. Auch habe die Gentherapie die Keimbahn der Mäuse nicht verändert. Würde eine Gentherapie in utero bei Menschen jemals angewendet, dann in Kombination mit Gentests zur Früherkennung von Krankheiten. Dazu könnten erbliche Malignome, angeborene Stoffwechselerkrankungen, Hämophilien und schwere Immundefizienzen gehören.



FAZIT

Auch wenn es in den vergangenen Jahren einige Rückschläge bei der Gentherapie gegeben hat - zuletzt in einer französischen Studie -, lassen sich die Wissenschaftler nicht entmutigen. Die ersten kleinen Erfolge geben ihnen Recht. So profitieren nach jahrelangen Bemühungen Erkrankte mit moderat ausgeprägten Symptomen von einer Gentherapie: Ihre Lungenfunktion läßt sich offenbar teilweise verbessern. Erste Tierversuche belegen, daß sich selbst mit einer intrauterinen Gentherapie eine Erbkrankheit verhindern läßt.

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