Wer sich regelmäßig bewegt, wird den Bauchspeck auch langfristig los

Der Blick auf die Waage läßt Gewißheit werden, was der Blick in den Spiegel schon längst verraten hat: Der Winterspeck sitzt noch hartnäckig an Bauch, Hüften und Po. Sind zudem Blutfett- und Blutzuckerwerte oder der Bluthochdruck erhöht, liefert das gute Argumente fürs Abnehmen.

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Zur Lebensstil-Intervention gehört selbstverständlich eine Ernährungsumstellung. Bei Patienten, denen das sehr schwer fällt, läßt sich dann die Diät durch Medikamente wie Orlistat und den Noradrenalin- und Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer Sibutramin unterstützen.

So reduzierten zum Beispiel Patienten, die Orlistat einnahmen, in der XXL-Studie unter Alltagsbedingungen ihr Ausgangsgewicht um im Durchschnitt elf Prozent innerhalb von sieben Monaten (Diabetes, Obesity and Metabolism 7, 2005, 21).

Auch mit Sibutramin sowie mit dem neuen Cannabinoid-Rezeptorantagonisten Rimonabant (noch nicht auf dem Markt) wurden in Studien gute Ergebnisse bei der Gewichtsreduktion erzielt.

Doch der Verzicht beim Essen genügt allein nicht - auch verstärkte körperliche Aktivität gehört zu einem sinnvollen Diät-Konzept. Die Einnahme von gewichtsreduzierenden Medikamenten beeinträchtigt dabei - etwa wegen möglicher Fettstühle durch Orlistat oder Wirkungen auf den Kreislauf bei Sibutramin - die sportlichen Möglichkeiten nicht, so die Erfahrungen von Dr. Daniel König von der Abteilung Prävention, Rehabilitation und Sportmedizin an der Uni Freiburg.

"Ohne regelmäßige körperliche Aktivität klappt vor allem das dauerhafte Abnehmen nicht. Das ist unsere Erfahrung und wird auch so von verschiedenen Fachgesellschaften empfohlen", betont König. Um das zu erreichen, sei zunächst der erste und wichtigste Schritt die Motivation, sich überhaupt mehr zu bewegen.

"Spornen Sie Patienten mit Aussagen an wie: Jede Kalorie, die zusätzlich über mehr Bewegung verbraucht wird, ist ein Gewinn!" So könne bei einem übergewichtigen Typ-2-Diabetiker bereits ein zusätzlicher flotter Spaziergang von zehn Minuten pro Tag reichen, um den Bedarf an blutzuckersenkenden Medikamenten oder Insulin zu reduzieren, so der Sportmediziner. Und auch das Lipidprofil bessere sich bei regelmäßiger Bewegung deutlich.

"Wir müssen die Patienten da abholen, wo sie sich befinden; und die meisten Patienten mit Übergewicht befinden sich auf einem sehr niedrigen Fitnessniveau", so auch die Erfahrung von Dr. Thomas Wessinghage, Ärztlicher Direktor der Reha-Klinik Damp an der Ostsee. Die Motivation beginne daher bereits mit der richtigen Wortwahl. "Ich spreche mit Patienten möglichst nur von mehr Bewegung. Denn viele Übergewichtige assoziieren mit dem Begriff "Sport": Du mußt dich wahnsinnig anstrengen, viel schwitzen und du mußt sehr fit sein - und das schreckt oft ab."

Welche Aktivitäten eignen sich besonders gut?

Dazu gehören Ausdauersportarten mit gleichförmigen Bewegungen, bei denen möglichst viele Muskeln beansprucht werden. Das sind etwa Joggen, Walken, Schwimmen oder Skilanglauf. Denn dabei wird besonders viel Energie aus den Kohlenhydrat- und Fettreserven des Körpers verbraucht. Die Wahl hängt aber letztlich von den Neigungen des Patienten und eventuell vorhandenen Grunderkrankungen ab.

König und Wessinghage empfehlen einhellig, ein Bewegungstraining mit einer Intensität zu beginnen, die dem Patienten angenehm ist, die ihn also nicht erschöpft und ermüdet. "Vorneweg muß der Spaßfaktor stehen und nicht der Beigeschmack einer bitteren Pille, sonst macht niemand dauerhaft mit - und das ist ja das langfristige Ziel", plädiert Wessinghage. Der Slogan für seine Patienten lautet daher: du mußt weniger tun, als du denkst.

Prinzipiell sollte daher in einem moderaten Intensitätsbereich trainiert werden, bei dem Energie verbraucht wird und Muskeln aufgebaut, aber nicht überlastet werden. Der einfachste Maßstab dafür ist, ob sich ein Patient beim Training noch flüssig unterhalten kann.

