Gibt es das maßgeschneiderte Inhalationssystem für jeden?

Erst wenn ein Wirkstoff regelmäßig in ausreichender Dosis auch dort ankommt, wo er etwas bewirken soll, kann er dem Patienten helfen. Dies mag simpel klingen, ist aber die Basis jeder erfolgreichen Inhalationstherapie bei Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen. Voraussetzung hierfür wiederum ist es, daß der Patient mit seinem Inhalationssystem problemlos zurecht kommt.

Veröffentlicht:

Thomas Voshaar

Bei Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen wie Asthma bronchiale und COPD (chronisch obstruktive Bronchitis mit / ohne Lungenemphysem) sind die therapeutischen Erfolge vor allem auf die Entwicklungen in der Inhalationstherapie zurückzuführen. Diese hat grundsätzlich den Vorteil, daß sie

  • topisch angewandt werden kann,
  • ein günstiges Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil besitzt und
  • die Wirkung rasch eintritt, was vor allem für die Beta-2-Mimetika gilt.

Zudem gilt bei der Inhalationstherapie in verstärktem Maße die Regel, daß ein Medikament mehr ist als nur ein Wirkstoff. Erst das pharmazeutische Gesamtkonzept, die effektive, dosiskonstante, reproduzierbare Deposition eines lokal wirksamen Pharmakons in effektiver Dosis, appliziert über ein System, das dies sicherstellt, garantiert den Erfolg.

Die Wahl des individuell "richtigen" Inhalationssystems kann entscheiden, ob eine Asthma- oder COPD-Therapie effektiv ist oder nicht. Denn nur wenn der Patient mit seinem Inhalator zurechtkommt, wird er ihn auch zuverlässig und regelmäßig anwenden. Einfache Bedienbarkeit und spürbare Wirkung sind daher förderlich für die Compliance. Berücksichtigt werden sollten bei der Auswahl daher vor allem:

  • die mentalen und manuellen Fähigkeiten des Patienten und damit natürlich auch sein Alter,
  • der Schweregrad der Erkrankung,
  • der Zeitaufwand für die Inhalation,
  • die Anwendbarkeit im stationären und ambulanten Bereich,
  • die Kosten sowie
  • die Patientenpräferenzen.

Eine evidenzbasierte Analyse der bisher verfügbaren Studien zu unterschiedlichen Inhalationssystemen hat ergeben, daß alle Systeme unter klinischen Gesichtspunkten ähnlich effektiv sind. Dies setzt allerdings eine korrekte Inhalationstechnik voraus.

Vor- und Nachteile von treibgasgetriebenen Dosieraerosolen (MDI)

Vorteile

  • lange im Markt und kostengünstig
  • klein und handlich, überall verfügbar
  • verfügbar für die meisten Wirkstoffe
  • rel. hohe Dosiskonstanz
  • Dosis und Partikelspektrum unabhängig vom Atemmanöver
  • in Notfallsituationen einsetzbar
  • in Beatmungssystemen einsetzbar (mit Spacer)

Nachteile

  • schwierige Koordination
  • hohe oropharyngeale Wirkstoffdeposition (ohne Spacer)
  • ungeeignet für Kinder < 6 Jahre (ohne Spacer)
  • ungeeignet für manche ältere Patienten (z.B. mit Arthritis)
  • überwiegend kein Zählwerk, keine Restdosiskontrolle

Treibgasbetriebene Dosieraerosole gibt es nur noch mit umweltfreundlichen FCKW-freien Treibmitteln.

Um diese zu gewährleisten, müssen auch dem verordnenden Arzt die spezifischen Eigenschaften und Anforderungen an den korrekten Umgang mit den unterschiedlichen Inhalationssystemen bekannt sein.

Nur so kann er die Handhabung mit dem Patienten einüben und diese später kontrollieren. Beides ist für eine effektive Inhalationstherapie unabdingbar.

