Ärzte Zeitung, 31.03.2010
Besonders jungen Adipösen hilft Chirurgie
Zwei Prozent der Bevölkerung in Deutschland
haben morbide Adipositas mit einem BMI über 40.
Lebensqualität und Lebenserwartung dieser Menschen sind
deutlich reduziert. Therapiemöglichkeiten wie
Adipositas-Chirurgie werden beim Internistenkongress erörtert.
Von Wolfgang Geissel
WIESBADEN. Selbst mit
intensiven Lebensstiländerungen können extrem
adipöse Menschen nur wenig abspecken. Durch einen
chirurgischen Eingriff etwa mit Magenbypass oder Magenband verlieren
Betroffene deutlich mehr Gewicht, und auch Risikofaktoren für
Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes werden eher positiv
beeinflusst.

Zellen breiten Gelenkrheuma aus
Besonders junge Menschen mit extremem
Übergewicht
können von der sogenannten bariatrischen Chirurgie
profitieren. Folgekrankheiten sind in diesem Alter noch selten und
können so häufig vermieden werden. Bei Jugendlichen
sind die Eingriffe allerdings noch umstritten. Was etwa mit einem
Magenband im Vergleich zu einem intensiven konventionellen
Abspeckprogramm bei schwer adipösen Jugendlichen erreicht
werden kann, haben kürzlich australische Forscher demonstriert
(wir
berichteten).
An der zweijährigen Studie nahmen 50 Jugendliche im
Alter von 14 bis 18 Jahren mit einem mittleren BMI über 40
teil (JAMA 303, 2010, 519). Je die
Hälfte wurde nach dem Zufallsprinzip entweder einem intensiven
Ernährungs- und Bewegungsprogramm zugeführt oder
operativ mit einem Magenband versorgt.
Teilnehmer der Lebensstilgruppe erhielten einen individuellen
Diätplan von 800 bis 2000 kcal/Tag sowie ein täglich
mindestens 30-minütiges Bewegungsprogramm (Ziel: mehr als 10
000 Schritte). Jedes Mitglied dieser Gruppe wurde zudem sechs Wochen
von einem persönlichen Trainer geschult. 24 Jugendliche in der
Magenband-Gruppe und 18 in der Vergleichsgruppe beendeten die Studie.

Minimalinvasive Magenband-Operation:
Adipositas-Zentren sollten jährlich mindestens 125 der
schwierigen Eingriffe machen. © Carsten Kattau / fotolia.com
Ergebnis: Die Teilnehmer der Magenband-Gruppe
nahmen binnen
zwei Jahren im Mittel 34,6 kg und damit 12,7 BMI-Einheiten ab im
Vergleich zu einer Reduktion von 3,0 kg und 1,3 BMI-Einheiten in der
Lebensstilgruppe. Zu Studienbeginn hatten 19 Studienteilnehmer ein
metabolisches Syndrom (Magenband-Gruppe: 9, Vergleichsgruppe: 10) mit
Bluthochdruck, erhöhten Blutfettwerten und gestörter
Glukosetoleranz. Nach der zweijährigen Studie hatten keiner
der Magenbandgruppe, aber weiterhin vier Teilnehmer der
Vergleichsgruppe ein metabolisches Syndrom. Wegen Komplikationen in der
Magenband-Gruppe waren allerdings acht Revisions-Operationen
erforderlich.
Trotz geringer Gewichtsreduktion sind
Lebensstiländerungen bei adipösen Jugendlichen
wichtig zur Verringerung von Risikofaktoren für
Herzkreislauf-Krankheiten und Diabetes, heißt es in einem
Kommentar (JAMA 303, 2010, 559) zur Studie.
Das Magenband sollte als Option für Jugendliche weiter
untersucht werden.
In Deutschland gibt es für die schwierigen Eingriffe
bisher nur wenige spezialisierte Zentren. Nach internationalen
Richtlinien sollten solche Adipositas-Zentren mindestens 125 Eingriffe
im Jahr machen. Wichtig für die Patienten ist auch eine
lebenslange Nachsorge mit einer angepassten Ernährung und
eventuell einer Nährstoff-Substitution.
Adipositas-Chirurgie
Das Magenband wird laparoskopisch um den oberen Teil des
Magens gelegt. Nur geringe Mengen breiiger Speisen werden
durchgelassen. Patienten mit Magenband müssen gut kauen, sind
schnell satt und können bei guter Mitarbeit mehr als 50
Prozent ihres Übergewichts in einem Jahr abnehmen.
Hochkalorische Speisen wirken jedoch einer Abnahme entgegen.
Beim Magenbypass werden ein Großteil des Magens und
das Duodenum stillgelegt. Der Magenrest wird mit dem Jejunum verbunden.
Typischerweise reduzieren Patienten dabei ihren BMI um etwa 18 Punkte.
Bei beiden Verfahren ist im Anschluss an die Op eine
Ernährungstherapie nötig. (eb)
Veranstaltung: Adipositas - ein
schwergewichtiges
Problem; Sonntag, 11. April (Saal 2B) 10:15-11:45
Vorsitzende: B. Schultes (Rorschach, CH), A. Wirth
(Bad
Rothenfelde)
Vorträge:
H. Blüher
(Leipzig):
Adipositas und Folgekrankheiten,
H. Hauner (München): Konservative Therapie
O. Mann
(Hamburg): Bariatrische Therapie
R. Weiner (Frankfurt/Main):
Perioperative Probleme des
fettleibigen Patienten.
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