Phytotherapie

Bei Pharyngitis erst genaue Anamnese, dann Therapie!

Bei Husten, Schnupfen, Heiserkeit können Phytotherapeutika Linderung verschaffen und die Symptomdauer verkürzen. Welche Medikamente wann infrage kommen, erklärt Professor Karin Kraft, Lehrstuhlinhaberin für Naturheilkunde an der Universität Rostock.

Von Constance Jakob Veröffentlicht:
Anamnese auch bei banaler Erkältung: Grundsächlich sollte Patienten erklärt werden, dass Antibiotika nur gegen Bakterien wirken.

Anamnese auch bei banaler Erkältung: Grundsächlich sollte Patienten erklärt werden, dass Antibiotika nur gegen Bakterien wirken.

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Ärzte Zeitung: Eine beginnende Erkältung macht sich oft durch eine Pharyngitis bemerkbar. Können Phytotherapeutika etwas dagegen ausrichten?

Prof. Karin Kraft: Im Bereich der Phytopharmaka besteht noch erheblicher Forschungsbedarf.

Prof. Karin Kraft: Im Bereich der Phytopharmaka besteht noch erheblicher Forschungsbedarf.

© Kraft

Professor Karin Kraft: Ja, schleimhaltige Phytotherapeutika können die unangenehmen Beschwerden deutlich lindern, da sie sich als Schleim über die entzündete Region legen. Zu nennen wären hier zum Beispiel Präparate aus Eibischwurzel, Salbeiblättern, Spitzwegerichkraut oder Isländisch Moos, deren Wirksamkeit in klinischen Studien belegt wurde. Günstig ist die hervorragende Verträglichkeit dieser Produkte. Sie haben auch entzündungslindernde Eigenschaften.

Nach welchen Kriterien kann der Allgemeinarzt bei Patienten, die sich mit Schnupfen vorstellen, entscheiden, ob eine phytotherapeutische Behandlung sinnvoll ist?

Der Arzt muss zuerst eine sorgfältige Anamnese erheben, um herauszufinden, um welche Art von Schnupfen es sich handelt. Manche Ursachen können phytotherapeutisch behandelt werden, manche erfordern eine Therapie mit chemisch definierten Arzneimitteln. Am häufigsten wird die Rhinitis durch eine viral bedingte Erkältungskrankheit hervorgerufen. Hier ist Phytotherapie eine gute Option.

Wann sollte man mit phytotherapeutischen Medikamenten zurückhaltend sein?

Tritt der Schnupfen im Rahmen einer echten Grippe, einer bakteriell verursachten Rhinosinusitis, einer Allergie oder einer nasalen Hyperreaktivität auf, sind Phytotherapeutika als alleinige Maßnahme weniger geeignet. Auch bei der medikamentösen Rhinitis ist die Phytotherapie nicht die Behandlung der Wahl. Sie wird zum Beispiel durch die Einnahme von Verhütungsmitteln, Betablockern, ACE-Hemmern oder auch von Sympathomimetika enthaltenden Nasentropfen und Sprays, die gegen Schnupfen eingesetzt werden, ausgelöst. Hier hat das Absetzen der auslösenden Medikamente Priorität.

Welche Phytopharmaka werden laut Leitlinie bei der virusbedingten Erkältungsrhinitis empfohlen?

In diesem Jahr ist eine neue S2k-Leitlinie Rhinosinusitis veröffentlicht worden. Laut der Leitlinie können standardisierter Eukalyptusblätterextrakt oder eine Kombination von Eisenkraut, Enzianwurzel, Holunderblüten, Sauerampferkraut und Schlüsselblumenblüten in gepulverter Form oder als Extrakt zur Therapie der akuten Rhinosinusitis eingesetzt werden.

In der europäischen Leitlinie zur Rhinosinusitis von 2012 werden Myrtol, Cineol und Pelargonienwurzelextrakt empfohlen. Myrtol ist ein Mischdestillat aus Eukalyptusöl, Süßorangenöl, Myrtenöl und Zitronenöl. Es wirkt abschwellend auf die Nasenschleimhaut, schleimlösend, antientzündlich und antibakteriell. Es ist für Kinder ab sechs Jahren zugelassen. Cineol, ein Wirkstoff, der aus Eukalyptusöl gewonnen wird, wirkt antiseptisch und auswurffördernd. Pelargonienwurzelextrakt wirkt antibakteriell, antiviral und immunmodulierend.

Welche weiteren Heilpflanzen können bei der virusbedingten Erkältungsrhinitis hilfreich sein?

Neben Myrtol, Cineol und Pelargonienwurzelextrakt kann man mit Präparaten, die Inhaltsstoffe von Kapuzinerkresse, Knoblauch, Senfsamen, Meerrettich, Kamillenblüten und Schlüsselblumenblüten enthalten, eine bakterielle Superinfektion bei viral bedingtem Schnupfen erschweren.

Außerdem helfen Dampfinhalationen mit Kräuterzusätzen, wie zum Beispiel Kamillenblüten. Sie wirken antientzündlich, spasmolytisch und antibakteriell.

Häufig wird gegen Schnupfen auch Menthol eingesetzt. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Menthol gibt den Patienten ein kühlendes Gefühl, der Schnupfen wirkt dadurch subjektiv weniger unangenehm. Die Atmung an sich verbessert es aber nicht.

Wie ist die Studienlage zu den genannten Phytopharmaka?

In diesem Bereich besteht noch ein erheblicher Forschungsbedarf. Eine Erklärung für die geringe Anzahl an Studien zu Phytopharmaka bei Rhinitis ist, dass viele Patienten mit Schnupfen allein mittlerweile nicht zum Arzt gehen, sondern direkt in die Apotheke. Wegen der Selbstmedikation bekommen Ärzte viele Patienten mit Rhinitis nicht mehr zu sehen.