Eine intensive Einweisung und Schulung in die Handhabung der verordneten Inhalationssysteme sowie die regelmäßige Überprüfung der Inhalationstechnik kann in der Praxis durchaus an nicht-ärztliches Personal delegiert werden.

Die Versorgung mit unterschiedlichen Inhalationssystemen beim gleichen Patienten ist nach Möglichkeit zu vermeiden, da dies eher zu Bedienungsfehlern und zu einer schlechteren Compliance führt.

Bei ungenügender Symptomkontrolle unter der Therapie oder funktioneller Verschlechterung einer obstruktiven Ventilationsstörung sollte vor einer Änderung der Medikation die Inhalationstechnik sowie die Auswahl des verordneten Inhalationssystems überprüft und gegebenenfalls das Inhalationssystem gewechselt werden.

Bei der Auswahl von Inhalationssystemen sollten grundsätzlich vier Fragen berücksichtigt werden:

  1. Kann bewußt inhaliert werden?
  2. Ist ein ausreichender inspiratorischer Atemfluß oder ein effektives Vitalkapazitätsmanöver möglich?
  3. Kann die erforderliche Koordination für die Benutzung des Inhalationssystems aufgebracht werden?
  4. In welchem System ist der gewünschte / indizierte Wirkstoff verfügbar?

Sind theoretisch mehrere Inhalationssysteme anwendbar, sollten Patientenpräferenzen und natürlich auch Kostenaspekte berücksichtigt werden.

Treibgasbetriebene Dosieraerosole (MDI)

Die treibgasbetriebenen Dosieraerosole sind jetzt nur noch mit umweltfreundlichen FCKW-freien Treibmitteln erhältlich. Bei der neuen HFA-Technologie (Hydrofluoralkan) treten die Aerosolteilchen zum Teil deutlich langsamer aus als bei den alten FCKW-MDI (Metered Dose Inhaler, MDI).

Darüber hinaus ist zum Teil auch die Sprühdauer im Vergleich zu den Vorgängern deutlich verlängert. Diese Veränderungen erleichtern den Inhalationsvorgang und reduzieren die unerwünschte oropharyngeale Deposition.

Besonders wichtig ist bei den treibgasbetriebenen Dosieraerosolen die Unterscheidung zwischen Suspensions- und Lösungsaerosolen. Allerdings muß man auch bei den Lösungsaerosolen jetzt sehr genau darauf achten, ob das System besonders feine Teilchen mit einem MMAD (mass median aerodynamic diameter) um 1,1 µm oder aber, ähnlich wie die alten FCKW-Sprühdosen, Aerosolteilchen in der Größe zwischen 4 und 5 µm freisetzen.

Vor- und Nachteile von Trockenpulverinhalatoren (DPI)

Vorteile

  • Koordination nicht nötig, atemzugaktiviert
  • klein und handlich, überall verfügbar
  • verfügbar für die meisten Wirkstoffe
  • teilweise gänzlich ohne Hilfsstoffe
  • häufig mit Zählwerk versehen

Nachteile

  • Dosisabgabe und Deposition von Inspirationsfluß und Atemmanöver abhängig
  • ungeeignet für Kinder < 4 Jahre
  • ungeeignet für Notfallsituationen
  • nicht in Beatmungssystemen einsetzbar
  • z.T. feuchtigkeitsempfindlich

Da Trockenpulverinhalatoren atemzugaktiviert sind, ist nur eine geringe Koordinationsfähigkeit nötig.

Die kleineren Teilchen führen zu einer um etwa 50 Prozent besseren pulmonalen Deposition und einer deutlich geringeren oropharyngealen Deposition. Hierdurch ist die Rate unerwünschter Wirkungen deutlich reduziert. Voraussetzung ist bei diesen Systemen aber eine Atemanhaltezeit von etwa 5 bis 10 Sekunden.

