Politiker und ihr Kreuz mit Kuckucks-Kindern

BERLIN (fst). Am Freitag kommender Woche erreicht ein Streit die parlamentarische Bühne im Bundestag, der bis dahin vor Gericht und in Feuilletons ausgetragen wurde: Wann und unter welchen Umständen darf ein Mann die Abstammung eines Kindes klären lassen, dessen Vater er zu sein glaubt?

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Für Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) ist die Sache einfach: Hat ein Mann Zweifel an seiner Vaterschaft, "soll er mit seiner Frau darüber reden", sagte die Ministerin. Da dieses Vorgehen in den meisten Fällen nicht beziehungsfördernd ist, verlassen sich Väter in etwa 40 000 Fällen pro Jahr - zuverlässige Zahlen gibt es nicht - auf einen heimlichen Vaterschaftstest. Das soll nach Zypries‘ Plan künftig verboten sein.

In Paragraph 21 des geplanten Gendiagnostik-Gesetzes, der bislang nur als Arbeitsentwurf vorliegt, heißt es: Eine genetische Untersuchung zur Klärung der Abstammung darf nur vorgenommen werden, wenn das betroffene Kind, die Mutter und der Mann zugestimmt haben. Heimliche Tests sollen dann passé sein.

Wird dieser Passus Gesetz, dann "kommt dieser Zustimmungsvorbehalt einem Verbot privater Vaterschaftstests gleich", schreibt Valid, ein Verbund von Laboren, die sich auf Abstammungstests spezialisiert haben. Denn verweigert die Mutter die Zustimmung, dann bleibt betroffenen Vätern nur eine sogenannte Vaterschaftsanfechtungsklage nach Paragraph 1600 BGB - und deren Hürden sind hoch. Der Mann muß konkrete Gründe für seine Zweifel nennen. Da reicht es nicht, wenn der Knirps blaue statt braune Augen hat.

Hinzu kommt: Kürzlich entschied der Bundesgerichtshof, daß eine Anfechtungsklage sich nicht auf einen heimlich eingeholten DNA-Test stützen darf. Grund genug, die wenig praxisnahe Rechtslage neu zu ordnen. Am 10. März wird der Bundestag zunächst über einen Antrag der FDP beraten.

Die Liberalen plädieren für ein "niedrigschwelligeres Verfahren", um die Vaterschaft eines Mannes festzustellen. Dazu soll es nicht mehr einer Anfechtungsklage bedürfen. Die "Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Zweifels" beim Vater sollen niedriger angesetzt werden als bisher - über Details schweigt sich die FDP aus.

Nach Ansicht von Norbert Röttgen, rechtspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, "widerspricht es einem Rechtsstaat, ein gesellschaftliches Problem sich quasi selbst zu überlassen". Aktiv geworden ist bislang aber nur die bayerische Landesregierung. Landesjustizministerin Beate Merk (CSU) hat eine Gesetzesinitiative im Bundesrat angekündigt, um Vaterschaftstests zu legalisieren. Danach soll der Vater künftig einen Rechtsanspruch haben, einen solchen Test machen zu lassen. Die Mutter muß dabei informiert werden.

Justizministerin Zypries will am Verbot heimlicher Tests festhalten, denkt aber angesichts der Kritik über ein "Verfahren nach, in dem man eine Vaterschaft nicht anfechten, sondern feststellen lassen kann". Die Bundestagsdebatte am 10. März wäre eine Gelegenheit, Details einer solchen Regelung vorzustellen.



STICHWORT

BGH-Urteil

Der Bundesgerichtshofs hat am 12. Januar entschieden, daß die Untersuchung des genetischen Materials eines anderen Menschen ohne Zustimmung gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verstößt und rechtswidrig ist. Eine heimliche DNA-Analyse darf in einem Zivilprozeß nicht bei einer Vaterschaftsklage verwertet werden. Stattdessen muß der Kläger "konkrete Umstände" vortragen, die geeignet sind, Zweifel an seiner Vaterschaft zu wecken (Az. XII ZR 60/03; XII ZR 227/03).

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