Das Problem dabei ist, dass der Apotheker keine vollständige Anamnese erheben kann und die genaue Ursache der Beschwerden nicht eindeutig geklärt wird. Eventuell braucht der Patient ein chemisch definiertes Arzneimittel, weiß es aber nicht, weil er nicht beim Arzt war. Geht der Schnupfen also nicht weg, sollte der Patient zum Arzt gehen und nicht nur zum Apotheker.

Bei Atemwegsinfekten mit Husten wollen viele Patienten ein Antibiotikum bekommen. Nach welchen Kriterien entscheidet man, ob antibiotisch behandelt werden muss?

Grundsächlich sollte der Arzt seinem Patienten erklären, dass Antibiotika nur gegen Bakterien wirken. Sie werden also zur Behandlung einer bakteriell bedingten Pneumonie und in Einzelfällen bei einer akuten Bronchitis eingesetzt. Am häufigsten tritt der akute Husten jedoch im Rahmen der Erkältungskrankheit auf, die durch Viren hervorgerufen wird. Bei viralen Erkrankungen macht es keinen Sinn, ein Antibiotikum einzunehmen. Es kann hier aber sinnvoll sein, ein Phytopharmakon zu geben, um die Symptome zu lindern.

Je nachdem, ob es ein trockener oder ein produktiver Husten ist, verwendet man unterschiedliche Heilpflanzen. Es gibt aber natürlich auch nichtinfektiöse Ursachen für Husten, an die man denken muss, wie zum Beispiel das allergische Asthma, die chronisch obstruktive Lungenkrankheit (COPD) oder Lungentumoren.

Was hat die Naturheilkunde bei akutem trockenem Husten zu bieten?

Beim trockenen Husten werden schleimhaltige Medikamente eingesetzt. Dies hängt mit der Pathogenese des trockenen Hustens zusammen: Wenn die Viren im Bronchialapparat oder im Kehlkopfbereich aktiv werden, greifen sie die oberste Schleimhautschicht an. Dadurch werden Nervenendigungen freigesetzt, die dann leichter gereizt werden. Dies führt zu Husten und Schmerzen.

Präparate mit Extrakten aus Spitzwegerichkraut, Malvenblüten, Efeublättern, Eibischwurzeln oder Isländisch Moos bilden einen Schutzfilm über die gereizten Nervenendigungen und wirken dadurch reizmildernd. Auch das Gurgeln mit Salbeiextrakt kann hier empfohlen werden, da er antibakteriell wirkt.

Was für Optionen hat man beim produktiven Husten?

Beim produktiven Husten wirken Primelwurzel und Thymian, auch in Kombination, sehr gut. Sie aktivieren die Bronchialzellen, die den Schleimtransport übernehmen. Eine weitere nützliche Pflanze bei produktivem Husten ist der Efeu. Extrakte aus Efeublättern enthalten Saponine, die den Nervus vagus über seine Endigungen im Magen reizen. Über eine Verschaltung im Hirnstamm wirkt sich dies auch auf die Lunge aus: Dort kommt es dann zu einer vermehrten Flüssigkeitsproduktion, die den zähen Schleim löst. Efeu enthält auch bronchuserweiternde Substanzen, die dafür sorgen, dass der Schleim besser abgehustet werden kann. Zusätzlich wirkt er antientzündlich.

Was hilft gegen besonders zähen Schleim?

Ist der Schleim zäh, muss man viel trinken. Hustentees sind meist Kombinationen aus verschiedenen pflanzlichen Drogen. Sie enthalten beispielsweise Thymian, Primelwurzel oder Süßholzwurzel, die auch als Immunstimulans wirkt. Hilfreich sind auch ätherische Öle wie Eukalyptusöl, Pfefferminzöl, Fichten- oder Kiefernnadelöl. Sie senken die Oberflächenspannung und sind lipophil. Dadurch verflüssigen sie den fetthaltigen Schleim. Sie werden – bis auf Pfefferminzöl – wenig metabolisiert und wirken deswegen nicht nur, wenn sie inhaliert werden, sondern auch wenn sie oral eingenommen werden. Man sollte aber wissen, dass ätherische Öle bei Kindern unter zwei Jahren gefährlich sind: Es kann hier zu einem Reflex kommen, bei dem sich die Stimmritze verschließt. Die Kinder können daran ersticken. Deswegen sind ätherische Öle bei Kindern unter zwei Jahren tabu.

Ist die Wirksamkeit dieser Heilpflanzen wissenschaftlich gut belegt?

Es gibt einige randomisierte, kontrollierte Untersuchungen zu der Kombination aus Thymianöl und Efeublättern, Thymian und Primelwurzel sowie zu Myrtol, die auch in der Leitlinie Husten beschrieben sind. Für diese Präparate konnte im Vergleich zu Placebo eine Überlegenheit bezüglich der Linderung bzw. Verkürzung von Hustensymptomen nachgewiesen werden.

Welche Phytotherapeutika können die Dauer verkürzen?

Die Symptomdauer bei Erkältungen kann zum Beispiel durch Extrakte aus der Kombination von Thymiankraut und Primelwurzel, aus der Wurzel von Pelargonium sidoides oder des roten Sonnenhutkrautes verkürzt werden.

Professor Karin Kraft

Aktuelle Position: Lehrstuhl für Naturheilkunde der Uni Rostock

Karriere: 1980: Approbation; 1989: Ärztin für Innere Medizin; 1991: Weiterbildung Naturheilverfahren; 1992-2002: Oberärztin der Med. Poliklinik der Uni Bonn: Ambulanz für Hypertonie, Ambulanz für Naturheilverfahren; 1993: Habilitation (Innere Medizin)

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