Technisch läßt sich eine moderate Belastung durch eine Leistungskontrolle mit Herzfrequenzmessung auf dem Fahrradergometer oder Laufband ermitteln. Auf dem Laufband beginnt man meist mit 6 oder 8 km/h. Eine Belastungsstufe dauert 3 Minuten, dann wird um jeweils 2 km/h gesteigert. Auf dem Fahrradergometer wird meist mit 50 Watt begonnen und alle 3 Minuten um 50 oder 25 Watt gesteigert. Dabei entsprechen 60 Prozent der Herzfrequenz, die bei maximaler Belastbarkeit ermittelt worden ist, der Frequenz, die durch moderates Training erreicht werden soll.

Herzfrequenz-Reserve gibt persönliche Situation wider

Das bewirkt körperliche Bewegung bei Übergewicht

Sport verbraucht Energie (Kilokalorien) aus dem Abbau von Kohlenhydraten und Fett.

Sport baut Muskeln auf. Da Muskelgewebe auch im Ruhezustand mehr Energie verbraucht als das restliche Gewebe, erhöht sich der Grundumsatz des Körpers.

Sport mindert den Jo-Jo-Effekt bei einer Diät, denn durch den erhöhten Grundumsatz kommen die Pfunde nicht so schnell wieder.

Beim Sport werden Hormone wie Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet. Diese mobilisieren Fett aus Fettzellen und aktivieren außerdem das Fett abbauende Enzym Lipase. Katabole Zytokine wie Interleukin-6, TNF alfa oder Cortisol werden gemindert.

Sport verbessert das Körpergefühl, so daß das Selbstbewußtsein gestärkt wird. Er wirkt motivationsfördernd und baut Streß ab.

Man fällt nicht so leicht in alte Eß-Rituale zurück, da man seinen Lebensrhythmus grundsätzlich zugunsten der Bewegung umgestellt hat.

Stärkere Muskeln helfen dem Körper, seine (überschüssigen) Pfunde besser durch den Alltag zu tragen. Denn oft haben Übergewichtige Rücken- und Gelenkschmerzen.

Über die Bestimmung der Herzfrequenz-Reserve werden auch die individuellen, physiologischen Unterschiede beim Ruhe- und Maximalpuls eines jeden Patienten berücksichtigt. Die Formel: (Maximalpuls - Ruhepuls) x 60 % + Ruhepuls. Hat ein Patient zum Beispiel einen Puls von 70 in Ruhe und maximal 160 bei Belastung, dann nimmt man davon die Differenz, also 90. 60 Prozent davon sind 54, plus 70 - das ergibt für eine moderate Belastung eine Ziel-Herzfrequenz von 124.

"Man muß sich aber im Klaren sein, daß das letztlich nur Richtwerte sind", so König. Selten werde der Herzfrequenz-Richtwert eingehalten, sondern pendle mit zehn, fünfzehn Schlägen um diesen Wert.

Für Patienten, die ihre Leistungsbereiche ganz genau ermittelt haben möchten, bieten König und seine Kollegen eine Laktatleistungsdiagnostik an. Beim Ergometertest wird dabei immer am Ende jeder Belastungsstufe Kapillarblut aus dem Ohrläppchen oder der Fingerbeere entnommen. Aus den bestimmten Laktatwerten wird die Leistungskurve erstellt.

Sie erlaubt eine Bestimmung der Schwelle, ab der der Körper Glukose überwiegend ohne Sauerstoff abbaut. Dabei wird Milchsäure gebildet, die sich bei anhaltender Belastung ansammelt und den Muskel übersäuert und so dessen Leistungsfähigkeit sinken läßt.

Für Sporteinsteiger, die abnehmen möchten, empfiehlt Wessinghage daher einen Laktatbereich von 2 bis 3 mmol. Werde mit einer Herzfrequenz trainiert, bei der diese Menge an Milchsäure anfalle, würden vorrangig entspannende und immunstabilisierende Effekte erzielt. Aber es würde natürlich auch genügend Energie aus dem Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel verbraucht. Die Muskulatur übersäure jedoch nicht.

Wie oft und wie lange wird trainiert?

Als Mindestziel, um einen präventiven Effekt für die Gesundheit und eine leichte Gewichtsreduktion zu erreichen, gilt eine regelmäßige Ausdauerbetätigung von 3 x 40 Minuten pro Woche. "Nach meinen Erfahrungen hilft ein möglichst genauer Plan vielen Patienten, ihren Bewegungsumfang bis zum Erreichen dieser Vorgaben zu steigern", so Wessinghage. Ein Muster: am ersten Tag 2 min Joggen, 2 min Gehen, 1 min Joggen. Das wird langsam gesteigert mit längeren Jogging- und kürzeren Gehphasen, bis man auf 40 min kommt.

Die Leitlinien der Deutschen Adipositas-Gesellschaft etwa sehen ein noch umfangreicheres Bewegungsprogramm vor: Zunächst wird pro Woche zusätzliche Energie in Höhe von 1000 Kilokalorien (kcal) durch Freizeitaktivitäten verbraucht, das steigert sich auf insgesamt 2500 bis 3500 kcal in wöchentlich fünf bis sieben Trainingseinheiten à 500 kcal. Pro Trainingseinheit wird damit zum Beispiel die Energie, die in 100 Gramm Mürbegebäck steckt, verbraucht.