Spacer erleichtern die Koordination beim Inhalieren

Der Gebrauch eines MDI setzt eine gute Koordination zwischen der Auslösung eines Hubes und dem Inspirationsmanöver voraus. Manche Patienten haben hierbei Schwierigkeiten, die jedoch durch atemzuggetriggerte Systeme wie dem mit Beclometason bestückten Autohaler® umgangen werden. Der Respimat® (mit dem kurz wirksamen Anticholinergikum Ipratropiumbromid und dem kurz wirksamen Beta-2-Agonisten Fenoterol) ist hier ebenso eine Alternative.

Er gehört eigentlich zu den Feuchtverneblern, ist aber nur etwa so groß wie ein Dosieraerosol. Er setzt eine über einen längeren Zeitraum sich sehr langsam ausbreitende Aerosolwolke frei ("long lasting and slow moving"). Dies erleichtert die Koordination und reduziert die oropharyngeale Deposition bei verbesserter pulmonaler Deposition.

Eine andere Möglichkeit ist die Verwendung von Hohlraumsystemen (sogenannte Spacer, holding chambers). Diese reduzieren mehr als alle anderen Techniken die oropharyngeale Deposition und erleichtern die Koordination beim Inhalieren. Bei Patienten mit rezidivierendem Soorbefall oder einer Stimmbandmyopathie ist die Kombination aus einem treibgasbetriebenen Dosieraerosol mit einem Spacer unbedingt zu bevorzugen.

Für die Inhalationstherapie bei Kindern bis zum vierten Lebensjahr sind sie eine gute Alternative zu den Ultraschall- und Druckluftverneblern (auch Düsenvernebler genannt). Gleiches gilt für den Einsatz in Notfallsituationen bei Erwachsenen. Auch hier sollte ein treibgasbetriebenes Dosieraerosol am besten mit Spacer eingesetzt werden. Diese Kombination ist ebenso effektiv wie die Anwendung eines Druckluft- oder Ultraschallverneblers.

Ist in der Akutsituation kein Spacer verfügbar, kann selbstverständlich auch ein kurzwirksames Beta-2-Mimetikum direkt aus einem Dosieraerosol inhaliert werden. Dann sind aber aufgrund der schlechteren Lungendeposition mehrere Hübe erforderlich.

Trockenpulverinhalatoren (DPI)

Auch die Trockenpulverinhalatoren (DPI) sind letztlich Dosieraerosole. Bei ihnen ist sowohl die Dosisabgabe als auch die Generierung respirabler Partikel abhängig vom Inspirationsfluß durch das verwendete System. Ein höherer Inspirationsfluß führt zur genaueren bzw. kompletteren Abgabe der nominellen Dosis und zur Generierung eines höheren Anteils kleiner Aerosolpartikel.

Werden DPI unsachgemäß angewandt, kommt es zu einer schlechten Dosisfreisetzung und einer geringen pulmonalen Deposition. Neuere Systeme, wie das mit Budesonid bestückte Pulmax®, scheinen etwas weniger flußabhängig zu sein als ältere Systeme.

Vor- und Nachteile von Druckluft- und Ultraschallverneblern
Aerosolerzeugung: Düsenvernebler erzeugen Aerosol nach dem Venturi-Prinzip: Primäraerosol wird über eine Prallplatte geleitet, um größere Tröpfchen zu eliminieren. Bei Ultraschallverneblern entsteht Aerosol durch „Abreißen“ von Wassermolekülen an der Oberfläche wäßriger Lösungen durch Schallwellen mit hoher Frequenz.
Vorteile Nachteile
  • geringe Anforderungen an die Koordination
  • für alle Altersklassen geeignet (auch Kinder < 4 Jahre)
  • Kombination unterschiedlicher Wirkstoffe möglich
  • verwendbar für Arzneimittellösungen, die weder in DPI noch MDI verfügbar sind
  • Kombination mit Physiotherapiegeräten möglich
  • in Notfallsituationen einsetzbar
  • in Beatmungssystemen einsetzbar
  • Erwärmung des Aerosols möglich (z.B. PARI-Therm)
  • Geräte relativ groß und von externer Energiezufuhr abhängig (Akku oder Netz)
  • hohe Anschaffungskosten
  • lange Inhalationsdauer
  • regelmäßige Reinigung erforderlich
  • durch Ultraschalleinwirkung können komplexe Moleküle verändert / zerstört werden
  • relativ unpräzise Dosierung
Quelle: Voshaar, Tabelle: Forschung und Praxis / Ärzte Zeitung
Bevorzugt eingesetzt werden Ultraschall- und Druckluftvernebler unter anderem bei Kindern bis zum vierten Lebensjahr und in Notfallsituationen.

