Bronchiektasen

Neue inhalative Antibiotika in Sicht?

Die antimikrobielle Therapie mit Aerosolen könnte dabei helfen, intravenöse Antibiotikatherapien einzusparen und eine neue Option für Patienten mit Bronchiektasen darstellen.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:
Exazerbationen könnten durch inhalative Antibiotika bei CF-Patienten vermieden werden.

Exazerbationen könnten durch inhalative Antibiotika bei CF-Patienten vermieden werden.

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STUTTGART. Inhalative Antibiotika-Anwendungen bei bakteriellen Lungenerkrankungen werden in Zukunft wohl eine größere Rolle spielen als bisher – und zwar nicht nur für die oft chronisch mit Pseudomonas aeruginosa infizierten Cystische-Fibrose (CF)-Patienten, sondern auch für Patienten mit nicht CF-bedingten Bronchiektasen.

Derzeit stehen mit Tobramycin, Colistin, Aztreonam und Levofloxacin vier zugelassene inhalative Antibiotika zur Verfügung. Jedoch sind eine ganze Reihe weiterer Wirkstoffe in der klinischen Entwicklung.

Hauptvorteil der inhalativen Antibiotika-Therapie bei bakterieller Besiedlung der Lunge ist die direkte Deposition des Wirkstoffs im Respirationstrakt. Damit können hohe lokale Konzentrationen erreicht werden, ohne dass der Organismus wesentlich systemisch belastet wird, dies reduziert systemische Nebenwirkungen. Außerdem tritt der Therapieeffekt rasch ein, der Bildung von Biofilmen wird entgegengewirkt.

Allgemeinzustand stabilisieren

Die in den vergangenen Jahren bereits vergrößerte Auswahl inhalativer Antibiotika lässt verschiedene Kombinations- und Sequenztherapien bei CF-Patienten zu. Dies reduziert offensichtlich die Notwendigkeit intravenöser Antibiosen und ermöglicht eine Stabilisierung des Allgemeinzustandes der Patienten, sagte Privatdozent Joachim Riethmüller vom Universitätsklinikum Tübingen beim DGP-Kongress. "Wir vermuten, dass sich Exazerbationen vermeiden lassen." Noch fehlten allerdings Studien, bei welchen Keimlagen welche Kombinationen oder welche Sequenzen inhalativer Antibiotika einzusetzen sind. Bislang gebe es keine Hinweise auf veränderte Resistenzlagen bei Behandlung von CF-Patienten mit verschiedenen inhalativen Antibiotika und Antibiotika-Kombinationen, so Riethmüller.

Auch im Nicht-CF-Bereich besteht ein Bedarf an alternativen Therapieoptionen. Bakteriell besiedelte Bronchiektasen, wie sie bei Patienten mit Asthma, chronischer Bronchitis oder postinfektiös auftreten, sorgen für reduzierte Lungenfunktion, gehäufte Exazerbationen und vermehrt Krankenhausaufnahmen. Das geht unter anderem aus der deutschen Registerstudie PROGNOSIS hervor, so Dr. Felix Ringhausen von der Medizinischen Hochschule Hannover. Die Registerstudie soll dabei helfen, den derzeit eklatanten Mangel an Wissen zu Non-CF-Bronchiektasen zu beseitigen. Noch gebe es für solche Patienten keine zugelassenen inhalativen Antibiotika, sagte Ringhausen. Inhalative Antibiotikatherapien finden deshalb, nicht zuletzt aus Kostengründen, bevorzugt in Universitätskliniken und Fachkrankenhäusern statt.

Die Erfahrungen bei CF können nicht einfach auf Non-CF-Bronchiektasen übertragen werden. Verschiedene klinische Studien zur Therapie bei Non-CF-Bronchiektasen mit inhalativen Antibiotika hätten heterogene Resultate erbracht, so Ringhausen. Dies habe bevorzugt methodische Ursachen, etwa nicht einheitliche Komorbiditäten und Vortherapien der Studienteilnehmer oder unterschiedliche Keimbesiedlungen.

Zu beachten ist außerdem, dass inhalative Antibiotika nur ein Teilaspekt der Therapie bei Bronchiektasen sind. Ringshausen: "Viele dieser Patienten haben noch nie einen Atemtherapeuten gesehen und noch nie eine pneumologische Rehabilitation gehabt." Essenziell sind die Dilatation der Bronchien, die Mukolyse und Reinigung der Atemwege, etwa mit autogener Drainage – ein durchaus anspruchsvolles Therapieprogramm.

"Antibiotika sind nur der Lack, der oben drauf kommt", betonte Ringshausen. Er erwartet in Kürze Ergebnisse mehrerer klinischer Studien, etwa mit inhalativem Ciprofloxacin und Tobramycin. Eine ganze Reihe weiterer Wirkstoffe sind in der Entwicklung.

Optimale Dosis unbekannt

Es gibt natürlich auch Nachteile inhalativer Antibiotika: Husten, Bronchokonstriktion oder eine von der Inflammation abhängige Gewebepenetration zum Beispiel. Derzeit wisse niemand, wie viel Wirkstoff in den betroffenen Lungenarealen tatsächlich ankomme, gab Dr. Peter Haidl aus Schmallenberg zu bedenken. Die optimale Dosis sei unbekannt.

Notwendig sind daher effiziente und praktikable Inhalationssysteme. Der Physiker Dr. Gerhard Scheuch aus Gemünden zeigte sich in Stuttgart optimistisch, dass es auf diesem Gebiet Neuentwicklungen geben werde.

Entscheidend sei das Inhalationsmanöver des Patienten, weniger dagegen die Partikelgröße, betonte Scheuch. Optimal sei eine maximal tiefe Inspiration mit Anhalten der Luft für mehrere Sekunden und ideal wäre ein Inhalationsgerät, kaum größer als eine Zigarette.

Eine weitere Option zur antimikrobiellen Lokaltherapie bei Lungeninfektionen besteht in der Inhalation von Stickstoffmonoxid. Nach Angaben von Riethmüller arbeiten mehrere Gruppen weltweit an einer solchen Behandlung. In hohen Konzentrationen tötet Stickstoffmonoxid Bakterien, Viren, Pilze und atypische Mykobakterien ab. Allerdings können solch hohe Konzentrationen nur kurzzeitig verabreicht werden, da Methämoglobin entsteht, das über mehrere Stunden wieder abfluten muss. Bei CF-Patienten ist die Inhalation von Stickstoffmonoxid bereits erprobt worden. Daraus dürften sich weitere therapeutische Kombinationsmöglichkeiten ergeben.

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