Die Deutschen Leitlinien entsprechen damit in etwa denen der US-amerikanischen Ernährungsgesellschaft (2005). Danach sind für eine erfolgreiche Gewichtsreduktion 60 Minuten körperliche Aktivität mit moderater Intensität an mindestens fünf Tagen pro Woche nötig - das entspricht insgesamt einem zusätzlichen Umsatz von etwa 2000 Kilokalorien pro Woche.

Warum ist gerade ein Ausdauertraining so wichtig?

Generell wird bei niedrigen Belastungen ein Großteil der Energie aus dem Fettstoffwechsel gewonnen. Bei hoher Belastung nimmt die Fettoxidation ab und es wird prozentual mehr Energie aus dem Kohlenhydratstoffwechsel gewonnen. Je intensiver die Belastung, desto mehr erfolgt der Abbau anaerob mit Laktat-Bildung.

Durch Verbesserung der Ausdauer kommt es aber mit der Zeit zur verbesserten Fettnutzung. So wird die Sensibilität der Fettzellen für Adrenalin, das beim Sport vermehrt ausgeschüttet wird, gesteigert. Folge: es werden mehr Fettsäuren in die Blutbahn abgegeben.

Die Muskelzellen wiederum bilden mehr Mitochondrien zum Fettsäureabbau und durch Verbesserung ihrer Enzymaktivität - vor allem im Zitratzyklus - werden exogene Fettsäuren effektiver zur aeroben Energiegewinnung genutzt. Diese verbesserte aerobe Leistungsfähigkeit hat dann auch zu Folge, daß weniger Laktat anfällt, die Muskulatur nicht mehr so schnell ermüdet.

Auch nach den Leitlinien zur Adipositas-Therapie ist das primäre Ziel die Reduktion der Körperfettmasse. Stattdessen wird langfristig Muskulatur aufgebaut. So wird nicht nur aktuell der Energieverbrauch erhöht, sondern generell auch der Grundumsatz, weil mehr Muskeln auch mehr Energie brauchen - und zwar auch in Ruhe. So ist es ist leichter, bei einer Diät die gewünschte negative Energiebilanz zu erreichen und damit eine Gewichtsreduktion.

Wird statt mit moderater Intensität mit einer höheren Herzfrequenz trainiert, ist der Energieverbrauch in der gleichen Zeit (40 min) natürlich größer. Vorteil eines intensiven Trainings ist außerdem, daß es dabei zu einem sogenannten Nachhalleffekt kommt - das Hungergefühl ist reduziert, weil der Körper eine Zeit lang noch auf Leistung programmiert ist.

"Doch ein intensives Sportprogramm ist nur ratsam für ganz Gesunde, die bereits eine gewisse Fitness haben!", schränkt Wessinghage ein. Außerdem sollte ein Laktatwert von 4 mmol nicht überschritten werden. Sonst läßt durch die übersäuerte Muskulatur die Leistungsbereitschaft nach - das Training wird zur Quälerei oder gar abgebrochen, und genau das soll es ja nicht.

Nutzt auch ein Krafttraining?

Um sein Idealgewicht zu erreichen, rät Wessinghage sogar, das Ausdauertraining mit Kräftigungsübungen - zweimal pro Woche, etwa im Fitneßstudio - zu kombinieren. Das unterstützt das Ziel, mehr energieverbrauchende Muskulatur aufzubauen. Daher sollten auch beim Krafttraining möglichst viele Muskelgruppen angesprochen werden, ergänzt König.

Als Faustformel für ein sinnvolles Krafttraining gelte: Pro Muskelgruppe sollte eine Übung mit 80 Prozent der maximalen Belastung zehnmal wiederholt werden. Grob gesagt heißt das, daß man die zehn Wiederholungen gerade so schafft. Die genaue Belastung sollte allerdings der Fitnesstrainer bei der Einweisung bestimmen. (run)



Wer Adipöse betreut, sollte 4 Punkte beachten

Vorbildfunktion: Ärzte können als persönliches Beispiel wirken und zum Beispiel eine Laufgruppe für Übergewichtige initiieren.

Vermittlung einer netten Gruppe: Ein passendes soziales Umfeld unterstützt Patienten durchzuhalten, etwa Lauf-Gruppen, Weight-Watchers. Konkrete Tips über Sportprogramme für Adipöse am Ort werden besser angenommen als vage Empfehlungen.

Motivationsförderung: Bewegung soll Spaß und Freude machen.

Ein Ziel setzen: Dabei geht es weniger um eine abstrakte Kilozahl als um ein sportliches Ziel. Das muß nicht der Marathon in New York sein, kann aber zum Beispiel ein Laufwochenende am Meer sein.

(Dr. Thomas Wessinghage)

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