Op gegen extreme Adipositas wird vielen Dicken vorenthalten

BERLIN (gvg). Sie führt in Deutschland ein Mauerblümchendasein: Die Adipositas-Chirurgie ist bei Menschen mit morbider Adipositas zwischen Rhein und Oder noch die absolute Ausnahme. Chirurgen sehen aber gute medizinische Gründe für den Eingriff.

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Der Unterschied ist eklatant: Bei 1200 Patienten in Deutschland wurde aufgrund einer morbiden Adipositas (BMI von 40 und mehr) im Jahr 2006 ein chirurgischer Eingriff gemacht, in der Regel ein Magenband oder ein Magenbypass. In den USA, wo etwa dreimal so viele Menschen wohnen, waren es dagegen mehr als 200-mal so viele, nämlich 260 000 Patienten. Auch in vielen europäischen Ländern ist die Quote chirurgischer Eingriffe weit höher als in Deutschland.

Dabei stehe der medizinische Nutzen dieser Eingriffe außer Frage, sofern die Indikation leitliniengemäß gestellt werde, sagte der Chirurg Privatdozent Günther Meyer aus München. Demnach ist der Eingriff indiziert bei Patienten mit BMI ab 35 und Begleiterkrankungen wie Diabetes sowie bei BMI ab 40, wenn konservative Maßnahmen erfolglos waren. Mit konservativen Maßnahmen lasse sich in der Regel aber nicht viel mehr als zehn Prozent Gewichtsverlust erzielen. Zu wenig, um bei massiver Adipositas wirklich etwas zu bewirken, so Meyer.

Bei der Adipositas-Chirurgie sei das anders: Der Nutzen gegen Folgeerkrankungen sei in vielen Studien gut belegt, so Meyer bei einer von der "Aktion Meditech" unterstützten Veranstaltung auf dem Hauptstadtkongress in Berlin. Als Beispiel nannte Meyer den Diabetes mellitus: "80 bis 100 Prozent der antidiabetisch behandelten Adipösen brauchen nach dem Eingriff keine Diabetesmedikamente mehr". Das seien sensationelle Ergebnisse. Trotzdem: Bei deutschen Adipositas-Patienten ist das Verfahren weiter sehr unüblich. Nach Meyers Auffassung liegt das daran, dass die Kassen sich bei der Bezahlung quer legen: "Bei 50 Prozent der leitliniengemäß gestellten Op-Indikationen wird die Finanzierung abgelehnt."

Dr. Rüdiger Freudenstein vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen wollte das so nicht stehen lassen und verwies darauf, dass zunächst ein mindestens sechsmonatiger konservativer Therapieversuch nachgewiesen werden müsse, was oft nicht der Fall sei. Hierfür allerdings müsste es ausreichende ambulante Therapieangebote geben, so Tanja Eck von der Adipositas-Chirurgie-Selbsthilfe. Die aber existierten kaum, unter anderem, weil die Finanzierung der Leistungen von Ärzten und Diätassistenten nicht geregelt sei.

Therapieleitlinien gibt es unter www.adipositas-gesellschaft.de

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