Ultraschall- und Druckluftvernebler

Ultraschall- und Druckluftvernebler können für die Feuchtinhalation verschiedener Substanzen und deren Mischungen verwendet werden. Die Inhalation ist relativ zeitaufwendig und führt zu einer ähnlichen intrapulmonalen Wirkstoffdeposition wie die von - korrekt angewendeten - treibgasbetriebenen Dosieraerosolen oder Trockenpulversystemen. Bevorzugt eingesetzt werden die Systeme bei Kindern bis zum vierten Lebensjahr, in Notfallsituationen, bei besonders schwerkranken Patienten, bei unlösbaren Koordinationsproblemen und zur Inhalation von Substanzen, die in kommerziellen Systemen nicht verfügbar sind (zum Beispiel Emser Inhalationslösung, Aminoglykoside, Adrenalin etc.).

Dr. Thomas Voshaar, Krankenhaus Bethanien, Med. Klinik III Schwerpunkt Pneumologie, Allergologie, Zentrum für Schlafmedizin und Heimbeatmung, Bethanienstr. 21, 47441 Moers, Tel.: 02841 / 200-0, Fax: 200-2490, E-Mail: th.voshaar@bethanienmoers.de

Alltagsprobleme bei der Inhalation und Lösungsvorschläge

  • Vermeidung eines oropharyngealen Soors Die Patienten sollten Glukokortikoide möglichst vor den Mahlzeiten inhalieren. Nach der Inhalation ist - aufgrund der Fruchtsäure - besonders der Verzehr von Obst geeignet. Auch das Lutschen saurer Bonbons kann hilfreich sein. Zähneputzen allein reicht nicht aus!
  • Bei rezidivierendem Soor Umstellung auf die Inhalation mittels Dosieraerosol und Spacer. Hier ist auch ein Kombinationspräparat bestehend aus einem langwirksamen Beta-2-Mimetikum und einem topischen Glukokortikoid als Dosieraerosol verfügbar.
  • Schlechte Koordination Verwendung eines inspirationsgetriggerten Systems, bei den Dosieraerosolen z. B. Autohaler®, bei den Trockenpulverinhalationssystemen (DPI) z. B. Novolizer®. Alternativ kann auch hier ein treibgasbetriebenes Dosieraerosol (MDI) mit Spacer verwendet werden. Auch Düsen- und Ultraschallvernebler können bei schweren Koordinationsproblemen verwendet werden. Hier ist die Inhalation jedoch deutlich zeitaufwendiger als bei MDI oder DPI.
  • Anwendung von Spacern Immer nur einen Hub in das System applizieren und langsam und tief aus dem Spacer inhalieren. Inhalation direkt nach Applikation eines Hubes in das System beginnen. Nur das Mundstück bei einem Spacer regelmäßig reinigen. Bei Kunststoff-Spacern ist keine regelmäßige Reinigung erforderlich, auch nicht bei einem deutlich sichtbaren Beschlag des Kunststoffsystems. Wenn eine Reinigung dennoch erforderlich erscheint, möglichst Wasser mit geringem Zusatz eines Spülmittels verwenden und das System an der Luft trocknen lassen (kein Abtrocknen mit dem Tuch, da sonst elektrostatische Aufladung!).
  • Notfallsituation Für Notfallsituationen sollte ein treibgasbetriebenes Dosieraerosol (gegebenenfalls mit Spacer) bereit gehalten werden. (Voshaar)
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